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Der weite Weg zum Starfotografen

Anke-Martina Witt20. Juni 2014

Fotojournalist - das ist für viele ein Traumjob. Dabei können Fotografen selten von ihren Reportagen leben. Auf dem Lumix-Festival zeigen Studenten aus aller Welt nun ihre Arbeiten - und hoffen auf ihre Karriere-Chance.

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Besucher beim Lumix-Fotofestival
Bild: Daniel Schöpfer

Aufgerissene Augen, auf dem Boden eine Blutlache: Ein Polizist hält noch den Kopf der Frau, ein anderer Mann ihre Hand. Sie wird es nicht überleben; ein Nachbar hat sie mit einem Backstein erschlagen. Der 29-jährige Fotojournalist Felix Kleymann hat die Szene in einer Favela im brasilianischen Rio de Janeiro festgehalten. Drei Monate lang war er für seine Diplomarbeit im Fachbereich Fotografie an der Fachhochschule Dortmund in den Armenvierteln der Millionenstadt unterwegs, hat Bewohner und Polizei begleitet. Mit seinen Bildern will er zeigen, welche Bedeutung die Entkriminalisierung und Befriedung der Favelas im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft hat.

20 Fotografien seiner Reportage "Pacificaçaõ" sind nun bis Sonntag auf dem Lumix-Festival in Hannover zu sehen. Kleymann ist einer von insgesamt 60 jungen Nachwuchsfotografen, die dort ihre Arbeiten präsentieren. Das Festival für jungen Fotojournalismus aus aller Welt findet zum vierten Mal statt. 1200 Bewerbungen aus 71 Ländern sind in diesem Jahr eingegangen und damit so viele wie noch nie. Mit rund 30.000 Besuchern rechnen die Veranstalter.

Fotograf Felix Kleymann auf dem Fotofestival Lumix 2014 (Foto: DW/Anke-Martina Witt)
Felix Kleymann auf dem Lumix-FestivalBild: DW/A.M. Witt

Eintauchen in fremde Welten

Für seine Fotoreportage hat Felix Kleymann extra Portugiesisch gelernt. Er war mitten drin, wenn die Polizei die Straßen kontrollierte, aber auch wenn die Bewohner der Favelas feierten. "Diese Nähe soll man auf den Fotos spüren", sagt er. "Dafür habe ich mich auch in gefährliche Situationen gebracht." Der Fotojournalist wurde in einer Favela überfallen und geschlagen. Doch das nehme er in Kauf, sagt er. "Diese Arbeit entspricht meinem Traum vom Fotografieren. Fremde Welten zu sehen, fremde Menschen kennenzulernen und das Ganze zu dokumentieren."

Leben kann Kleymann von seiner Fotografie allerdings nicht. Rund 15.000 Euro hat die gesamte Reportage gekostet; nur einen Bruchteil konnte er bisher durch den Verkauf der Fotos refinanzieren. Er habe andere Jobs, mit denen er sein Leben und die Reisen bezahlen kann, sagt er. Trotzdem will er weiterhin reisen und vor allem gute Fotos machen.

Leidenschaft als Studienvoraussetzung

Der Markt ist hart, beobachtet auch Rolf Nobel, Professor für Fotojournalismus an der Hochschule Hannover. In Deutschland gibt es alleine 5000 bis 6000 Fotojournalisten. Jedes Jahr kommen neue dazu. Auf der anderen Seite würden die Honorare immer weiter gedrückt, Fotografen müssten oft die gesamten Rechte an ihren Bildern den Auftraggebern verkaufen. Das erfordert den unbedingten Willen, als Fotograf zu arbeiten. "Ich nehme nur Studierende auf, bei denen ich die Leidenschaft spüre", betont Nobel.

Die Leidenschaft an der Fotografie hat auch den 19-jährigen Emile Ducke gepackt. Schon als Schüler reiste er in den Ferien mit seiner Kamera in den Balkan, um Plattenbauten zu fotografieren. "Da war mir klar, dass ich nichts anderes machen möchte", erzählt er. Mittlerweile studiert Emile im zweiten Semester Fotojournalismus in Hannover. Er hat das Festival mitorganisiert. Dass er später vielleicht von seinem Traumjob nicht leben kann, blendet er aus, gibt er zu. "Wir sind alle Idealisten und wissen, dass es sehr schwierig wird." Aber es gebe immer noch die Möglichkeit, zum Beispiel in der Werbung zu fotografieren, meint er.

Möbelpacken für die Fotoausrüstung

Der 28-jährige US-Amerikaner Mustafah Abdulaziz hat es geschafft. Er kann mittlerweile von seiner Fotografie leben. Auf dem Lumix-Festival in Hannover präsentiert er sein Projekt "Water". Für die Langzeitarbeit reiste er bereits nach Sierra Leone, Äthiopien und Indien. Dort fotografierte er Frauen, die jeden Morgen stundenlang zur nächsten Wasserstelle gehen müssen oder einen Slum, den eine Cholera-Welle stark getroffen hatte.

Weitere Reisen, etwa nach Vietnam, werden folgen. Mustafah Abdulaziz' Ziel: In den kommenden Jahren will er eine Art Lexikon erschaffen. "Wenn man in fünf Jahren diese Ausstellung sieht, soll jeder Aspekt zu sehen sein, der mit dem Thema Wasser zusammenhängt." Finanziell unterstützt wird der 28-Jährige dabei unter anderem von der Nichtregierungsorganisation WaterAid.

Doch auch er habe klein angefangen, erzählt er. Das Fotografieren hat er sich selbst beigebracht, das Geld für seine erste Fotoausrüstung verdiente er als Möbelpacker. Der Markt sei in den USA nicht weniger hart als in Europa, meint Abdulaziz. "Aber ich sehe das positiv. Es zwingt die Fotografen dazu, neue Wege zu gehen und neue Ideen zu entwickeln."

Neue Verdienstmöglichkeiten im Internet

Auf Veränderung und neue Wege bei der Veröffentlichung von Reportagen setzt auch Professor Rolf Nobel. "Wir erleben in Europa ein starkes Anwachsen von Zeitungen und Zeitschriften im Internet, die ohne Werbung und ohne staatliche Unterstützung auskommen." Einige schrieben mittlerweile schwarze Zahlen und könnten künftig auch eine Plattform für Fotojournalisten sein.

Festivalleiter Professor Rolf Nobel und Student Emile Ducke auf dem Fotofestival Lumix 2014 (Foto: DW/Anke-Martina Witt)
Professor Rolf Nobel und Student Emile DuckeBild: DW/A.M. Witt

"Wir dürfen es nicht als selbstverständlich ansehen, dass Redaktionen kein Geld haben, um Fotostrecken zu bezahlen", glaubt auch Student Emile Ducke. Das müsse sich wieder ändern. Einen Plan B, falls es mit dem Fotojournalismus doch nicht klappen sollte, habe er nicht, gibt der 19-Jährige zu. "Vielleicht würde ich eine kleine Buchhandlung aufmachen und Fotobücher verkaufen." Es müsste auf jeden Fall aber etwas mit Fotografie sein, lacht er.