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"Der Sinn ist es, Gutes zu tun"

7. April 2011

Vor über einer Woche wurde der chinesische Künstler Ai Weiwei in Peking festgenommen, sein Aufenthaltsort ist unbekannt. DW-WORLD.DE hat mit Ais Mutter, Ying Gao, über sein Verschwinden und ihre Sorgen gesprochen.

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Der Künstler Ai Weiwei
Der verschwundene Künstler Ai Weiwei

DW-WORLD.DE: Sie haben im Internet eine handschriftliche Vermisstenmeldung veröffentlicht. Haben Sie die nicht bei der Polizei einreichen dürfen?

Ying Gao: Nein, die haben uns ja noch nicht einmal informiert. (…) Unser Haus wird jetzt überwacht, möglicherweise auch dieses Telefongespräch. Meine Vermisstenanzeige kann auch als eine Art öffentlicher Frage an die Polizei verstanden werden.

Befürchten Sie, Ai Weiwei wird Schlimmes widerfahren?

Ich kenne meinen Sohn. Er macht sich zum Anwalt der einfachen Menschen. Wenn er Ungerechtigkeiten sieht, sagt er etwas. (…) Damit hat er einen Weg beschritten, der nicht unbedingt einen rettenden Ausweg hat. Als ich ihn bat, eine Pause zu machen, erwiderte er, alles sei zur Zeit so korrupt. Davor wolle er die Augen nicht verschließen.

Was ist seine Triebfeder für diesen Kampf?

Er fragt immer 'Was ist der Sinn des Lebens? Das musst du wissen, Mutter: Der Sinn ist, etwas Gutes zu tun.' Er meint, wenn niemand etwas sagt, kann sich dieses Land und diese Gesellschaft nicht weiterentwickeln.

Kennen Sie die Hintergründe, warum er ein Zweitatelier in Berlin einrichten will?

Als er begann, sich in China unsicher zu fühlen, als er hier gar nicht mehr arbeiten konnte, fing er an, einen anderen Ort zu suchen. (...) Sie wollen ihn von hier vertreiben. Er braucht eine ruhige Umgebung für die Kunst. Damals meinte er, Deutschland sei für ihn am besten. Ich hätte nie gedacht, dass sie ihm nicht einmal mehr die Chance lassen, ins Ausland zu gehen.

Haben Sie jetzt noch Zugang zu seinem Atelier?

Alles in seiner Firma wurde beschlagnahmt. Die Firma ist nur noch eine leere Hülle. Wasser und Strom sind abgeschaltet, die Telefonleitung auch.

Fühlen Sie und die Familie sich auch eingeschüchtert?

Solange ich das Richtige tue, habe ich keine Angst. Ich bin zu jedem Opfer bereit.

Wissen Sie, dass viele Menschen gegen die Festnahme Ihres Sohnes protestieren?

Das ist keine persönliche Angelegenheit, auch nicht die Angelegenheit von ein paar Staatsmännern, sondern die eines ganzen Volkes. Jeder trägt Verantwortung. Es tut weh zu sehen, dass es in unserem Land so weit gekommen ist.

Autorin: Yutong Su
Redaktion: Adrienne Woltersdorf