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Grüne Idylle

28. April 2010

Seit fast 200 Jahren gibt es Schrebergärten in Deutschland. Obwohl immer wieder als spießig und kleinbürgerlich verschrieen, suchen derzeit wieder mehr Menschen das große Glück im kleinen Garten.

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Schrebergarten in einem Kleingartenverein (Foto: DW)
Stückchen Natur nach MaßBild: DW
Denkmal von Moritz Schreber und Ernst J. Hauschild (Foto: picture-alliance/ dpa)
Moritz Schreber und Ernst J. Hauschild - die Begründer des SchrebergartensBild: picture-alliance / ZB

Es ist bereits warm, die Sonne brennt von einem stahlblauem Himmel und erhitzt die Luft. Wer mag da schon in den eigenen vier Wänden hocken und vor sich hin schwitzen? Glücklich ist, wer jetzt einen eigenen Garten hat, dort vielleicht ein Plantschbecken für die Kinder aufstellen oder den Grill anwerfen kann. Aber auch wer zur Miete wohnt und kein eigenes Grundstück besitzt, kann Gartenglück erleben, kann mit den Händen in der Erde wühlen, mit den Kindern Pflanzen beim Wachsen zuschauen.

Zu verdanken ist das dem Leipziger Arzt Moritz Schreber. Der hatte Anfang des 19. Jahrhunderts die Idee von Kleingartenanlagen für ärmere Menschen in großen Städten. Die sollten Kindern Platz zum Toben bieten. Und die Erwachsenen sollten Obst und Gemüse für den Eigenbedarf anbauen können. Schreiber war Arzt - ihm ging es um Gesundheit.

Der Schrebergarten als Lebensretter

Mariannne Genenger-Hein vom Landesverband Rheinland Gartenfreunde (Foto: DW)
Expertin für Schrebergärten: Mariannne Genenger-HeinBild: DW

Aber schon gut hundert Jahre später standen nicht mehr Gartenarbeit und Gesundheit im Mittelpunkt, sondern das Vergnügen, berichtet Mariannne Genenger-Hein vom Landesverband Rheinland der Gartenfreunde: "In den 1920er-, 1930er-Jahren rückte mehr und mehr der Spaß in den Vordergrund." Während man im eigenen Garten Obst und Gemüse anbaute, hielt man gerne mal ein Schwätzchen mit dem Nachbarn. Diese Gespräche vertiefte man dann am Abend bei einem Glas Bier.

Geselligkeit wurde groß geschrieben. Mittlerweile gab es in jeder größeren deutschen Stadt gleich mehrere Kleingartenanlagen. Schließlich mussten diese Nacherholungsgebiete schnell zu erreichen sein - und zwar zu Fuß. Etwa zwei Jahrzehnte später kam den Schrebergärten eine nahezu überlebenswichtige Bedeutung zu. Die eigentlich als Geräteschuppen gedachten sogenannten Lauben oder Datschen wurden aus Not zur dauerhaften Bleibe umfunktioniert, erinnert sich Genenger-Hein: "Im Zweiten Weltkrieg, im Bombenhagel haben viele ihre Wohnungen verloren."

Wer dann eine kleine Laube im eigenen Schrebergarten besaß, konnte sich glücklich schätzen. Hatte er doch mit offizieller Genehmigung wenigstens noch ein Dach über dem Kopf. Hinzu kam der unschätzbare Vorteil, sich selbst und auch andere über das im Garten angebaute Obst und Gemüse mit frischen Lebensmitteln versorgen zu können

Geselligkeit wird immer wichtiger

Vorstandsmitglieder im Kleingartenverein (Foto: DW)
Auch ein Kleingartenverein braucht einen VorstandBild: DW

Nach dem Krieg entwickelte sich der Schrebergarten schnell wieder zu dem, was er zuvor schon gewesen war: Eine Oase im Grünen für den kleinen Mann, in der man Spaß haben und seinem Gartenhobby zu einem zivilen Preis frönen kann. Da dies in Gemeinschaft viel schöner ist, aber ohne die nötigen Regeln nicht funktioniert, gründete man Kleingartenvereine.

Die zählen zur Zeit etwa 1,2 Millionen Mitglieder. Fast alle wohnen in gemieteten Wohnungen. Im Gegensatz zu früher stammen die Kleingärtner heute aus allen Bevölkerungsschichten. Auch viele Zuwanderer gehören dazu. Besonders auffällig ist die wachsende Zahl junger Leute um die 30, die kleine Kinder haben. "Es ist nicht mehr spießig einen Garten zu haben, im Gegenteil, es ist "in"," erklärt die Expertin Marianne Genenger-Hein.

Allerdings ist es gar nicht so einfach, einen Garten in einer der insgesamt etwa 50.000 Hektar umfassenden Anlagen zu bekommen. In einigen Ballungsgebieten wie in Berlin oder Hamburg gibt es Wartelisten. Besonders attraktiv sind natürlich schöne und gepflegte Anlangen. So wie die des Vereins "Am Stammen" in Mönchengladbach. Hier kümmert man sich besonders um die Umwelt und Kinder. "Wir haben einen wunderschönen Lehrgarten, zwei Feuchtbiotope, ein Schmetterlingsbiotop, eine Duftecke und zwei Spielplätze, von denen einer sogar überdacht ist für die Kleinkinder", schwärmt die Ehrenvorsitzende, Kati Kahlen.

Blühende Aussichten

Spielplatz im Kleingartenverein (Foto: DW)
Viele Familien haben Schrebergärten - für die Kleinen gibt es dort auch einen SpielplatzBild: DW

Insgesamt macht die Anlage mit ihrem großen Vereinsheim, den vielen liebevoll gepflegten Gärten und den mit Split veredelten Fußwegen einen sehr gepflegten, fast schon parkähnlichen Eindruck. Die Reize der Kleingartenanlagen darf übrigens jeder zu einem Spaziergang nutzen, denn sie sind öffentlich. Ein solches Gartenparadies ist natürlich nur zu realisieren, wenn jedes Vereinsmitglied mit anpackt. "So etwas können sie nur auf die Beine stellen, wenn sie "Wir" sagen", betont Schriftführerin Liselotte Wilhelm.

Mittlerweile finden auf Länder- und Bundesebene sogar Schrebergartenwettbewerbe statt. Bewertet wird nicht nur die schönste Anlage. Bewertet werden auch soziale und karitative Leistungen - zum Beispiel die Versorgung von "Tafeln" (Organisationen für die kostenlose Abgabe von Lebensmitteln an Bedürftige) mit frischen Lebensmitteln. Und so muss einem um die Zukunft der Schrebergärten in Deutschland nicht Bange sein. Vorausgesetzt, die Anlagen gehen mit der Zeit. Die Parzellen sollten nicht größer sein als 300 Quadratmeter und auch technische Neuerungen wie Internetverbindungen sollten verfügbar sein. Denn der Kleingärtner der Zukunft will vor allem Spaß haben - und nicht allzu viel arbeiten.

Autor: Frank Gazon
Redaktion: Nicole Scherschun