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An die Börse

Sabine Kinkartz9. November 2006

Im monatelangen Streit um die Privatisierung der Deutschen Bahn haben sich überraschend Bundesregierung sowie Union und SPD geeinigt. Danach soll das Unternehmen in Teilen bis 2008 oder 2009 in private Hände kommen.

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Lokomotiven stehen auf dem Gueterbahnhof in Maschen (Archivbild)
Der Bund wird Besitzer des Schienennetzes bleibenBild: AP

Der Schattenriss von Hartmut Mehdorn
Bahn-Chef Hartmut Mehdorn begrüßte den KompromissBild: AP

Die Positionen waren verhärtet, die Auseinandersetzung festgefahren. Kaum jemand hatte zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Einigung zwischen Union und SPD gerechnet. Und so sind es die feinen Begrifflichkeiten, die den Kompromiss zur Bahnprivatisierung ausmachen. Besitzer des Schienennetzes wird die Bahn - das heißt, sie kann es bewirtschaften und sogar in ihre Bilanzen einbringen. Doch Eigentümer des Netzes sowie der Bahnhöfe und Werkstätten bleibt der Bund. Dabei spielte vor allem auch ein Blick über die Landesgrenzen eine Rolle.

Warnung aus Großbritannien

So erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel in dieser Woche, dass sich die Art und Weise der Privatisierung stark über die negativen Erfahrungen in Großbritannien entschieden habe. Auf der britischen Insel war das Schienennetz an private Investoren verkauft worden, die es anschließend so ruinierten, dass sich der Staat gezwungen sah, das Netz zurückzukaufen. Anders als dort wolle man "eine langfristig verlässliche Infrastruktur" gewährleisten, erklärte Merkel. Die Bundesregierung will sich demnach doppelt absichern: Sie behält das Netz und verpflichtet die Bahn per Gesetz oder Vertrag zur umfassenden Pflege.

Wolfgang Tiefensee
Wolfgang Tiefensee will die Bahn konkurrenzfähig haltenBild: AP

Doch es geht auch um viel Geld: 100 Milliarden Euro Steuergelder hat es gekostet, das 34.000 Kilometer lange Schienennetz zu bauen, bei einem Börsengang, so schätzen Experten, hätte es aber nur 10 Milliarden Euro, also ein Zehntel der ursprünglichen Summe, in die Staatskasse gebracht. So einigten sich die Verkehrsexperten der großen Koalition am Ende auf das so genannte kleine Eigentumsmodell. Bis 2009 soll die Bahn an die Börse gebracht werden, allerdings werden insgesamt nur 49,9 Prozent des Unternehmens privatisiert, da der Bund laut Grundgesetz Mehrheitseigentümer bleiben muss.

Jobgarantie bis 2010

Mit den erhofften Milliardeneinnahmen soll das Unternehmen fit für die Zukunft werden, wie Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee betonte. "Wir wollen, dass die Kunden eine hohe Qualität haben, dass die Bahn weitere gute Züge einkaufen kann, Bahnhöfe renovieren kann, aber sich auch auf dem europäischen und internationalen Markt behauptet", erklärte er. Es sei wichtig, dass die Bahn ihre Wettbewerber schlage.

Nach Ansicht von Tiefensee kann mit der jetzt gefundenen Lösung der Erhalt der Arbeitsplätze bei der Bahn AG bis zum Jahr 2010 garantiert werden. Bis dahin gilt der laufende Tarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt.

Mehdorn begrüßt Einigung

Bahnchef Hartmut Mehdorn wertete die Einigung als wichtiges Signal für das Unternehmen, die Mitarbeiter und die Kunden. Jetzt gebe es wieder eine gesunde Arbeitsbasis, sagte Mehdorn am Donnerstag (9.11.2006) in Berlin. Das Unternehmen sei in der richtigen Verfassung, um privatisiert zu werden. "Der Termin 2008 ist realistisch, ich glaube, das ist auch zu schaffen", sagte der Bahnchef. Die Einigung sei auch eine gute Grundlage, um mit den Gewerkschaften die Tarifverhandlungen über die Beschäftigungssicherung fortzusetzen. Mehrdorn versicherte, dass er zuversichtlich sei, dass die Bahn mit dem anstehenden Privatisierungsgesetz die Chancen am Markt wahrnehmen könne.

Auch der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßte den gefundenen Kompromiss, bei FDP und Grünen hingegen hagelte es Kritik. Die Grünen sprechen von einem Schein-Kompromiss, bei dem der Bund nur formal Netz-Eigentümer bleibe, eigentlicher Nutznießer sei die Bahn. Die FDP hingegen nennt das gefundene Modell eine "Pseudo-Privatisierung". Es sei Staatswirtschaft, wenn der Bund Mehrheitseigentümer bleibe. Als nächstes muss die Koalitionsrunde über den Kompromiss entscheiden, anschließend der Bundestag. Danach kann Minister Tiefensee eine Gesetzesvorlage erarbeiten, die dann durch die parlamentarischen Instanzen laufen muss.