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Der Papst-Rücktritt im Netz

Michael Gessat12. Februar 2013

Benedikt XVI. legt sein Amt nieder - die Nachricht sorgte in den klassischen Medien für hektische Betriebsamkeit, aber auch im Internet. Dort allerdings wird das Ereignis nicht immer mit heiligem Ernst besprochen.

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Mann, der im Internet eine Seite besucht, mit der man Blogs erstellen kann (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Aus deutscher Sicht war es ein Karneval der Rücktritte: Den Anfang machte Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Zwei Tage später, am Rosenmontag, folgte dann der "deutsche Papst" Bendikt XVI. alias Josef Ratzinger. In den Köpfen vieler Internetnutzer löste das Zusammentreffen beider Ereignisse einen humoristischen Kurzschluss aus: Unmittelbar nach Aufkommen der Nachricht aus Rom brach beim Kurznachrichtendienst Twitter die "Witzhölle" los. So formuliert es jedenfalls das Internetportal "Spiegel Online":

"Papst Benedikt will zurücktreten - hat der etwa auch bei der Doktorarbeit geschummelt?" oder "Bibel plagiiert. Papst tritt zurück" - das waren typische Kurznachrichten, sprich: Tweets, die nun vielfach variiert und massenhaft weitergeleitet wurden. In die Rolle der Scherz-Multiplikatoren fügten sich die Online-Abteilungen deutscher Medienhäuser: Ob beim ZDF, bei der Süddeutschen Zeitung oder bei Pro7 - die Zahlen der "Re-Tweets" und der angeklickten Facebook-"gefällt mir"-Knöpfe explodierten geradezu. Kurzum: Es war ein guter Tag für die Social Media-Statistiken, die ja angeblich etwas über die Relevanz eines Medienproduktes oder eines Webauftritts aussagen sollen.

Schweigen auf @pontifex.de

Auf Benedikts eigenem Twitter-Account gab es in Sachen Rücktritt erst einmal rein gar nichts zu lesen, auf die Hastigkeit des Kurznachrichtendienst ließ sich der Pontifex, der erst unlängst medienwirksam mit dem Twittern begonnen hatte, ganz offenbar nicht ein. Für ernsthafte "Follower" oder auch einfach Kenner des katholischen Kirchenoberhaupts dürfte der Rücktritt ohnehin so überraschend nicht gewesen sein.

Papst Benedikt vor iPad (Foto: dapd)
Der erste Papst, der twitterte, gibt sein Amt auf - Benedikt XVI. vor seinem iPadBild: dapd

Im Netz hat man ein Faible für komplizierte und geheimnisvolle Hintergründe. Der Blogger "Fefe" alias Felix von Leitner liefert "auf gehäufte Anfrage" hin eine Verschwörungstheorie: Der Rücktritt sei eine herausgezögerte Folge des "Vatileaks"-Skandals, man habe noch einmal nachgezählt und "und einer der Aktenordner mit peinlichen Dokumenten fehlte". Eine andere Version hat das Satireblog "Der Postillon" und belegt die mit einer Fotomontage: Der Papst habe "wieder mehr Zeit mit seiner Gattin und seinen Kindern verbringen wollen".

Satire im Netz

Blogger Sascha Lobo untersucht den statistischen Zusammenhang zwischen einer Vertrauenserklärung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem darauf folgenden Rücktritt der betreffenden Person. Und das Computermagazin "Wired" schließlich stellt die Amtsaufgabe von Benedikt und die von Steve Jobs gegenüber - schließlich habe ja auch der mittlerweile verstorbene ehemalige Chef des Computerunternehmens Apple als unfehlbarer Anführer von "Gläubigen" gegolten. Dieser Scherz allerdings geht vielen der Kommentatoren auf der Wired-Seite zu weit.

William Tapley kommt aus der Möbelbranche, ist mittlerweile 73 Jahre alt und selbsternannter "dritter Adler der Apokalypse" - er meldet sich regelmäßig mit Videobotschaften auf dem Portal Youtube zu Wort. So auch am Montag: Der Rücktritt des Papstes erfülle die Prophezeiung, die schon kurz vorher an geheimen Zeichen im überaus populären Musikvideo "Gangnam Style" ablesbar gewesen sei - die Rückkehr des Antichristen stehe nämlich unmittelbar bevor. Satire oder ganz normaler Wahnsinn - im Netz liegt das eng beieinander und ist dann auch noch schwer auseinanderzuhalten.

Frauen in Internetcafe im Iran (Foto: AP)
Schreibfreudig: Blogger im weltweiten Netz kommentierten den Papst-RücktrittBild: AP

Nachfolge-Wetten

Ernst gemeint, aber wohl unrealistisch, ist jedenfalls der Wunsch mancher Blogger, so etwa bei "Ad Sinistram", der Nachfolger von Benedikt möge aus dem Lager der "Befreiungstheologen" kommen - zum Beispiel "ein Lateinamerikaner, der die Favelas kennt, die imperialistischen Versuche des Neoliberalismus, die Ausbeutung von Ressourcen zuungunsten derer, die über oder neben diesen Ressourcen darben".

Ganz emotionsfreie Prognosen, wenn auch wiederum auf reichlich spekulativer Basis, gibt es hingegen bei zahlreichen Online-Wettportalen: Beim Anbieter Paddypower etwa liegt momentan Kardinal Peter Turkson aus Ghana vorn auf der Liste der möglichen Anwärter auf den vakanten Stuhl Petri, gefolgt von Kardinal Marc Quellet aus Kanada. Der Religionskritiker und Evolutions-Verfechter Richard Dawkins liegt hingegen weit abgeschlagen im Schlussfeld der Wettquoten - immerhin aber noch vor Popsänger und Entwicklungshilfe-Vorkämpfer Bono.