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Der TÜV und ich

Stephan Hille, Moskau10. Mai 2005

Wie in Deutschland sorgt auch in Russland eine strenge Kontrollinstanz, dass nur sichere Autos am Straßenverkehr teilnehmen. Anders als in Deutschland gibt es in Russland aber Wege, die Inspekteure gnädig zu stimmen.

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Stephan Hille

Bis das uns der TÜV scheidet, sagt man so in Liebe und Zuneigung zum alternden Automobil. Natürlich gibt es auch in Russland einen TÜV, "Techosmotr" genannt. Wenn man einmal genauer auf die älteren Autos aus "vaterländischer" Produktion achtet, dann müssten - zumindest theoretisch - viele Besitzer durch den russischen TÜV längst von ihrem "Lada" oder "Schiguli" geschieden worden sein. Denn es ist schon erstaunlich, in welch miserablen technischen Zustand viele russische Autos sind, mit denen sich die Russen auf die Straße wagen. Die jährlichen Zahlen über Unfälle und Verkehrstote belegen dies sehr deutlich. Kaputte Bremsen, defekte Scheinwerfer und zum Himmel stinkende Abgaswerte sind die gängigsten Mängel unter den älteren russischen Autos.

Natürlich würden solche Autos niemals über den russischen "Techosmotr" kommen, denn die Kontrollen sind ähnlich wie in Deutschland sehr streng. Und doch haben die meisten Autofahrer eine gültige TÜV-Plakette, die in aller Regel nicht gefälscht, sondern für ein kleines Schmiergeld gekauft wird. Wie eine nicht repräsentative Umfrage des Autors ergab, ist für die meisten Russen der "Techosmotr" eines dieser vielen Ärgernisse, die sich der Staat ausdenkt, um seine Bürger zu quälen. Und Probleme werden hierzulande nun einmal in aller Regel mit ein paar Rubelnoten gelöst.

Ehrliche Tour

Wer es auf die ehrliche Tour versucht, erntet Unverständnis und Mitleid. Um den russischen TÜV zu bestehen, braucht man nicht nur ein technisch einwandfreies Auto, sondern auch Nerven aus Stahl. Zumindest wenn man einen russischen Wagen fährt, der älter als fünf Jahre ist. Dies hat jedenfalls die Praxis des Autors und Besitzers eines siebenjährigen Lada Nivas gezeigt. Denn in der sich jährlich stellenden Aufgabe gibt es zwei Probleme, die leider nicht zu kalkulieren sind.

Das erste Problem ist die technische Unzuverlässigkeit eines russischen Autos, das in die Jahre gekommen ist. Zwar hat man gerade noch die Hupe reparieren lassen, aber das heißt nicht, dass sie auch im entscheidenden Moment - nämlich unter der Hand des Prüfers vom "Techosmotr" funktionieren wird.

Die zweite Unsicherheit ist eng mit dem ersten Problem verbunden: Viele Prüfer scheinen es als heilige Pflicht zu sehen, solange nach Mängel zu suchen, bis sie fündig werden. Vor drei Jahren scheiterten der Lada Niva und ich - nachdem alles einwandfrei funktioniert hatte - an den Rostflecken auf den Felgen. "Nekrasivij Vid", zu deutsch: "unschönes Aussehen", notierte der Prüfer in seinen Mängelbericht.

Harte Vorbereitung

Sich auf den "Techosmotr" vorzubereiten, ist in etwa vergleichbar mit den Vorbereitungen auf eine Examensprüfung. Habe ich neben den wichtigen sicherheitstechnischen Dingen auch an alles andere gedacht? Funktionieren die Lampen über dem Nummernschild? Gilt das medizinische Attest noch, das den Fahrer als gesund und für den Straßenverkehr tauglich einstuft? Hat der "Ognetuschitel" (Feuerlöscher) das Verfallsdatum noch nicht überschritten? Und, halten die Plastikabdeckungen noch, die die Rostflecken auf den Felgen verdecken sollen?

Wenn schließlich nach Tagen in der Werkstatt und durchschnittlich drei Stunden Wartezeit vor den Hallen des "Techosmotr" das Auto auf dem Prüfstand steht, ist die Anspannung am höchsten. Haben sich die Mühen und Vorbereitungen von Mensch und Maschine gelohnt und werden sie den Ansprüchen des Prüfers gereichen?

Fehlendes Jod

In diesem Jahr wieder mal Ernüchterung: Das Jodfläschchen in der russischen Autoapotheke hat seine Haltbarkeit überschritten. Ein unverzeihlicher Fehler in der strategischen Vorbereitung. Mit neuem Jod im Kofferraum heißt es neu antreten. Und hoffen.