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Deutsch-polnische Geschichte als Dauerbelastung

Nina Werkhäuser, Berlin23. Dezember 2005

Deutschland und Polen sind sich nah und fern zugleich, Verständnis und Missverständnis liegen oft dicht beieinander. Mit den Regierungswechseln in beiden Ländern könnte sich das Verhältnis nun ändern.

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Angela Merkel und Lech KaczynskiBild: dpa

Der Amtseid des neuen Präsidenten Lech Kaczynski hat am Freitagvormittag (23.12.2005) den Machtwechsel in Polen abgeschlossen, der Ende September mit dem Sieg der national-konservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" bei den Parlamentswahlen begonnen hatte. Parallel dazu vollzog sich auch bei Polens Nachbarn Deutschland der Regierungswechsel von Rot-Grün zur großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU.

Allzeit heikel

Die allzeit heiklen Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn sind auch für die neue Bundesregierung eine Herausforderung, bei der Fingerspitzengefühl das oberste Gebot ist. Außenminister Frank-Walter Steinmeier formuliert es so: "Wir sind uns beide sehr bewusst, dass das ein Verhältnis ist, in dem Irritationen bestehen." Bei ihrem Antrittsbesuch in Warschau Anfang des Monats sondierte die Bundeskanzlerin also zunächst einmal aufmerksam das schwierige Terrain. Gute Beziehungen zu Polen sind Merkel sehr wichtig, aber sie kennt auch die Fußfallen - und mied sie tunlichst. "Ich habe den festen Eindruck, dass auch der zukünftige polnische Präsident an sehr guten Beziehungen zu Deutschland interessiert ist, auch an zukunftsgerichteten Positionen, die wir gemeinsam einnehmen können", sagte sie nach ihrem Treffen mit Lech Kaczynski freundlich-diplomatisch.

Vergangenheit als Dauerbelastung

Zentrum gegen Vertreibungen Erika Steinbach
Die Museums-Pläne der Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach stoßen in Polen auf AblehnungBild: AP

Von gemeinsamen Positionen konnte bisher bei vielen Themen nicht die Rede sein. Der neue polnische Präsident Kaczynski, der Deutschland nach eigenem Bekunden nicht kennt, nennt die wichtigsten Probleme zwischen beiden Ländern: "Erstens das Zentrum gegen Vertreibungen, das in Berlin gebaut werden soll. Das zweite Problem sind die möglichen Forderungen von ehemaligen Vertriebenen an polnische Bürger. Und drittens wissen die Deutschen doch wohl, dass eine deutsch-russische Gaspipeline durch die Ostsee eine Gefahr für Polen darstellt."

Der Umgang mit der Vergangenheit ist eine Dauerbelastung, wie der Streit über das geplanten "Zentrum gegen Vertreibungen" zeigt. Dieses Zentrum, das Merkel unterstützt, soll unter anderem die Vertreibung der Deutschen aus Polen am Ende des Zweiten Weltkriegs dokumentieren. Den Polen ist das ein Dorn im Auge - sie fürchten Geschichtsfälschung.

Verbale Abrüstung reicht nicht

Andererseits greifen aber vor allem nationalkonservative Politiker in Polen gerne in die Mottenkiste antideutscher Klischees und Ressentiments - zuletzt die Kaczynski-Partei "Recht und Gerechtigkeit" in ihrem Parlaments- und Präsidentschaftswahlkampf. Das brachte Polens Premier Kazimierz Marcinkiewicz bei Merkels Antrittsbesuch in Erklärungsnot. Er erklärte kurzerhand den staunenden Journalisten: "Ich habe von einer antideutschen Stimmung in Polen nichts bemerkt."

Bei persönlichen Begegnungen freundlich sein und in Abwesenheit übereinander herziehen - leider keine Seltenheit in den deutsch-polnischen Beziehungen. Aber beide Seiten wissen, dass verbale Abrüstung alleine nicht reicht, sondern nur eine ernsthafte und geduldige Auseinandersetzung mit den Positionen des anderen.

Angela Merkel hat bereits ein erstes klares Zeichen gesetzt, indem sie sich auf dem EU-Gipfel in Brüssel für die finanziellen Forderungen Warschaus stark gemacht hat. Ex-Kanzler Gerhard Schröder sei bei allem Einsatz für die deutsch-polnischen Beziehungen doch so manches Mal leichtfertig über die Interessen Polens hinweggegangen, findet Merkel - und darin widerspricht ihr niemand in Warschau.