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Deutsch-türkische Differenzen

Udo Bauer, Incirlik21. Januar 2016

Verteidigungsministerin von der Leyen hat die Soldaten der deutschen Aufklärungsmission in der Türkei besucht. Sie lobte zwar den gemeinsamen Anti-Terror-Einsatz. Es gibt aber noch offene Fragen. Aus Incirlik Udo Bauer.

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Deutschland Türkei Ursula von der Leyen mit Ismet Yilmaz in Incirlik
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (2.v.re.) mit ihrem türkischen Amtskollegen Ismet Yilmaz (ganz re.)Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Incirlik ist riesig. Der NATO-Stützpunkt im Süden der Türkei ist eine eigene Stadt mit zwei Landebahnen. Hier leben und arbeiten türkische, US-amerikanische und jetzt auch deutsche Soldaten. Die Ministerin stattet ihnen einen Besuch ab, will vor Ort wissen, wie der deutsche Beitrag zur Anti-IS-Koalition, der Kampf gegen die Terrormiliz, im Detail funktioniert. Gleich zu Beginn lobt sie, wie schnell, präzise und gewissenhaft die Bundeswehr hier zu Werke gegangen ist.

Immerhin: In 14 Tagen haben die sechs Aufklärungstornados fast 40 Missionen über Syrien und dem Irak geflogen. Sie fliegen immer in Zweierrotten, zwei Flugzeuge vormittags und zwei nachmittags. Und sie funken dabei entweder in Echtzeit oder mit ein wenig Verzögerung Bilder über die Lage von IS-Stellungen und Truppen, damit Flugzeuge anderer Nationen sie später bombardieren können.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit Soldaten (Foto: Getty Images/AFP/T. Schwarz)
Verteidigungsministerin von der Leyen lässt sich von Soldaten die Tornado-Ausrüstung zeigenBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Türkischer Kollege spricht nicht vom IS

Beim Besuch der deutschen Ministerin ist auch der türkische Verteidigungsminister Yilmaz zugegen. Es werden Freundlichkeiten ausgetauscht, der beiderseitigen Terrorismusopfer gedacht und dem Terror wird der Kampf angesagt. Mit kleinen, aber feinen Unterschieden. Ismat Yilmaz benutzt das Wort IS nicht. Er sagt lieber Sätze wie "Wir wollen den Terror bekämpfen - egal welchen Namen er trägt." Und er meint damit, dass die Türkei neben dem IS auch die kurdische PKK als Gegner sieht.

In der deutschen Delegation wird das nicht kommentiert. Nur soviel: Man sei sehr froh darüber, dass die Türkei immer mehr den Kampf gegen den IS unterstütze. Lange hatte die Türkei dem Kampf gegen die PKK-Milizen den Vorrang gegeben. Erst durch zwei Terroranschläge in türkischen Großstädten sah sie sich offenbar zum Umdenken gezwungen.

"Einsatzgeschwader - Counter IS" steht auf dem Abzeichen eines Bundeswehrsoldaten (Foto: Getty Images/AFP/T. Schwarz)
"Gegen Daesh" (die arabische Abkürzung für die Terrormiliz IS) steht auf dem Abzeichen der Bundeswehr-SoldatenBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Aber so ganz können und dürfen - laut Bundestagsmandat - die Deutschen den türkischen Verbündeten nicht trauen. Deshalb sind Vorkehrungen getroffen worden, mit denen verhindert werden soll, dass deutsche Luftaufnahmen zu türkischen Angriffen auf kurdische Stellungen führen. Zwei deutsche Offiziere filtern deshalb die Aufträge der Missionen und die Ergebnisse, bevor sie an die Alliierten weitergegeben werden und garantieren, so heißt es bei der Präsentation, dass die "Mandatstreue" gewährleistet ist.

Einer der beiden hat deshalb die Bezeichnung "Red Card Holder", der kann also alles stoppen. Wirklich? Tobias Lindner, Bundestagsabgeordneter der Grünen, der im Begleittross der Ministerin mitgereist ist, hört es und hat doch noch viele Fragen, zum Beispiel: "Wer genau beauftragt die deutschen Flüge, wer hat Zugriff auf die Daten?"

Bilder des jordanischen Piloten "gehen nicht aus dem Kopf"

Und noch etwas muss dringend geklärt werden. Auch wenn die deutschen Missionen über IS-Gebiet mehr oder weniger als Spaziergänge von drei bis vier Stunden dargestellt werden, so sind sie doch gefährlich. Das gibt der Kommodore des Einsatzgeschwaders, Oberst Michael Krah auch offen zu.

Frontalansicht eines deutschen Tornados (Foto: Getty Images/AFP/T. Schwarz)
Die Sorge fliegt mit - Cockpit eines deutschen TornadosBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Die Bilder des hingerichteten jordanischen Piloten im letzten Jahr "beschäftigen die Besatzungen sehr. Diese Bilder gehen nicht aus dem Kopf heraus." In der Tat habe der IS Waffen, die auch über 3000 Meter hoch schießen können, die Mindesthöhe, in der die deutschen Tornados fliegen. Dass sie tatsächlich treffen sei aber "sehr unwahrscheinlich, eher theoretischer Natur."

Hoffen wir, dass die Theorie nicht zur Praxis wird. Einen deutschen Piloten in der Mörderhand des IS würde wohl selbst ein wohlwollender Bundestag nicht verkraften.