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Streit um Desertec

Klaus Ulrich2. Juli 2013

Die Euphorie ist längst verflogen: Beim Industriekonsortium, das Sonnenstrom aus Afrika nach Europa bringen will, fliegen die Fetzen. Jetzt kehrt die Desertec-Stiftung dem Projekt den Rücken.

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Solarmodule in der Wüste (Foto: AFP)
Solarzellen SolarmoduleBild: ROBYN BECK/AFP/Getty Images

Der Plan war kühn und sorgte weltweit für Aufsehen: Die Desertec Industrial Initiative (DII) war 2009 gegründet worden mit dem Ziel, in Marokko und anderen Wüstenländern den Bau von Solarthermie- und Photovoltaik-Anlagen voranzutreiben. Besonders heiß diskutiert wurde die Idee, bis 2050 einen Teil der in Nordafrika erzeugten Energie nach Europa zu exportieren. Das geschätzte Investitionsvolumen sollte dafür im Laufe der Jahrzehnte 400 Milliarden Euro betragen.

Zu den Gründungsmitgliedern des Industriekonsortiums gehörten namhafte Firmen wie die Münchener Rück, Eon, RWE und Siemens, aber auch die gemeinnützige Desertec-Foundation - und genau die will sich jetzt zurückziehen. "Der Hauptgrund ist der derzeit schwelende Richtungsstreit in der DII", sagt Thiemo Gropp, Geschäftsführer der Desertec-Stiftung im Gespräch mit der DW. "Unseligerweise wird diese Auseinandersetzung öffentlich ausgetragen. Das schadet dem Desertec-Konzept und auch der Desertec-Vision, wie sie weltweit von vielen Menschen getragen wird."

Strom nur für Afrika - oder auch für Europa?

Nach Medienberichten soll es innerhalb des Industriekonsortiums zu Streitigkeiten darüber gekommen sein, ob und wann der Export von Wüstenstrom nach Europa erfolgen könnte. Für Unruhe dürfte auch die Tatsache gesorgt haben, dass viele Mitstreiter bereits wieder abgesprungen sind: Von den einst über 50 Gesellschaftern und Partnern sind nach Agenturberichten nur noch rund 30 übrig. Zuletzt hatte die DII den Verlust der Vorzeigekonzerne Siemens und Bosch zu verkraften.

"Die DII Ist eine eigenständige Organisation, die darf sich gerne auch streiten. Aber bitte nicht unter dem Deckmantel Desertec", bringt Stiftungsgeschäftsführer Gropp seine Kritik auf den Punkt. Desertec sei eine zivilgesellschaftliche Initiative, die seit vielen Jahren von Privatpersonen gemeinsam mit dem Club of Rome getragen werde, "und die sollte nicht in einen Streit innerhalb einer Industrieorganisation verwickelt werden".

Bei der DII gibt man sich überrascht und auch bestürzt über den Rückzug der Stiftung. Konsortiumssprecher Klaus Schmidtke kann die Begründung für diesen Schritt nicht nachvollziehen. Vor wenigen Tagen habe auf einer gemeinsamen Veranstaltung noch eine gute Atmosphäre geherrscht und nun erfahre er quasi aus den Medien von einer Kündigung.

"Da gibt es im Moment vielleicht eine falsche Wahrnehmung seitens der Stiftung", erklärt Schmidtke gegenüber der DW. Aber das Konsortium stehe nach wie vor zu seinen Ausgangszielen, erneuerbare Energien auf der Basis von Wüstenstrom auszubauen für den wachsenden Bedarf der Menschen in Nordafrika und im Nahen Osten selbst. Aber "natürlich" gelte das auch für Europa: "Wir wollen Stück für Stück mehr Export dorthin sehen in den nächsten Jahrzehnten", so Schmidtke.

Wem gehört Desertec?

Ab sofort wird das Konsortium auf das Zugpferd "Desertec" verzichten müssen. Denn die Stiftung will den Begriff nur noch für sich beanspruchen, wie Geschäftsführer Gropp bestätigt. "Wir nehmen den Begriff und die Marke mit und betrachten dies nicht als feindlicher Akt, sondern zum Wachrütteln und mit der Bitte, die Dinge zu klären und dann zu gegebener Zeit wieder miteinander zu sprechen."

Zumindest letzteres deutet darauf hin, dass das Tischtuch zwischen der Stiftung und der Initiative nicht ganz zerschnitten werden soll. DII-Sprecher Schmidtke reagiert positiv auf solche Signale. Er würde weitere Gespräche sehr begrüßen. Zumal seiner Meinung nach die Menschen in Europa und auch in Nordafrika und im Nahen Osten etwas anderes erwarteten. "Die möchten keine Berichte über irgendeinen Streit und Auseinandersetzungen lesen", so Schmidtke. In erster Linie gehe es darum, die Idee vom Wüstenstrom voran zu bringen. Über konstruktive Vorschläge könne man gerne reden. Im Übrigen seien Auflösungserscheinungen bei der Initiative auch nach dem Abgang der Desertec-Stiftung auf keinen Fall zu verspüren, so der Sprecher.

Namhafte Konsortiumsmitglieder wie die Energieriesen RWE und Eon haben der Industrieinitiative DII bereits ihre weitere Unterstützung zugesichert.