1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Desertierter US-Soldat kann auf Asyl hoffen

11. November 2014

Neue Hoffnung für einen desertierten US-Soldaten: Er könne Asyl in Deutschland beantragen, wenn er durch den Militärdienst in Kriegsverbrechen verwickelt werden könnte, argumentierte eine Gutachterin des EuGH.

https://p.dw.com/p/1DlDI
Andre Shepherd US Deserteur sucht Asyl in Deutschland Archiv Juni 2014 EuGH (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/epa/N. Bouvy

André Lawrence Shepherd (Artikelbild) wollte nicht ein zweites Mal in den Irak-Krieg ziehen. Im Frühjahr 2007 verließ der US-Soldat daher unerlaubt seine in Franken stationierte Einheit - und beantragte als erster Deserteur der US-Armee politisches Asyl in Deutschland. Der Antrag wurde abgelehnt, sein Fall landete vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Eine einflussreiche Gutachterin des Gerichtshofs argumentierte nun, Soldaten könnten Asyl beantragen, falls sie durch den Militärdienst in Kriegsverbrechen verwickelt werden könnten. Sie wies aber auf eine Reihe von Fragen hin, die im Einzelfall zu prüfen seien. In den meisten Fällen halten sich die Richter an den Rat ihrer Gutachter. Ein Urteil dürfte erst in einigen Monaten fallen.

Irak-Krieg nicht mit dem Gewissen vereinbar

Shepherd war als Wartungstechniker für Kampfhubschrauber zwischen September 2004 und Februar 2005 bereits als regulärer Soldat ein erstes Mal im Irak im Einsatz. Zurück in Deutschland verlängerte der heute 37-Jährige seinen Vertrag mit den US-Streitkräften um weitere acht Jahre - nach eigenen Angaben, um so eine sonst mögliche Einberufung als Reservist in den Irak zu verhindern.

Helikopter Apache USA im Irak (Foto: afp)
Shepherd war als Wartungstechniker für Apache-Kampfhubschrauber zuständig.Bild: AFP/Getty Images

Als im April 2007 ein weiterer Einsatzbefehl in den Irak kam, verließ Shepherd die Armee. Zunächst versteckte er sich bei Bekannten in Deutschland und beantragte dann Asyl. Einen erneuten Einsatz im Irak könne er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, argumentierte er. Gerade bei Einsätzen der Apache-Kampfhubschrauber sei die Zivilbevölkerung zu Schaden gekommen. "Ich wollte Amerika nicht noch einmal dabei helfen, unschuldige Menschen zu ermorden", sagte Shepherd 2008 in einem Interview. Ein reguläres Kriegsdienstverweigerungsverfahren in den USA leitete Shepherd nicht ein. Dies sei aussichtslos gewesen, weil er nicht jeden Krieg, sondern nur den seines Erachtens völkerrechtswidrigen Krieg im Irak abgelehnt habe.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wies seinen Antrag 2011 ab. Shepherd habe kein einziges Kriegsverbrechen genannt, das seine Einheit während ihres ersten Irak-Einsatzes begangen habe, hieß es zur Begründung. Als Wartungstechniker laufe er auch nicht Gefahr, persönlich in Kriegsverbrechen verwickelt zu werden.

Ein politisch und rechtlich heikler Fall

Der inzwischen verheiratete und in Bayern lebende Shepherd hat nicht die Prominenz des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Doch auch ein politisches Asyl für den Armee-Deserteur würde in den USA wohl zu Irritationen führen. Rechtlich ist der Asylantrag kaum weniger heikel. Weil Shepherd sich vorrangig auf das Asylrecht der Europäischen Union beruft, hat das Verwaltungsgericht München den Streit dem EuGH vorgelegt. Das EU-Recht kennt kein generelles Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung. Die Asyl-Richtlinie von 2004 schützt aber Militärdienstverweigerer, die sonst an Straftaten, Kriegsverbrechen oder anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt wären.

Der EuGH soll zudem klären, ob eine unehrenhafte Entlassung aus der Armee, die damit verbundene soziale Ächtung und gegebenenfalls eine Freiheitsstrafe auch dann als politische Verfolgung anzusehen sind, wenn Shepherd eine Kriegsdienstverweigerung nach US-Recht gar nicht erst beantragt hat.

ab/gmf (afp, dpa)