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Politik

Nahostplan: "Wir müssen durchhalten"

31. Januar 2020

Israels Rechte loben US-Präsident Trumps Nahostplan. Viele Palästinenser kritisieren, der Plan ignoriere ihre Interessen. Ihrem Streben nach einem eigenen Staat tut das keinen Abbruch. Aus Jerusalem Tania Krämer.

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Bild: DW/T. Krämer

Kurz vor dem Wochenende ist es geschäftig auf der Salah-Eddin-Straße im Zentrum von Ostjerusalem, gleich außerhalb der Altstadt. Der sogenannte "Jahrhundertdeal" von US-Präsident Donald Trump sorgt noch immer für Diskussionen, für Ärger, aber auch für viel Ratlosigkeit unter Palästinensern. Vor allem die Idee, dass der Jerusalemer Vorort Abu Dis, gleich hinter der israelischen Sperrmauer, erneut als mögliche Hauptstadt der Palästinenser gehandelt wird, sorgt bei einigen Ostjerusalemern für Spott und Häme.

"Das ist doch nicht wirklich was Neues oder? Haben wir das nicht schon mal gehört?", fragt Firas Khalaf, der in einem kleinen Büchercafé seinen Kaffee trinkt. Schon in den 1990er Jahren war von einer Hauptstadt in dem Vorort die Rede, sogar mit dem Bau eines Parlamentsgebäude wurde dort begonnen, aber es wurde niemals eröffnet. Schon allein Abu Dis mit Jerusalem gleichzusetzen, ist für viele Palästinenser unvorstellbar.

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Hofft nicht mehr auf Frieden und einen palästinensischen Staat in seiner Lebenszeit: Apotheker Ismail KadourahBild: DW/T. Krämer

Die Erwartungen an den Nahostplan waren ohnehin nicht besonders groß. In den vergangenen drei Jahren hat die Trump-Regierung immer wieder proisraelische Schritte im Nahostkonflikt gemacht. Und auch dieser Vorstoß lehnt sich an israelische Positionen an. Schon 2017 hatte Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt und damit langjährige US-Politik verworfen. Doch Palästinenser sehen Ostjerusalem als künftige Hauptstadt ihres unabhängigen Staates, darum brach die palästinensische Führung in Ramallah daraufhin alle diplomatischen Beziehungen zu den USA ab.

Der Nahostplan sieht zwar einen palästinensischen "demilitarisierten" Staat vor, dieser aber ist an eine Liste von Bedingungen gebunden und stünde letztlich immer noch unter der Kontrolle Israels.

Viele Pläne - aber kein Staat

"Die Israelis schaden sich damit doch nur selbst", sagt Ismail Kadourah, der seit 1966 eine Apotheke auf der Salah-Eddin-Straße betreibt. Langfristig laufe dies auf eine Ein-Staaten-Lösung hinaus, mit unterschiedlichen Rechten für die Bürger. Kadourah hat schon viele sogenannte Friedensinitiativen kommen und gehen sehen, aber keine davon hat Frieden und den Palästinensern einen eigenen Staat gebracht.

"Am besten wäre, die palästinenische Autonomiebehörde löst sich auf und die PLO geht ins Exil. Wir können uns dann hier mit gewaltlosem, zivilen Ungehorsam für unsere Rechte einsetzen", erklärt Kadourah, der sein Alter mit "um die 80" angibt. Der Apotheker spielt dabei auf die Auflösung der palästinensischen Autonomiebehörde an, die im Zuge der Osloer Friedensverträge ab 1993 geschaffen wurde. Für einige Palästinenser wäre dieser Schritt nur konsequent, da die Behörde aufgrund der israelischen Militärbesatzung im Westjordanland nie wirklich Autonomie besessen hat.

"Wir haben unser Leben mit den verschiedensten Plänen verbracht. Man ist ständig damit beschäftigt und am Ende kommt nichts dabei raus", sagt auch Nadine Alami, eine Kundin aus Ostjerusalem. Sie hat selbst die erste Intifada, den Aufstand 1989 miterlebt, danach die Zeit des Osloer Friedensprozesses. Heute, sagt sie, seien die Menschen müde, weil keine Hoffnung mehr bestehe, dass sich tatsächlich etwas ändere. "Man glaubt einfach an nichts mehr. Und alles, was wir vom Leben wollen, ist, sich um die Familie und das eigene Leben zu kümmern."

Begeisterung bei rechten Israelis

In Israel war die Begeisterung des rechten Lagers über den Plan am lautesten. "Es ist Zeit, Souveränität über unser historisches Heimatland zu erlangen", schreibt Chefredakteur Boaz Bismuth in "Israel Hayom", der kostenlosen Likud-nahen Tageszeitung. Der Deal werde zwar nicht den gewünschten Frieden mit den Palästinensern bringen, aber er werde Israel ermöglichen, in Judäa und Samaria (Westjordanland) genauso wie in Tel Aviv zu bauen. Die Freude über den Plan wurde im ideologisch rechten Lager allerdings erheblich dadurch getrübt, dass er auch explizit die Entstehung eines, wenn auch eng begrenzten, palästinensischen Staates vorsieht.

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Die Palästinenser wünschen sich Ostjerusalem als Hauptstadt - Trumps Nahostplan sieht den Vorort Abu Dis dafür vorBild: DW/T. Krämer

US-Präsident Trump genießt in Israel größte Popularität. Doch ob der Plan realistisch ist und Frieden bringen wird, ist eine ganz andere Frage: "Man braucht zwei, um Tango zu tanzen", sagt Chaim Levi, ein Passant unterwegs auf der Jaffa-Straße im Westen Jerusalems. "Auch wenn wir dem Plan zustimmen, werden es die Palästinenser niemals tun. Damit ist es reine Zeitverschwendung." In einem offenen Brief, der im britischen "Independent" veröffentlicht wurde, warnen mehrere prominente Israelis vor einem "Bantustan-Plan", also einem Plan für ein instabiles politisches Gebilde, der keinen Frieden bringen wird.

Annektierung "verschoben"

In den israelischen Medien wurde viel über den Zeitpunkt der Veröffentlichung von Trumps Vorhaben nur rund einen Monat vor der nächsten israelischen Parlamentswahl am 2. März diskutiert. "Der Plan war Netanjahus bescheidener Beitrag zu Trumps Wahlkampf. Und der Zeitpunkt war Trumps unbescheidener Beitrag zu Netanjahus Wahlkampagne", kommentierte der israelische Journalist Nahum Barnea in der Tageszeitung "Yedioth Ahronoth". Eine erste Umfrage des israelischen Fernsehkanals KAN nach der Veröffentlichung zeigte keine große Wählerwanderung. Benny Gantz (Bündnis Blau-Weiss) führte darin knapp mit einem Sitz (34) vor dem nun seit dieser Woche auch formell wegen Korruption angeklagten Netanjahu (33 Sitze). Netanjahu hätte noch immer Schwierigkeiten, eine Koalitionsregierung mit dem rechten Block zu bilden.

USA Washington Weißes Haus | Benjamin Netanjahu, Israel & Donald Trump, Präsident | Friedensplan Nahost
Gegenseitige Wahlkampfhilfe? US-Präsident Trump und Israels Premier Netanjahu präsentieren ihren Nahost-PlanBild: Getty Images/AFP/M. Ngan

Vieles wird davon abhängen, welche Schritte Netanjahu noch vor der Wahl durchsetzen kann. Noch in Washington hatte er versprochen, dass das israelische Kabinett bereits diesen Sonntag über die Annektierung des Jordantals abstimmen werde. Jetzt heißt es, dass die Entscheidung verschoben werde. Grund dafür sind offenbar Unstimmigkeiten mit den US-Amerikanern über den Zeitplan. In einem Interview sagte Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, einer der Architekten des Plans, er hoffe, Israel werde mit einer Annektierung bis nach den Wahlen warten. Eine bilaterale Arbeitsgruppe müsse zunächst die technischen Details klären und dies würde "Zeit benötigen".

Bei den Palästinensern hat der Nahostplan das Gefühl bestärkt, allein dazustehen mit ihrem Streben nach einem unabhängigen Staat. Zwar will der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas am Wochenende bei der Arabischen Liga in Kairo für Unterstützung werben, aber die Reaktionen der arabischen Nachbarstaaten waren ebenso verhalten wie die aus Europa.

"Wir sind hier", sagt Apotheker Ismail Kadourah. Echten Frieden und einen Staat werde er "in seinem Alter" wahrscheinlich nicht mehr sehen, seine Kinder wohl auch nicht. "Das ist hart, aber wir müssen durchhalten."

Porträt einer Frau mit dunklen Haaren
Tania Krämer DW-Korrespondentin, Autorin, Reporterin