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Die Wunderwürste

Marcus Bösch17. Oktober 2007

Metzgermeister Pointner aus Mindelheim und das renommierte Fraunhofer-Institut haben nahezu fettfreie Würste entwickelt. Interesse gibt es weltweit. Aber schmecken die neuen Würste auch?

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Wurst aus dem Fraunhofer-Institut (Quelle: Fraunhofer Institut Freising)
Wohl bekomms!Bild: Fraunhofer Institut Freising

Sie sieht aus wie normale Wurst. Riecht wie normale Wurst. Und schmeckt, nun ja, fast wie ganz normale Salami. Ein bisschen weicher, ein bisschen ungewohnt. Aber dafür hat die Wurst von Metzgermeister Josef Pointner einen zentralen Vorteil. Statt der üblichen 25 bis 40 Prozent Fett hat sie einen Fettgehalt von gerade mal 2 Prozent. Weniger geht nicht, schließlich ist der Rohstoff Fleisch an sich ja fetthaltig.

Mal was total anderes

Die Kunden haben Pointner, der im schwäbischen Landkreis Unterallgäu eine Metzgerei betreibt, auf die Idee gebracht. "Immer mehr Kundinnen wie die Frau Huber und die Frau Meier kamen in den Laden und sagten, dass ihre Männer kein Schweinefleisch und kein Rindfleisch mehr essen dürften", erzählt der Metzger. Da habe er sich gedacht, mal "etwas irgendwie total anderes zu machen".

Natürlich gibt es bereits fettarmen Wurstaufschnitt. Nur: Selbst fettreduzierte Sorten kommen meist noch auf 10 bis 20 Prozent Fettgehalt. Alles darunter schaffen Wursthersteller nur durch die Zugabe von Geflügelfleisch. Und das mag Pointner nicht. Sein Ziel: fettfreie Wurst mit natürlichen Zutaten aus Schwein und Rind, die ihm und seinen kritischen Kunden wirklich schmeckt.

Kein Speck, keine Schwarte


Metzger Josef Pointner in Aktion (Quelle: Fraunhofer Institut Freising)
Da dampft das gesunde WurstgemischBild: Fraunhofer Institut Freising

Also probiert und experimentiert Pointner in der heimischen Metzgerei. Er zerfasert das Fleisch ganz schonend und verzichtet auf die Beigabe von Speck, Schwarte oder Knorpel. Statt Fett kommt Wasser dazu. "Die ersten Versuche gingen total in die Hose. Das war wie Kaugummi, wie schlechter Kaugummi", sagt Pointner. Aber irgendwann haute es hin, die Wurst mundete und dann kam eins zum anderen.

"Der Josef Pointner hat mich eines Tages angerufen", erzählt Peter Eisner. Es kommt nicht oft vor, dass Metzger im Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung anrufen, um zu verkünden sie hätten ein zentrales Ernährungsproblem gelöst. Eisner lädt Pointner ein. Skeptisch ist er schon, aber die mitgebrachte Wurst überzeugt. Pointner wird Mitglied im Entwicklungsteam. Technisches Know-How und jahrzehntelange Berufserfahrung am Metzgertresen ergänzen sich. Entwickelt haben Pointner und die Experten inzwischen die gesamte Bandbreite an den besonders in Deutschland beliebten Brühwurstprodukten.

Gesund und massenkompatibel?

Nach dem MP3-Player könnte die fettfreie Wurst der nächste Verkaufsschlager des renommierten Fraunhofer-Instituts werden. Ein großer deutscher Einzelhändler wird nach Angaben von Eisner den Vertrieb in wenigen Wochen beginnen. Die fast fettfreie Wurst mit Wissenschaftsstempel. Gut finden das nicht nur die Kunden von Metzgermeister Pointer, der in seiner Metzgerei nach anfänglicher Skepis inzwischen 70 Prozent aller Wurstwaren "nahezu fettfrei" anbietet.

"Neue technologische Möglichkeiten bieten neue Ansätze", sagt Sven-David Müller-Nothmann, Ernährungsexperte vom Deutschen Kompetenzzentrums für Gesundheitsförderung und Diätetik. Dass Protein mehr Wasser binde sei schon länger bekannt, so intensiv ausgenutzt habe das aber bisher noch niemand. Sein Urteil über die Würste: Gesund und definitiv massenkompatibel, wenn auch nicht die Alleinlösung für Übergewichtige. Denn die müssten sich - Wurst hin oder her - trotzdem mehr bewegen.

Wunderwurst weltweit

Interesse an den neuen Würsten gibt es weltweit. "Wir sind gerade dabei, mit einem russischen Unternehmen zusammen in Moskau eine Fabrik zu errichten", erzählt Eisner. Im nächsten Jahr solle "die Wurst da am Markt sein". Ein Partner in Peking will die Wurst in internationalen Hotels anbieten. Weitere Gespräche gibt es derzeit in den USA, Lateinamerika und im benachbarten europäischen Ausland.

Peter Eisner (in der Mitte) und sein Team (Quelle: Fraunhofer Institut Freising )
Promotion für das schmackhafte ForschungsprojektBild: Fraunhofer Institut Freising

Während Eisner und sein Team weiter an neuen Lebensmitteln forschen, soll natürlich auch auf den vielleicht einzigen Nachteil der Würste hingewiesen werden. Sie dürfen nicht zu lange an der frischen Luft liegen. Denn das der Wurst beigefügte Wsser verdunstet bei Wärmezufuhr. Die Wurst trocknet wesentlich schneller aus als klassische fettigere Produkte.