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Der Physiker im Pentagon

Gabriel Borrud/ phi12. Februar 2015

Der US-Senat hat Ashton Carter mit klarer Mehrheit als neuen Verteidigungsminister bestätigt. Er löst damit Chuck Hagel an der Pentagon-Spitze ab. Dieser hatte im November seinen Rücktritt erklärt.

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USA Stellvertretender Verteidigungsminister Ashton Carter
Bild: picture-alliance/AP/Carolyn Kaster

Nach Medienberichten gab Hagel seinen Posten auf Druck von US-Präsident Barack Obama auf. Für die Ernennung Carters stimmten am Donnerstag 93 Senatoren, fünf votierten dagegen.

Obama hatte sich bereits im Dezember, als er Carter als Nachfolger Hagels vorstellte, voll des Lobes gezeigt. Der designierte neue Verteidigungsminister sei "zurecht anerkannt als eine der wichtigsten nationalen Führungspersonen in Fragen der nationalen Sicherheit". Obama betonte, Carter habe im Pentagon für Modernisierung gesorgt und bringe in der Verteidigungspolitik mehr als genug Erfahrung mit . "Er saß mit am Tisch im Lagezentrum im Weißen Haus und hat uns an meiner Seite durch schwierige Sicherheitskrisen navigiert."

Das Lob des Präsidenten konterte Carter mit einem Versprechen. Er werde Obama so offen und direkt wie nur möglich Rat in strategischen Fragen geben. Und, mit Blick auf die Soldaten der US-Armee: "Ich werde das Vertrauen an die großartigste Streitmacht der Welt nicht verlieren."

Kampfflugzeug F-35 (Photo: REUTERS/Sgt. Tyler L.)
Als Vize im Pentagon setzte sich Carter für die Anschaffung des Kampfflugzeuges F-35 ein.Bild: Reuters

Pragmatischer Technokrat

In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich Carter den Ruf eines selbstbewussten Technokraten im Pentagon erarbeitet. Seine Kenntnis des Waffenarsenals der US-Armee gilt als hervorragend; auch die Arbeitsabläufe im Verteidigungsministerium kennt er zur Genüge. In diesem Apparat gilt er als einer, der gerne pragmatische Entscheidungen trifft.

In den Clinton-Jahren arbeitete er als Assistent des damaligen Verteidigungsministers William Perry. Der beschreibt ihn als "effizient", "kühl kalkulierend" und sogar "kompromisslos", wenn es um den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung von US-Verteidigungsinteressen gehe.

Von 2009 bis 2011 war er der Chef-Waffeneinkäufer des Pentagons, danach bis 2013 die Nummer zwei im Verteidigungsministerium. Seine Detailkenntnis des Verteidigungshaushalts wird ihm nützlich sein bei der Abwehr von Sparangriffen aus dem Weißen Haus und dem US-Kongress. Seine Maxime: Haushaltskürzungen nur da, wo momentan unnötig Geld ausgegeben wird.

"Carters größte Stärke ist zugleich eine Schwäche", sagt John Hulsman, unabhängiger Berater für Außenpolitik. "Er gilt als hervorragender Technokrat, der die schwerfällige Maschinerie des Pentagon auf Touren bringen kann. Das bringt ihm Respekt sowohl von Demokraten als auch von Republikanern ein", so Hulsmann gegenüber der DW. Aber hat er – bei aller Expertise und politischen Klugheit – auch eine Vision für die Rolle der USA in der Welt? "Er ist nicht wirklich ein großer Geostratege. Und einen solchen bräuchte es jetzt, in einer multipolaren Welt, die immer komplexer wird", sagt Hulsmann. "Von begrenzter Wirkung" könnte deshalb seine Amtszeit als Verteidigungsminister sein.

Higgs-Boson Elementarteilchen (Photo: CERN)
Während seiner Zeit als Forscher habe er sich besonders für das Elementarteilchen Higgs-Boson interessiert, sagt Carter.Bild: 1997 CERN

Quantensprung in die Verteidigungspolitik

Alles andere als geradlinig ist bislang Carters Karriere verlaufen. Als Forscher hatte er sich zunächst der theoretischen Physik verschrieben, dann erst folgte das Interesse für Verteidigungspolitik. An der Universität Yale studierte er neben Physik auch mittelalterliche Geschichte. In Oxford schloss er seine Promotion ab, Thema seiner Doktorarbeit: Theorien über das Verhalten von sub-atomaren Teilchen bei einer Kernreaktion.

"Carter ist das Paradebeispiel für jemanden, der begriffen hat, dass nichts die Weltpolitik so sehr prägt wie Wissenschaft und Technologie", sagt Graham Allison, der Carter als Professor nach Harvard holte. "Manchmal bietetn sie sogar Lösungen für weltpolitische Probleme." Carter selbst erklärt seinen Sprung von der Wissenschaft in die Politik mit der atomaren Bedrohung im Kalten Krieg: "Die Monstrosität der Gefahr konnte man nicht ignorieren." Es habe ihm gefallen, dass er mit seinen beiden Interessenschwerpunkten Physik und Geschichte einen Beitrag zur Befriedung leisten könne.

Mit Blick auf den Washingtoner Polit-Betrieb sagt Carter: "Der Dienst in einem höheren öffentliches Amt fühlt sich ein bisschen an wie die Lage eines Christen im Kollosseum in Rom. Man weiß nie, wann sie die Löwen raus lassen, damit Du zum Amüsement der Zuschauer in Stücke gerissen wirst." Das Einzige, was im politischen Wirbelsturm Washingtons helfen könnte, so Carter, sei eine politische Agenda. Außerdem brauche es den Mut, zu sagen, was man denke, Löwen hin oder her.