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Politik

Der Personenkult um Theresa May

Samira Shackle hk
23. Mai 2017

Vor der Wahl am 8. Juni bauen die britischen Konservativen stark auf die Popularität von Premierministerin Theresa May. Samira Shackle berichtet aus London.

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Schottland - Edinburgh - Theresa May
Bild: Getty Images/J. J. Mitchell

In einem Wahlwerbespot der Konservativen, der zurzeit im britischen Fernsehen läuft, kommt die Partei kaum vor: Der Clip zeigt Theresa May bei einer Rede. Im Hintergrund ist inspirierende Musik zu hören. Am Ende erscheint in großen Buchstaben die Frage "Theresa May - oder Jeremy Corbyn?". Der Name und der Wappen der Partei hingegen sind deutlich kleiner abgebildet.

Die Werbung passt zur Wahlkampfstrategie, auf die sich die Konservative Partei mit Blick auf den 8. Juni geeinigt hat. Auf unzähligen Wahlkampfveranstaltungen werden große Banner mit dem Schriftzug "Theresa Mays Team" geschwenkt, das Logo der Konservativen ist darauf kaum zu erkennen und Lokalpolitiker bezeichnen sich selbst als "Theresa Mays lokaler Kandidat".

Hintergrund dieser Strategie sind Umfragen, aus denen hervorgeht, dass die Konservativen aktuell bei insgesamt etwa 40 Prozent liegen, 61 der Wähler aber Theresa May für die am besten geeignete Kandidatin für das Amt des Premierministers halten. Nur 23 Prozent wünschen sich dagegen Labour-Chef Jeremy Corbyn als Premierminister. Damit liegen die Popularitätswerte Mays vor denen Magraret Thatchers (48 Prozent) und Tony Blairs (52 Prozent).

"Während die Vernünftigen in der Labour-Partei den für sie schädlichen Corbyn im Wahlkampf verstecken wollen, betreiben die Konservativen einen erstaunlichen Aufwand, um ihre Partei hinter ihrer Vorsitzenden zu verbergen", sagt Sophie Gaston, Leiterin des Bereichs Internationale Politik bei der linksgerichteten Denkfabrik Demos. "Hinter dieser Strategie steckt ein kluger Gedanke. Die Umfragen zeigen, dass May bei jeder demografischen Gruppe vor Corbyn liegt, während die Tory-Partei bei Teilen der Wählerschaft weiterhin nicht punkten kann."

Großbritannien Liverpool - Jeremy Corbyn nach Parteisieg
Macht im Wahlkampf keine gute Figur: Labour-Chef Jeremy CorbynBild: Reuters/P. Nicholls

Stark und stabil

Trotz ihrer Beliebtheit bei den Wählern wurde May in den vergangenen Wochen wegen ihrer ständigen Wiederholung der Phrase "starke und stabile Führung" von den Medien verspottet - ein Beleg dafür, dass sie auch Schwächen hat. May gilt als steif und ungeschickt. TV-Debatten mit anderen Parteivorsitzenden vor der Wahl lehnt sie ab.

"Sie gilt als humorlos, ziemlich streng und unerschrocken, aber das wird im Moment als Stärke und Stabilität verkauft", sagt Matthew Cole, Historiker an der Universität Birmingham. "Aktuell werden diese Schwächen nicht als besonders wichtig bewertet - jedenfalls nicht so bedeutend wie die Unfähigkeit, eine Partei zu führen, unrealistische politische Vorhaben und mangelnde Erfahrung, also Schwächen, die man Corbyn zuschreibt," erklärt Cole.

Außerhalb der Politik- und Medienwelt scheint es May nicht zu schaden, dass sie sich auf einfache Botschaften verlässt. "Für uns in Westminster ist es anstrengend, aber wie Trump und die Leave-Kampagne bei dem Referendum im vergangenen Jahr gezeigt haben, können einfache Botschaften bei Wählern viel bewirken," sagt Sophie Gaston von der Denkfabrik Demos.

Auch Mays konservatives Image könnte ihr zugute kommen. "Sie verkörpert Werte und Einstellungen, mit denen sich ein Großteil des Landes identifiziert: Sie ist traditionell, sozial-konservativ, skeptisch gegenüber der EU und Einwanderung, hat eine kleinstädtische Perspektive - vor allem im Vergleich zu [dem früheren Premierminister] David Cameron und [dem früheren Finanzminister George] Osborne. Das kommt bei großen Teilen der Bevölkerung gut an", sagt Oliver Patel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am European Institute der University College London.

Brexit heißt Brexit

Das Programm der Konservativen verspricht eine Begrenzung der Einwanderung und radikale Änderungen bei der Sozialfürsorge. Im Wahlkampf wurde bisher aber nur wenig Konkretes verlautet. "May behauptet, sie habe das Mandat des Referendums. Darin unterscheidet sie sich von jedem vorangegangenen Premierminister vor einer Wahl", sagt Cole.

Symbolbild Großbritannien Patriotismus Union Jack Einkaufstüte
Auch viele "Remain"-Wähler wollen, dass es mit dem Austritt aus der EU vorangehtBild: Reuters/K. Coombs

Der Ausgang des Referendums war denkbar knapp, aber Umfragen zeigen: Viele, die für den Verbleib Großbritanniens in der EU stimmten, wünschen sich, dass das Wahlergebnis gewürdigt wird. Die Anti-Brexit-Strategie der Liberalen Demokraten ist also mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt. "Die meisten Menschen wollen einfach nur sehen, dass May in die Gänge kommt", sagt Patel.

Die Strategie der Konservativen sei es, "den Fokus nicht auf die beiden Parteien, sondern auf die beiden Vorsitzenden zu legen - nicht einmal auf politische Inhalte, sondern auf die Frage: Wer soll in die Downing Street 10 einziehen? Wer soll den Brexit verhandeln?", so der Politikwissenschaftler. 

Wer Wähler dazu ermutigt, ihre Entscheidung hauptsächlich von der Persönlichkeit eines Parteivorsitzenden abhängig zu machen, geht immer ein Risiko ein - etwa jenes, dass die Person der Partei irgendwann schaden könnte, wie es bei Thatcher und Blair der Fall war. Weil die Opposition aber schwach ist und die Konservativen mit großem Abstand in den Umfragen führen, könnte diese Strategie bei der diesjährigen Wahl aufgehen. 

Es sei "beinahe unmöglich, sich ein Szenario vorzustellen, bei dem die Tories diese Wahl nicht gewinnen", analysiert Gaston. "Die Frage ist nur, wie groß das Mandat der Premierministerin sein wird und ob Labour einen unwiderruflichen Schaden davon trägt."