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Wie sich einige entschlossene Kolumbianer ein eigenes Stück Land erkämpften

22. Juni 2009

Der 20. Juni ist der Weltflüchtlingstag. Allein in Kolumbien sind drei Millionen Menschen auf der Flucht. Einige von ihnen besetzten bei Pasacaballos ein Stück Land - und kämpfen darum, dort bleiben zu dürfen.

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Bild: FUNSCRI

Anfang 2007: Landbesetzung am Rande des Karibikstädtchens Pasacaballos. Die Besetzer: eine Gruppe von Bürgerkriegsflüchtlingen, Obdachlosen und Armen aus der Region. Familien, Frauen, Kinder. Auf einem kleinen Stück Brachland bauen sich die Menschen provisorische Hütten aus Plastikplanen und Holzabfällen – nur notdürftig geschützt vor Wind und Wetter.

Kolumbien Pasacaballos Landbesetzer
Erster Tiefschlag: Überschwemmung in PasacaballosBild: FUNSCRI

Als die Regenzeit besonders schwer ausfällt, steht das ganze Viertel unter Wasser. Dann, die Überschwemmung ist gerade überstanden, erscheint der angebliche Besitzer des Landes, droht mit der Polizei. Ein Gericht entscheidet schließlich gegen die Bewohner.

Trauma Räumung

Kolumbien Pasacaballos Landbesetzer
Machtlos gegen die Polizei: die Landbesetzer von PasacaballosBild: FUNSCRI

11. Februar 2008: Tränengasschwaden, Knüppel, Wasserwerfer. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei räumt das Viertel. "Wir konnten damals nichts retten", sagt Ana Maria Ramirez. "Die Polizei hat alles mit ihren Bulldozern niedergewalzt. Sie haben unseren Besitz und unsere Rechte begraben. Da wurde nichts respektiert."

Kolumbien Pasacaballos Landbesetzer
Sondereinsatzkommando zeigt wenig Respekt: Räumung mit dem BulldozerBild: FUNSCRI

Ana Maria, Mitte dreißig, alleinerziehende Mutter, war von Anfang an bei der Landbesetzung dabei. Die Räumung, es gab Verletzte auf beiden Seiten, war für sie ein traumatisches Erlebnis: "Es gab Leute, die haben ihren Kühlschrank, ihren Fernseher, ihren ganzen Besitz verloren. Aber für mich war das schlimmste, dass ich das Gefühl von Heimat, das Gefühl irgendwo zu Hause zu sein, verlor – und das hat wirklich weh getan."

Hilfe aus Europa

Doch Ana Maria und ihre Mitstreiter geben nicht auf. Ihr Glück: Sie bekommen Unterstützung von der vor Ort ansässigen österreichischen Hilfsorganisation Funscri. Die Organisation macht in Europa auf das Schicksal der Landbesetzer aufmerksam.

Gleichzeitig besetzen die Menschen ein neues Stück Brachland. Diesmal ist der Besitzer die benachbarte Stadt Cartagena. Und die hat bis heute, angesichts des internationalen Drucks, von einer erneuten Räumung abgesehen. Und so ist Ana Maria inzwischen vorsichtig optimistisch: "Wir haben wir nicht mehr diese Angst, dass sie heute kommen und sagen, ihr müsst morgen raus – seitdem wir auf dem neuen Gelände sind, haben sie uns in Ruhe gelassen. Es sieht so aus, als ob wir hier bleiben können, zumindest erhoffen und erwarten wir das."

Gemeinsamer Kampf für eine bessere Zukunft

Doch noch gibt es viel zu tun im Viertel. Trinkwasser müssen sich Ana Maria und die anderen Bewohner mühsam mit Kanistern aus der Nachbarsiedlung holen. Es gibt keine Kanalisation und nur wenige Toiletten. Auch an das Stromnetz ist die kleine Siedlung nicht angeschlossen. Und noch immer bestehen die meisten der rund 150 Hütten aus Holzabfällen, Wellblech und Kartons.

Doch die Menschen sind stolz auf das Erreichte, haben sich organisiert, kämpfen gemeinsam für eine bessere Zukunft. Auch wirtschaftlich soll es vorangehen. Denn viele der Bewohner sind arbeitslos, verdingen sich als Tagelöhner oder fliegende Händler im benachbarten Cartagena. Gemeinsam haben die Menschen bereits einen kleinen Lebensmittelladen eröffnet.

Perspektiven und Pläne für später

Auch Ana Maria hat Pläne: "Wenn wir hier Strom haben, will ich mir einen Computer und einen Fotokopierer kaufen und einen kleinen Laden aufmachen. Dann kann ich zu Hause arbeiten und muss mir keine Sorgen mehr machen, wer auf meine Kinder aufpasst, wenn ich Geld verdiene."

Ein eigenes kleines Geschäft, ein eigenes kleines Stück Land: Gemeinsam haben sich die Menschen Perspektiven geschaffen. Acht Jahre müssen sie auf dem besetzen Land durchhalten, dann, so regelt es das kolumbianische Gesetz, gehört es auch ganz offiziell ihnen.

Autor: Nils Naumann

Redaktion: Oliver Pieper