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Nein ist richtig!

2. Februar 2008

Das US-Verteidigungsministerium und die NATO drängen die deutsche Regierung, Kampftruppen in den Süden Afghanistans zu senden. Sybille Golte meint, die Diskussion verstelle den Blick auf die eigentlichen Probleme.

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Bild: DW
Sybille Golte
Sybille Golte

Nichts kann dem deutschen Verteidigungsminister Franz Josef Jung weniger ins Konzept passen, als die ultimative Forderung seines amerikanischen Amtskollegen Robert Gates, deutsche Kampftruppen in den Süden Afghanistans zu schicken. Jung bemüht sich gerade begrenzt erfolgreich in der Öffentlichkeit um Verständnis für die Entsendung einer zusätzlichen schnellen Eingreiftruppe für den Norden des Landes. Der mögliche Einsatz von Kampfeinheiten - selbst im Norden Afghanistans - beschädigt schon jetzt das von Jung immer wieder beschworene Bild des Bundeswehrsoldaten als Entwicklungshelfer in Uniform. Ein Einsatz im Süden würde es vollends zerstören.

Das Nein aus Berlin kam daher erwartet und unmissverständlich. Und auch die nun folgende Diskussion ist absehbar. Der Ton wird schärfer - sicher in der deutschen Innenpolitik und möglicherweise auch im transatlantischen Verhältnis zwischen Berlin und Washington. Ein Stoff, aus dem Schlagzeilen gemacht werden. Dennoch verstellt der öffentlich ausgetragene transatlantische Disput den Blick auf die eigentlichen Probleme.

Mehr Soldaten = mehr Sicherheit?

Noch immer erweckt die US-Administration den Eindruck, als sei der Frieden in Afghanistan mit einer Aufstockung von Militäreinheiten zu gewinnen. Als gäbe es nicht die Erfahrung aus dem Irak, wo eben dieses Konzept längst gescheitert ist. Auch in Afghanistan ist die Rechnung "mehr Soldaten gleich mehr Sicherheit" nicht aufgegangen. Im Gegenteil: trotz der Beschwerlichkeiten des Winters haben die Taliban-Kämpfer ihren Aktionsradius deutlich ausgeweitet. Der Angriff auf ein Luxushotel mitten in der Kabuler Innenstadt vor kurzem zeigt ebenso deutlich, wie die wachsende Zahl von Selbstmordanschlägen: Es gibt keine sicheren Zonen mehr in Afghanistan.

Der Ruf nach mehr Soldaten löst dieses Problem nicht. Der auf dem Bonner Petersberg entworfene Plan zur Demokratisierung des Landes hat bislang nicht die versprochenen Erfolge gebracht. Korruption und Drogenanbau florieren wie eh und je. Die demokratischen Wahlen haben eine Regierung an die Macht gebracht, die zu einer gemeinsamen Politik im Interesse des Landes nicht fähig ist. Zivilgesellschaftliche Strukturen sind kaum entstanden, Milliardensummen an Aufbaugeldern sind in dubiose Kanäle geflossen. Die Bevölkerung hungert und friert in einem ungewöhnlich kalten Winter und das, obwohl die Hauptstadt ein Heerlager westlicher Hilfsorganisationen geworden ist.

Wo bleiben die Erfolge?

Wer in dieser Lage keine besseren Ideen hat, als Truppenverbände zu verstärken, kann gleich kapitulieren. Der deutsche Verteidigungsminister Jung hat daher recht: Der von der Bundeswehr gestützte Aufbauprozess im Norden ist genauso wichtig wie der bewaffnete Kampf gegen die Taliban. Allerdings wird es langsam Zeit, auch an der zivilen Front zu fragen, wo die Erfolge bleiben, was aus den Milliarden an Hilfsgeldern geworden ist, die in den letzten Jahren nach Afghanistan geflossen sind. Natürlich gibt es auch viele erfolgreiche Projekte - offenbar aber nicht genug, um das Land zu stabilisieren.

Schon jetzt warnen Experten, Afghanistan drohe zu einem failed state, einem gescheiterten Staat zu werden. Gescheitert wäre dann aber nicht nur der Staat Afghanistan. Gescheitert wäre auch der westliche Entwurf einer demokratischen, säkularen Gesellschaft.

Dazu darf es nicht kommen. Ein "Weiter so!" an der zivilen wie an der militärischen Front Afghanistans reicht offenbar nicht aus, um den Petersberg-Prozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Es ist höchste Zeit, dass sich alle Beteiligten erneut an einen Tisch setzen und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.