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Deutsch-polnische Entspannung

Nina Werkhäuser22. Juni 2016

Sie galt bisher nicht gerade als Freundin Deutschlands: die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo. Bei ihrem Besuch im Berliner Kanzleramt ging es dennoch erstaunlich harmonisch zu.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel empfängt Beata Szydlo mit militärischen Ehren vor dem Kanzleramt, Foto: dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel empfing ihre polnische Kollegin Beata Szydlo mit militärischen EhrenBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Es waren freundliche, ja versöhnliche Töne, die die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anschlug. Mehrfach dankte Szydlo "der lieben Angela" für die gute Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Und sie lobte die Aufgeschlossenheit der Kanzlerin in jenen Fragen, die noch strittig sind, zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik.

Dass die Regierungen Deutschlands und Polens in den vergangenen Monaten oft nicht einer Meinung waren, ist kein Geheimnis. Es ist für die beiden Regierungschefinnen aber auch kein Hindernis, die Beziehungen im 25. Jahr des wegweisenden deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags weiter zu vertiefen. Szydlo kam mit einem großen Teil ihres Kabinetts nach Berlin, das sich mit der Bundesregierung zu sogenannten Regierungskonsultationen traf, einer besonders engen Form der Zusammenarbeit mit befreundeten Staaten.

Hart in der Sache, verbindlich im Ton

"Es gibt viele Themen, die uns trennen, aber viel mehr Themen, die uns verbinden", betonte Szydlo, die der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) angehört. "Alles andere als selbstverständlich" sei es, dass Deutschland und Polen heute so gut nachbarschaftlich zusammenarbeiteten, ergänzte Merkel. Deutschland habe "viel Schuld auf sich geladen" in der "sehr komplizierten" Geschichte beider Länder. Die wird nun in einem gemeinsamen Geschichtsbuch aufgearbeitet, dessen ersten Band die beiden Außenminister heute vorstellten.

Vertreter der polnischen und der Bundesregierung bei ihrem Treffen im Berliner Kanzleramt, Foto: dpa
Vertreter der polnischen und der Bundesregierung bei ihrem Treffen im Berliner KanzleramtBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Ein Thema, das in den vergangenen Tagen in Deutschland kontrovers diskutiert wurde, ist die Abschreckungspolitik der NATO gegenüber Russland. Während es die Polen freute, dass die NATO mit dem Großmanöver "Anakonda" ihrem Land den Rücken stärkte, warnte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) davor, "durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen".

Beim Koalitionspartner, der Union, löste er damit scharfe Kritik aus - bei der polnischen Ministerpräsidentin auch? Die bedankte sich bei Merkel dafür, dass Deutschland Warschau "bei der Stärkung der östlichen Flanke" unterstütze. Abschreckung und der Dialog mit Russland - beide Säulen seien wichtig, betonte Merkel. Für sie ist das kein Widerspruch.

Im Übrigen habe die Bundesregierung einvernehmlich entschieden, dass Deutschland sich am NATO-Manöver "Anakonda" beteilige. Die Bundeswehr werde künftig zusätzliche Aufgaben in Litauen übernehmen, um die NATO-Verbündeten in Nordosteuropa zu stärken, die sich von Russland bedroht fühlen.

Weiter strittig: Die Flüchtlingspolitik

Auch wenn Merkel und Szydlo den Differenzen in der gemeinsamen Pressekonferenz wenig Raum gaben, so blieben sie doch nicht unerwähnt: Die Regierung in Warschau wünscht sich mehr Polnisch-Unterricht für die vielen in Deutschland lebenden Polen, und zwar an den staatlichen Schulen. Für diese Forderung zeigte die Bundeskanzlerin Verständnis.

Etwas entschärft ist der Streit um Merkels großzügige Flüchtlingspolitik, die in Warschau sehr kritisch gesehen wird. Durch die Vereinbarung mit der Türkei sieht Szydlo den Kurs ihrer Regierung bestätigt, die EU-Außengrenzen zu schützen, um die Zuwanderung von Flüchtlingen zu begrenzen.

Polen selbst hat praktisch keine Flüchtlinge aufgenommen. "Was den europäischen Verteilmechanismus angeht, haben wir unterschiedliche Positionen", räumte Merkel ein. Aber es gebe auch viele Gemeinsamkeiten, was die Bekämpfung der Fluchtursachen oder der Schlepperbanden angehe.

Ganz auf einer Linie liegen Merkel und Szydlo beim Thema "Brexit": Beide wünschen sich nachdrücklich, dass Großbritannien Mitglied der EU bleibt. Aber natürlich sei es Sache der Briten, darüber am Donnerstag in einem Referendum zu entscheiden.