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Deutsche Reitsport-Expertise in China

17. Juli 2018

Deutschland ist für China ein wichtiger Partner - in der Wirtschaft, aber auch im Pferdesport. Seit Jahren engagieren sich Ludger Beerbaum und der deutsche Reitverband in China. Erfolge sind bereits sichtbar.

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Symbolbild Springreiten
Bild: picture-alliance/dpa/J. Lübke

Im Grunde fing alles im Juli 2001 an: Peking erhielt den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2008 und war plötzlich in der Verlegenheit, Reitwettbewerbe auf Weltniveau organisieren zu müssen - und das obwohl die klassischen Reitsportdisziplinen Springen, Dressur und Vielseitigkeit im Reich der Mitte überhaupt keine Tradition hatten. Die Organisatoren in Peking kamen daher schnell auf die Idee, sich Hilfe aus Deutschland zu holen.

So wurde Weltklasse-Reiter Ludger Beerbaum um Unterstützung dabei gebeten, ein chinesisches Spring-Team für die olympischen Reitwettbewerbe aufzubauen, die unter anderem wegen zu komplizierter Quarantänebestimmungen in China schließlich in die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong verlegt wurden. Und auch beim deutschen Reitverband, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), klopften die Chinesen an.

Reitsport Sacha Eckjans
Sacha EckjansBild: Equestrian Globe

"Man hat Sönke Lauterbach, der heute Generalsekretär der FN ist, und mich gebeten, bei der Olympiade und auch danach zu helfen", erinnert sich Sacha Eckjans - damals Geschäftsführer beim deutschen Fachverband für Therapeutisches Reiten (DKTHR). Lauterbach und er berieten die Chinesen bei der Organisation, und Eckjans bekam sogar noch eine zusätzliche Aufgabe: "Ich bin bei der Olympiade und im Jahr danach Teammanager des Hongkong-Springteams gewesen", sagt der 47-Jährige. Insgesamt blieb Eckjans nach Olympia drei Jahre lang in Hongkong und arbeitete als "Executive Manager Equestrian Affairs" des renommierten Hongkong Jockey Clubs. Im Zuge dieser Tätigkeit unterhielt er regen Kontakt zu verschiedenen Reitställen im chinesischen Mutterland.

Deutschland in China lange nicht präsent

Bei seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2011 stand eines recht schnell fest: Das deutsche Engagement in China sollte fortgesetzt werden. "Die FN und ich haben entschieden, dass wir China beim Aufbau des Pferdesports betreuen müssen", erinnert sich Eckjans. "Deutschland war dort gar nicht präsent zu diesem Zeitpunkt. Es waren viele andere Reitsportnationen vor Ort - auch schon seit Jahren oder Jahrzehnten. Nur Deutschland war nicht da."

Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert: Die FN gründete im Jahr 2012 die "Equestrian Globe GmbH", eine Firma, die offizieller Vertreter der FN in China ist und mittlerweile auch Chinas führender Dienstleister und Berater in der Pferdesportbranche. "Neben der reinen Vermittlung von Trainern und Pferden bieten wir das deutsche Ausbildungssystem in Form von Kursen an", erklärt Eckjans. "Es gibt sehr viele Reiter oder Reitinteressente, Jugendliche, die gerne ein deutsches Zertifikat oder Abzeichen an der Wand hängen hätten, als eine Art Auszeichnung."

Reiter in China
Junge Reiter in China als stolze Absolventen des Abzeichenkurses der Equestrian Globe GmbHBild: Equestrian Globe

Zusätzlich berät die GmbH Chinesen beim Bau neuer Reitanlagen und organisiert jedes Jahr den deutschen Pavillon auf der Pferdesportmesse "China Horse Fair" in Peking, bei der sich deutsche Anbieter aus dem Pferdesport präsentieren. Hinzu kommt die Trainerausbildung: "Wir waren die ersten, die in China Chinesen als Trainer ausgebildet haben. Wir kümmern uns aber auch um chinesische Delegationen, die in Deutschland zu Besuch sind", sagt Eckjans. Auch Turniere hat die GmbH schon in China organisiert, außerdem bei Filmproduktionen geholfen, und sie ist mit dem Pferde-Musical "Troy" auf Tournee gegangen.

Beerbaum: "Das Fundament fehlt"

Auch Ludger Beerbaum ist nach wie vor in China aktiv - als Mitveranstalter der Beijing Masters, eines internationalen Reitturniers, das seit sieben Jahren im "Bird's Nest", dem Olympiastadion von 2008 in Peking, ausgetragen wird. Außerdem ist er an einem Reitclub am Stadtrand der chinesischen Hauptstadt beteiligt und betreibt dort - mit einem namhaften Uhrenhersteller als Partner - eine Reitsportakademie.

"In den ganzen Jahren ist uns bewusst geworden, dass es eine wachsende Begeisterung für den Pferdesport gibt, aber dass das Fundament ein wenig fehlt", sagt Beerbaum. "Wie halte ich ein Pferd, wie bilde ich es aus? Wie ernähre ich ein Pferd, wie pflege ich es? Diese Themen spielen in der Akademie eine Rolle."

Reitturnier CHIO - Preis von Nordrhein-Westfalen - Ludger Beerbaum
Springreiter Ludger Beerbaum ist seit über zehn Jahren in China aktivBild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

So gibt es dort zum einen die Möglichkeit, Trainingskurse zu buchen, bei denen auch der vierfache Olympiasieger selbst als Trainer auftritt. Aber es werden unter anderem auch Weiterbildungen für Parcoursaufbauer und Kurse für Hufschmiede angeboten. "Wir wollen die ganze Palette bedienen", sagt Beerbaum. 

Entwicklungsland mit großem Potenzial

Sportlich haben sich die Chinesen in den vergangenen Jahren verbessert, im Bereich der Weltspitze bewegen sie sich aber noch lange nicht. "Es gibt heute eine Gruppe von 40 bis 50 Reitern, die recht ordentlich über Hindernisse von 1,45 oder 1,50 Meter Höhe springen", erklärt Eckjans. "Das Hauptproblem ist aber, dass es keine breite Basis gibt, von der ausgehend man auf dem Weg nach oben immer besser und feiner selektieren kann, bis man nur noch die Top-Reiter hat, die man zu Championaten schickt." Auch daran versuche die "Equestrian Globe GmbH" zu arbeiten.

Beim CHIO in Aachen, wo China in diesem Jahr offizielles Partnerland ist, startet mit der Springreiterin Mei Mei Zhu nur eine einzige Chinesin. Die 26-Jährige, die im Stall von Ludger Beerbaum in Norddeutschland trainiert, wird bei den großen Entscheidungen in Aachen aber keine Rolle spielen. "China ist ein Entwicklungsland im Reitsport, anders als Japan oder Korea, die ja bereits erfolgreich an Olympischen Spielen teilgenommen haben", sagt Beerbaum, prophezeit aber: "Mit den Möglichkeiten, die sie haben, und wenn sie sich dem voll und ganz verschreiben und die Pferdeindustrie sich im Land etabliert, dann kann man die Uhr danach stellen, wann sie auch international konkurrenzfähig sein werden." Und das wäre dann zumindest zum Teil auch ein deutscher Erfolg: made in China und made in Germany.