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Autoindustrie im Umbruch

11. Januar 2010

Die Automesse in Detroit wird es zeigen: Die Gewichte verschieben sich in Richtung Schwellenländer. Doch kampflos werden Europäer und Amerikaner ihnen nicht den Markt überlassen, meint <i>Henrik Böhme.</i>

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Henrik Böhme, Wirtschaftsredaktion (Foto: DW)
Henrik Böhme, WirtschaftsredaktionBild: DW

Ist die Welt ohne Autos vorstellbar? Eine abwegige Frage. Natürlich nicht. Aber was ist so ein Auto? Eine Männerphantasie? Ein emotionales Objekt der Begierde? Ein Traum in Blech? Zunächst einmal nichts von alledem. Ein Auto ist ein Gebrauchsgegenstand, mit dem man einigermaßen schnell von A nach B gelangen kann. Dabei pustet es Abgase in die Luft, das macht es zur Zielscheibe der Umweltschützer. Aber auch die fahren zumeist Auto. Die Autoindustrie gibt Millionen und Abermillionen Menschen auf der ganzen Welt Arbeit, allein in Deutschland hängt jeder siebte Job am Automobil – vom Entwicklungsingenieur über den Arbeiter am Band bis zum Händler und Werkstattbetreiber.

Die große Wirtschaftskrise des vergangenen Jahres, sie hat eben diese Autobranche heftig erwischt. Vor allem in den traditionellen Industrieländern wie Deutschland und den USA traf sie die Autobauer bis ins Mark – kein Wunder: Es wurden viel zu viele Autos gebaut, für die es keine Käufer gab. Die längst überfällige Restrukturierung, auch die Umorientierung auf sparsamere, umweltfreundlichere Autos – jetzt findet sie statt: Die Krise machte es möglich.

Die Krise kennt auch Gewinner

Die Regierungen halfen mit Abwrackprämien, um das Schlimmste zu verhindern. Das ist gelungen. Jetzt, wo der große Sturm durchgezogen ist, werden die neuen Konturen der automobilen Industrie sichtbar. Die einst "Großen Drei" genannten US-Autobauer GM, Chrysler und Ford sind um ein Drittel geschrumpft: GM gehört dem Staat, Chrysler suchte Schutz beim Kleinwagenbauer Fiat, Ford verhökerte seine Premium-Marken wie Jaguar, Land Rover und Volvo. Und wer sind die Käufer? Indische und chinesische Firmen. Sie sind die großen Gewinner der Krise, dazu noch die Brasilianer und vielleicht auch die Russen. Und genau in diesen Ländern verzeichnen die etablierten Hersteller die einzigen nennenswerten Zuwachsraten: Volkswagen hat in China im vergangenen Jahr 37 Prozent mehr Autos verkauft, GM sogar 67 Prozent.

Das Ergebnis dieser Entwicklung: China hat die USA als größten Automarkt der Welt abgelöst. Der Traum vom eigenen Auto – ihn haben Millionen von Indern und Chinesen lange genug geträumt. Jetzt können viele ihn verwirklichen. Das gibt den Autobauern eine Chance, die jetzt schon vor Ort sind – und vor allem die richtige Produktpalette haben: Kleinwagen zu bezahlbaren Preisen. Da schrumpft die Faszination vom Auto schnell auf die Grundfläche einer Telefonzelle zusammen. Aber egal: Wichtiger ist es, mobil zu sein. Und die US-Hersteller darf man auf keinen Fall abschreiben: Derart gesundgeschrumpft, sind aus den unbeweglichen Tankern nun flexible Schnellboote geworden. Man wird mit ihnen rechnen müssen.

Die Karten werden neu gemischt

Und welche Rolle spielen die Erfinder des Autos, die Deutschen in diesem Spiel? Für Massenhersteller wie VW war die Abwrackprämie ein Segen. Die Luxus-Autobauer von Daimler und BMW hingegen mussten sich mit knallharten Sparprogrammen durch die Krise hangeln. Ungeachtet dessen haben die Hersteller Milliarden in die Forschung investiert. Und sie kooperieren: Daimler mit Renault, VW mit Suzuki. Die Karten werden weltweit gerade neu gemischt. Eine Million weniger verkaufte Autos erwarten die Experten auf dem deutschen Markt in diesem Jahr. Das kann nur kompensieren, wer breit aufgestellt ist.

Und ja, natürlich ist so ein Auto auch ein emotionales Ding. Nicht umsonst dauern Automessen, auch die jetzt in Detroit, immer so lange. Damit viele Menschen- Frauen und Männer - dem Traum in Blech erliegen, den sie sich niemals leisten könnten. Am Ende kaufen sie dann das familientaugliche, möglichst sparsame Kompaktauto.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Rolf Wenkel