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Der Rhythmus von Berlin

Axel Leu / (pf)12. November 2002

Das Buenos Aires Europas liegt an der Spree. Hier treffen sich die Tango-Fans. Berlin ist nach der argentinischen Hauptstadt die wichtigste Tango-Metropole weltweit.

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Bild: AP

Erotik pur, Feuer und Leidenschaft. Mit diesen Attributen wird der Tango Argentino immer wieder angepriesen. Doch der Berliner Tangogemeinde ist diese Beschreibung oft zu platt. Weder werden Rosen mit dem Mund überreicht, wie es uns die Werbung immer vormachen will, noch sind es ausschließlich dunkelhaarige Schönheiten, die lasziv ihre Hüften schwenken. Und südamerikanische Lebensfreude ist auch nicht gerade die Paradedisziplin der Deutschen. Doch wer möchte, kann allabendlich auf einer der vielen Tango-Veranstaltungen übers Parkett schwofen. Der Flair des Tangos und seine eigentümliche Atmosphäre sind es, die die Berliner in die Salons zieht.

Tango ist Leben

Tango-Schule in Münster
Bild: dpa

Über Tango kann man nicht reden, Tango muss man leben. So lautet der Tenor der Tangueras und Tangueros in Berlin. Bedeuten kann das viel. Manche reisen quer durch Europa, von einem Festival und Workshop zum nächsten, manchmal auch bis nach Buenos Aires. Andere nutzen jede sich bietende Gelegenheit zum Tango-Tanzen und einige belegen einfach einen Tangokurs. Die Berliner Tangoszene ist so vielseitig wie die Stadt selbst. Gemeinsam ist ihnen die Liebe zum Tango, zur Musik, zum Tanz.

Tango leben, ist daher eine reine Gefühlsangelegenheit, meint Anette Lange, die Leiterin der Tanzschule "Tango Vivo" in Berlin Kreuzberg: "Eigentlich ist der Tango bei der Trauer das lachende Auge, und beim Lachen das weinende Auge."

Tanz der einsamen Herzen

Tango made in Argentina ist Melancholie, Leid und Lebensfreude zu gleich. Den Berlinern hingegen ging es anfangs nur um Spaß und Unterhaltung. In seiner europäischen Variante galt der Tango zu Beginn des 20. Jahrhunderts als unsittlich, weshalb ihn Kaiser Wilhelm der II. 1913 verboten hatte. Doch das Verbot währte nur kurz. Anfang der 1930er Jahre gehörte der europäische Tango zum Repertoire der rund 900 Tanzsalons in der Stadt. Nach dem Krieg geriet er durch den Siegeszug von Rock'n Roll dann in Vergessenheit. Erst in den 1980ern wurde der Tango Argentino als etwas Exotisches wieder entdeckt. Nach der Maueröffnung setzte dann ein regelrechter Boom ein. Für den Tangolehrer Ulrich Demmel ist die Wiedergeburt nur ein Anknüpfen an alte Traditionen: "Für mich ist auch der Tango angekommen in Berlin, weil es so eine Fortsetzung von einer Kultur des Schwofens ist." Für seine Partnerin Ines Moussavi ist der Tango auch der Tanz der einsamen Herzen. Berlin als Stadt der Singles und Tango passen deshalb gut zusammen.

Entdecke die Möglichkeiten

Typisch für eine Großstadt wie Berlin ist auch, dass sich bestimmte Kreise nach außen abgrenzen. Ein wenig elitär sei sie schon, die Berliner Tangoszene, räumt Anette Lange vom Tango Vivo ein: "Leute die zu Gast sind, wenn sie aus Köln, aus Dortmund, aus Stuttgart, aus sonst wo kommen, die beklagen sich oft, dass die Berliner sehr abgeschottet sind und schwierig Zugang zu den Zirkeln gewähren, in denen man dann miteinander tanzt."

Ob geschlossene Gesellschaft oder nicht, ist für Jörg Buntenbach kein Thema. Entscheidend sei das vielseitige Angebot, schon dadurch werde Offenheit präsentiert, betont der Macher der Tangobar in Berlin Mitte.