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Der Ruf des Geldes

Olivia Fritz23. Dezember 2012

Nach Bremens Manager Allofs kauft Wolfsburg auch Nürnbergs Trainer Hecking während der Saison aus dem Vertrag und schwächt damit die Konkurrenz. So ist das eben im Profi-Fußball, meint DW-Reporterin Olivia Fritz.

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Was hätten Sie denn getan? Da kommt ein potenzieller neuer Arbeitgeber, bietet Ihnen das dreifache Gehalt, nahezu unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten und die Freiheit, gemeinsam mit einem der erfolgreichsten Manager Ihrer Branche Ihr berufliches Lieblingsprojekt zu entwickeln und voranzutreiben? Sie würden nicht ständig Ihre besten Mitarbeiter an die finanzstärkere Konkurrenz verlieren, die Fahrtzeit zu Ihrer Familie würde sich nebenbei auch verkürzen, Ihr aktueller Arbeitgeber bekäme ein "Schmerzensgeld" und außerdem haben Sie eine Klausel im Vertrag, die maßgeschneidert ist für ein solches Angebot? Sie würden zumindest abwägen.

Bundesliga und Moral? Selten!

"Jetzt musst du auch an dich denken", hat Fußball-Trainer Dieter Hecking gesagt, nachdem er das unmoralische Angebot des zahlungskräftigen Ligakonkurrenten VfL Wolfsburg angenommen und seinen bisherigen Arbeitgeber, den 1. FC Nürnberg, schmählich im Stich gelassen hat. Hecking muss sich die Charakterfrage stellen lassen. Denn: Das ist egoistisch. Das ist unanständig. Das ist unfair.

Vor allem wird es den letzten drei Jahren mit seinem Klub nicht gerecht. Dort wendete Hecking mit viel Aufwand und wenig Geld zunächst den Abstieg ab, wurde in der zweiten Spielzeit 6. und schließlich 10. Als es in dieser Saison für den einstigen Rekordmeister nicht so lief, geriet Hecking nicht etwa in Misskredit. Man versuchte ihn zu halten, mit einer Gehaltserhöhung umzustimmen und letztlich emotional zu packen. Vergeblich.

Geld beherrscht die Liga

Nürnberg hat eigentlich mit 20 Punkten auf Rang 14 noch einen klitzekleinen Vorteil gegenüber dem 15. Wolfsburg mit 19 Zählern. Nun stehen die Nürnberger urplötzlich kurz vor Weihnachten ohne Trainer da, während der VW-Konzern zum zweiten Mal in dieser Saison Bescherung feiert: Auch Werder Bremens Manager Klaus Allofs wechselte völlig überraschend während der Spielzeit zur Konkurrenz, Bremen hat zwar schon 22 Punkte auf dem Konto, gilt aber ebenfalls als direkter Konkurrent.

Damit beschreitet der VfL neue Wege im Bundesliga-(Abstiegs-)Kampf. Auch das ist geschmacklos, aber so läuft das Geschäft. Wolfsburg, das als "Werksklub" wie Bayer Leverkusen von einem großen Konzern finanziert wird, hat eben andere Möglichkeiten als andere Vereine, bei denen die 50+1-Regel gilt. Durch diese Regelung soll eigentlich verhindert werden, dass Großinvestoren zu viel Macht bei Profi-Fußballklubs bekommen oder sie gar übernehmen. Doch durch dieses Gebaren der "Wölfe", das tiefe Wunden in die Reihen der Konkurrenz reißt, muss die Regelung wohl wieder auf den Prüfstand kommen.

Verlockungen des Geldes wird es so oder so immer wieder geben – genauso wie Lippenbekenntnisse. Zu bedenken ist, ob man Trainern und Managern verbieten sollte, während der Saison innerhalb der Liga den Verein zu wechseln, denn ihr Einfluss auf das Geschehen ist ungleich größer als der eines einzelnen Spielers. Eines haben die letzten Wochen jedenfalls gezeigt: Nicht nur Fußballer sind Söldner.