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Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007: Osteuropa und Zentralasien als Schwerpunkte

3. August 2006

Die Bundesregierung will für die Zeit der Präsidentschaft in EU und G 8 die postsowjetischen Staaten in den Mittelpunkt stellen. Im Interview mit DW-RADIO erläutert Staatsminister Gernot Erler die geplante Strategie.

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Staatsminister im Auswärtigen Amt: Gernot Erler (SPD)Bild: picture-alliance/ ZB

DW-RADIO/Russisch: Die Bundesregierung will die Zusammenarbeit mit Osteuropa und Zentralasien zum Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft in der EU und der G8 machen. Warum gerade diese Regionen?

Gernot Erler: Es gibt die Tradition, während der EU-Präsidentschaft auch regionale Schwerpunkte zu setzen. Wir haben automatisch das Thema Russland, weil das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland Ende 2007 ausläuft und dann fortgesetzt werden muss. Da fällt die entscheidende Phase in unsere Präsidentschaft. Wir haben dann das Thema der europäischen Nachbarschaftspolitik ausgewählt, weil es ein dringliches Thema ist. Wir haben die Entwicklungen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, im so genannten post-sowjetischen Raum, die schwierig sind, wo große Erwartungen an die EU gerichtet werden. Wir glauben, dass wir gut geeignet sind mit unseren intensiven Kontakten zu diesen Ländern, hier neues Vertrauen zu schaffen durch eine erweiterte Nachbarschaftspolitik.

Welchen Platz nimmt Weißrussland im Konzept der Bundesregierung ein?

Im Augenblick kann man schon sagen, dass alles, was Nachbarschaftspolitik angeht, was Partnerschafts- und Kooperationsabkommen angeht, auf Eis liegt. Trotzdem legen wir Wert darauf, dass wir eine Situation der offenen Tür haben, das heißt, in dem Augenblick, wo sich das Verhalten der Regierung in Minsk ändert, wo wir das Gefühl haben, dass dort wieder mehr Interesse zur Kooperation besteht und vor allen Dingen die Fragen der Behandlung der Opposition sich verändern, in dem Augenblick steht die EU bereit, auch die Sanktionen, die verhängt worden sind, aufzuheben, den Visabann für eine ganze Reihe von Mitgliedern der Minsker Regierung eingeschlossen, und natürlich auch eine Einbindung in die Programme, von denen jetzt schon Länder wie die Ukraine oder Moldova profitieren. Das steht für Belarus offen, aber das liegt nicht in unserer Hand, das ist eine Entscheidung der Regierung von Belarus.

Wie lassen sich Fragen der Energiesicherheit Deutschlands und die Rolle der Menschenrechte in Russland in der deutschen Politik vereinbaren?

Ich glaube, das geht sehr gut. Wir haben eine lange Tradition mit Russland, die schon weit in die sowjetischen Zeiten zurückreicht, also in eine Zeit, wo es um die Frage von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Sowjetunion ja noch ganz anders stand als heute. Solide und verlässliche Geschäfte auf der einen Seite und auf der anderen Seite durchaus politischer Dialog, durchaus auch politische Auseinandersetzungen und offene Worte über kritische Fragen, z. B. auch die Behandlung von NGOs und der Zivilgesellschaft, war in sowjetischen Zeiten möglich, und ich denke, dass es heute auch möglich ist. Auch die russische Seite legt keinen großen Wert darauf, das in irgendeiner Weise zu verschränken und wechselseitig von einander abhängig zu machen. Das würde weder den russischen Interessen noch den deutschen Interessen entsprechen.

Es hat in der vergangenen Zeit häufiger Kritik an der Bundesrepublik gegeben, weil sie an ihrem Stützpunkt im usbekischen Termez festhält und Kritikern zufolge daher die Frage der Menschenrechte dort vernachlässigt. Wie stehen Sie dazu?

Wir haben überhaupt nicht vor, irgendeine Rücksicht auf unsere Interessen in Termez zu nehmen, was die Menschenrechtsfragen angeht. Ich kann ihnen berichten, dass ich bei meiner letzen Reise im Juli nach Usbekistan in einem zweieinhalbstündigen Gespräch mit Staatspräsident Karimow diese Fragen zu seinem Ärger sehr offen angesprochen habe und auch deutlich gemacht habe, dass ohne eine Klärung Usbekistan das Thema Andischan weiterhin begleiten wird.

Auf der anderen Seite gilt hier das Gleiche wie etwa im Fall Belarus: Wir haben auch nicht vor, eine bewusste, aktive Isolierungspolitik von Usbekistan zu betreiben. Wir glauben, dass es sinnvoll ist, im Dialog zu bleiben, dass es sinnvoll ist, die kritischen Fragen, z. B. auch die Behandlung der internationalen NGOs, ihre Tätigkeit in Taschkent anzusprechen. Dazu braucht man eine Politik des Dialoges, die man trotz der kritischen Situation in Usbekistan fortsetzt. Das berührt die Zusammenarbeit, die es in der Frage des Militärflughafens Termez angeht in keiner Weise.

Wo liegt das spezielle Interesse der Bundesregierung an Zentralasien?

Wir glauben, dass das zentralasiatische Gebiet für die Sicherheit auf dem ganzen eurasischen Kontinent, auch was die Abwehr von extremistischen Aktivitäten, den Kampf gegen den Terror angeht, nicht nur wegen der Nähe zu Afghanistan wegen der Bedeutung etwa der Vorgänge im Fergana-Tal für ganz Europa wichtig sind. Und wir glauben, dass Zentralasien insgesamt trotz seiner beschränkten Einwohnerzahl von annähernd 60 Millionen Menschen in der Zukunft ein interessanter und wichtiger Partner für Europa werden kann.

Das Interview führte Sergej Wilhelm
DW-RADIO/Russisch, 3.8.2006, Fokus Ost-Südost