1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Des Einen Leid

Klaus Deuse/ Oliver Samson11. Dezember 2002

Es ist ein gängiges Vorurteil: Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, geht es den Pfandleihern gut. Und manchmal stimmen Vorurteile sogar.

https://p.dw.com/p/2yYn
Wie viel das Erbstück aus guten Zeiten wohl bringen mag?Bild: AP

Im Unterschied zu den meisten Branchen erleben Pfandleihhäuser einen deutlichen Aufschwung. Fünf Prozent mehr Umsatz werden es 2002 schon sein, sagt der Vorsitzende des Zentralverbandes des deutschen Pfand-Kreditgewerbes, Joachim Struck. Mit mehr als 380 Millionen Euro erhöhte sich der Umsatz der bundesweit 170 Pfand-Kredit-Betriebe um immerhin 120 Millionen Euro. Tendenz weiter steigend.

Der rettende Strohhalm

Immer mehr Bundesbürger nehmen die Dienstleistung der Pfandleiher für einen Überbrückungskredit in Anspruch. Für die mehr als 1,5 Millionen Kunden zeigt sich offenbar kein anderer Weg als der zum Pfandleiher, wenn ihre Kreditinstitute den rettenden Strohhalm verweigert haben: "Unsere Kunden sind in erster Linie solche, die bei einer Bank keinen Kredit bekommen", so Struck. Die größten Gruppen dabei stellen diejenigen, die über kein garantiertes Einkommen verfügen - wie zum Beispiel Freiberufler und Selbstständige.

Handwerkern etwa laufen in konjunkturschwachen Zeiten die Kosten davon. Da muss dann oft schnell Geld her, fast egal woher. "Unsere Kunden kommen zu uns, weil sie irgendwelche Liquiditätsprobleme haben", sagt Struck. "Da braucht nur mal ein Forderungseingang verspätet kommen oder sogar ausfallen, dann ist ein Engpass da. Die Löhne laufen weiter, die private Lebensführung läuft weiter - und das muss dann überbrückt werden."

Der Brilli und die Rolex

In dieser Situation verpfänden viele ihr Privatvermögen. Hochwertige Unterhaltungselektronik, manchmal auch Autos und Motorräder, eben alles was wertvoll scheint und sich irgendwie zum Pfandhaus transportieren lässt. Und es ist natürlich vor allem Schmuck, der beliehen wird - von der Brosche zum Brillantring bis zur Rolex-Uhr. Beim zu erzielenden Pfandwert spielt dann der Goldpreis eine wichtige Rolle. Damit der Schmuck aber nicht falsch bewertet wird, müssen die Mitarbeiter in den Pfandhäusern genau Bescheid wissen: Viele durchlaufen deshalb die Edelsteinschule in Idar-Oberstein. Sie kennen sich oft besser aus, als die Angestellten bei Juwelieren.

Die Regeln der Pfandhäuser sind einfach: Für das verpfändete Eigentum erhalten die Kreditnehmer meist zwischen 70 und 80 Prozent des Marktwertes. Billig ist die kurzfristige Beschaffung von Barem aber auch im Pfandhaus nicht: Pro Monat wird ein Prozent des geliehenen Geldes fällig, dazu kommt eine feste monatliche Pauschale: Bekommt man zum Beispiel 300 Euro für einen Armreif, kostet das alles in allem 9,50 Euro pro Monat oder 3,5 Prozent. Das klingt zunächst wenig, sind aber auf ein Jahr hochgerechnet über 40 Prozent.

Bewegung im Geschäft

Das klingt horrend, vielen scheint sich aber sogar öfter kein anderer Weg zu bieten. Zum Großteil lebt das Pfand-Kreditgewerbe von Stammkunden, wie Struck betont. Mittlerweile jedoch ist Bewegung ins Geschäft gekommen: "Auf der anderen Seite haben wir einige hinzu gewonnen, die jetzt wegen der Wirtschaftskrise eine Notwendigkeit haben, sich bei uns zu verschulden."

Doch die meisten Kunden verschulden sich nur vorübergehend. Ob es nun wegen des hohen Zinsatzes ist, oder weil die guten Stücke doch ans Herz gewachsen sind: 92 Prozent der beliehenen Gegenstände werden am Ende von den Kunden auch wieder abgeholt. Der Rest wird von den Pfandhäusern regelmäßig versteigert.