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Der Partisan und die Schulden - Manolis Glezos im Gespräch

Panagiotis Kouparanis8. Mai 2015

Der griechische Widerstandskämpfer und Europaabgeordnete aus den Reihen der Syriza, Manolis Glezos, verlangt seit Jahrzehnten von Deutschland, Kriegsschulden zu bezahlen. Er beziffert sie auf 162 Milliarden Euro.

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Manolis Glezos Europaabgeordneter (Foto: DW/Panagiotis Kouparanis)
Bild: DW/P. Kouparanis

Er begrüße einen "Widerstandskämpfer" und "Nationalhelden", so hieß Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Empfang im März 2014 anlässlich seines Staatsbesuchs in Athen Manolis Glezos willkommen. Anders als den allermeisten in der deutschen Delegation war dem Ostdeutschen Gauck der Name Glezos ein Begriff.

Er holte 1941 die Hakenkreuzfahne der deutschen Besatzungstruppen von der Akropolis herunter, später saß er mehrmals im Gefängnis und wurde dreimal zum Tode verurteilt - erst von den Besatzern und dann zweimal vom konservativen griechischen Nachkriegsregime. Nur ein massiver weltweiter Protest rettete ihn. General De Gaulle appellierte an die damalige griechische Regierung, nicht den "ersten Partisanen Europas" zu exekutieren. Besonders groß war das Engagement für den Politiker der Linken in den Ländern des damaligen Ostblocks. Deshalb auch das Wissen um Glezos bei dem in der DDR sozialisierten Joachim Gauck.

Deutsche Soldaten beim Aufziehen der Hakenkreuz-Flagge auf der Akropolis (Foto: picture-alliance/akg-images)
Hakenkreuzfahne auf der Akropolis 1941 - Manolis Glezos holte sie 1945 herunterBild: cc-by-sa/Bundesarchiv/Bauer

Es geht um deutsche Schulden

Als erster Bundespräsident hatte Gauck bei seinem Griechenlandbesuch nicht nur die deutsche Schuld für das Leid anerkannt, das der griechischen Bevölkerung während der deutschen Besatzung widerfuhr, er bat auch um Verzeihung. Beim Thema Wiedergutmachung wies er jedoch auf die Rechtsauffassung der Bundesregierung hin: Rechtlich und politisch seien Reparationsfragen 70 Jahre nach Kriegsende abgeschlossen. Dagegen läuft Manolis Glezos schon seit Jahrzehnten Sturm. Für ihn bleibt die Frage nach Reparationen weiterhin unbeantwortet.

Diese Meinung vertritt auch die griechische Links-Rechts-Regierung. Den Verdacht, dass der Schwenk in Griechenland mit der Schuldenkrise und der besonders kritischen Haltung in Deutschland gegenüber seiner Heimat zu tun haben könnte, verneint Glezos vehement. "Die Frage der aktuellen Kredite und die Frage der Kriegsschulden Deutschlands bei Griechenland sind getrennt voneinander zu sehen. Wir wollen sie nicht verrechnen - auf gar keinen Fall."

Glezos spricht nicht von deutschen Reparationszahlungen und individuellen Entschädigungen, sondern von "deutschen Schulden". Er sagt, es handele sich um Forderungen, die von internationalen Institutionen bereits anerkannt beziehungsweise von deutscher Seite bestätigt seien. Das seien 7,1 Milliarden Dollar für Kriegsreparationen Deutschlands an Griechenland, die 1946 in der Pariser Friedenskonferenz festgeschrieben wurden und die Rückzahlung von 3,5 Milliaden Dollar aus einer griechischen Zwangsanleihe an Nazi-Deutschland. Ihrem heutigen Wert nach beliefen sich diese Beträge ohne Zinsen auf rund 162 Milliarden Euro.

Darauf angesprochen, dass der griechische Rechnungshof kürzlich die griechischen Forderungen auf fast 280 Milliarden Euro hochgeschraubt hat, reagiert Glezos unwirsch. Er wisse nicht, wie der Rechnungshof auf diesen Betrag komme, die deutschen Schulden gegenüber Griechenland seien "international geregelt und anerkannt", man könne sie "weder erhöhen noch verringern".

Nein zu Den Haag

Aber könne er die deutsche Befürchtungen nicht verstehen? Wenn man darauf eingehe, würde man die Büchse der Pandora öffnen, und auch andere einstmals von Nazi-Deutschland besetzte Staaten könnten dem griechischen Beispiel folgen. Nein, sagt Glezos. Er spreche von bereits anerkannten Schulden. Unabsehbare finanzielle Folgen für Deutschland würden sich nur ergeben, wenn individuelle Entschädigungen an zivile Opfer gezahlt würden. Mit einigen wenigen Ausnahmen in der Vergangenheit lehnten das aber die deutschen Regierungen ab. Auch das andere zentrale deutsche Argument lässt Glezos nicht gelten. Der "Zwei-plus-Vier-Vertrag" von 1990, mit dem die deutsche Wiedervereinigung besiegelt wurde, habe nicht die griechischen Forderungen obsolet gemacht. Es stimme zwar, dass die griechischen Regierungen in der Vergangenheit das Thema nicht auf die Tagesordnung gesetzt hätten. Auf seine Anfragen hin hieß es immer wieder, "man habe nicht auf die Ansprüche verzichtet, aber man warte auf günstige internationale Bedingungen, auf ein günstiges Klima in den deutsch-griechischen Beziehungen".

Manolis Glezos und Alexis Tsipras (Foto: EPA/Orestis Panagiotou/dpa)
Zusammen fur die Syriza - Manolis Glezos und Alexis TsiprasBild: picture-alliance/dpa/O. Panagiotou

Sollte man die Angelegenheit nicht vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag bringen? Nein, sagt Glezos. Er stand schon fast 30 Mal in seinem Leben auf der Anklagebank. Lieber vertraue er auf die Menschen, in diesem Fall auf "das deutsche Volk". Er bereise zur Zeit viele deutsche Städte und versuche seine deutschen Zuhörer von der Richtigkeit der griechischen Forderungen zu überzeugen. "Die Deutschen" auf diesen Veranstaltungen sind die Anhänger der Partei Die Linke. Sie hat die Reisetour organisiert. Manolis Glezos wird das wohl wissen. Schon oft in seinem Leben hat der bald 93-Jährige Minderheitenmeinungen vertreten.

Manolis Glezos bei Demonstration (Foto: EPA/SIMELA PANTZARTZI GREECE OUT +++(c) dpa)
Immer in Widerstand - Manolis Glezos bei Demonstration gegen die früheren Regierung in AthenBild: picture-alliance/dpa/S. Pantzartzi

Auch jetzt in seiner Partei Syriza bezieht er nicht selten Aussenseiterpositionen. Es komme nur darauf an, sich für das Richtige einzusetzen. Ist es denn richtig, dass sich die deutsch-griechischen Beziehungen, die Freundschaft beider Länder, heute vor allem auf die deutsche Besatzungszeit Griechenlands fokussieren? Er habe nie das deutsche Volk für die Kriegsverbrechen des Dritten Reichs verantwortlich gemacht, antwortet Glezos. Beide Länder hätten eine große Kultur vorzuweisen. "Jede der beiden Kulturen könnte eine Stütze für eine Brücke nicht nur der Freundschaft der beiden Völker, sondern aller Völker Europas sein." Die deutschen Schulden jedoch, sagt Glezos, die müssten trotzdem beglichen werden.