1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutsche Städte wollen Migranten aufnehmen

11. September 2020

In Deutschland haben sich zehn Städte bereiterklärt, Flüchtlinge aus dem großenteils abgebrannten Lage Moria auf der griechischen Insel Lesbos zu beherbergen. Auch Abgeordnete aus Union und SPD machen sich dafür stark.

https://p.dw.com/p/3iJE3
Griechenland Lesbos | Brand in Flüchtlingslager Moria | Asylsuchende
Die Flüchtlinge aus Moria müssen vorerst auf den Straßen kampierenBild: picture-alliance/dpa/K. Ntantamis

In einem gemeinsamen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) haben die Stadtoberhäupter von zehn großen deutschen Kommunen ihre Bereitschaft bekundet, Flüchtlinge aus dem verwüsteten griechischen Camp Moria zu übernehmen. In dem Schreiben appellieren sie an Merkel und Seehofer, dafür den Weg zu ebnen, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet.

Der Brief wurde demnach von den Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern von Bielefeld, Düsseldorf, Freiburg, Gießen, Göttingen, Hannover, Köln, Krefeld, Oldenburg und Potsdam unterzeichnet. Sie wollen mit ihrer Initiative "einen humanitären Beitrag zu einer menschenwürdigen Unterbringung der Schutzsuchenden in Europa" leisten. Zugleich zeigen sich die zehn Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister "entsetzt darüber, dass es der Europäischen Union trotz vielfacher Warnungen nicht gelungen ist, diese Eskalation in Moria zu verhindern und die menschenunwürdigen Bedingungen in den Lagern an den europäischen Außengrenzen fortbestehen". Die Stadtoberhäupter betonen außerdem, europaweit seien Kommunen zur Mithilfe bei der Aufnahme der Flüchtlinge bereit.

Throm: kein deutscher Alleingang

Kein deutscher Alleingang?

Deutsche Kommunen und Bundesländer dürfen Flüchtlinge aber nicht ohne Zustimmung der Bundesregierung aufnehmen, da die die Entscheidungshoheit beim Bund liegt. Das Bundesinnenministerium lehnt es bisher ab, Flüchtlinge aus Griechenland im deutschen Alleingang aufzunehmen, und fordert eine gemeinsame europäische Initiative. Seehofer steht deswegen aber unter starkem innenpolitischen Druck.

Der Koalitionspartner SPD unterstellt ihm eine Blockadehaltung. SPD-Chefin Saskia Esken will nach einem Bericht der "Welt" die Frage im Koalitionsausschuss klären, sollte sich Seehofer "nicht bewegen". 25 SPD-Bundestagsabgeordnete appellieren zudem in einem Brief an den Minister, sich für eine Evakuierung der Lagers Moria einzusetzen. Auch aus der Union waren Stimmen laut geworden, die mehr Aufnahmen forderten, um die Lage in Griechenland zu entspannen. In einem Brief an Seehofer forderten 16 Unions-Bundestagsabgeordnete die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen. "Wir bitten Sie darum, dass Deutschland möglichst gemeinsam mit anderen EU-Staaten, aber notfalls auch alleine, 5000 Flüchtlinge vom griechischen Festland aufnimmt", heißt es in dem Schreiben. Es gehe jetzt nicht vorrangig darum, europäische Flüchtlingspolitik zu gestalten, "sondern offensichtliche menschliche Not zu lindern".

Griechenland Lesbos | Lager Moria nach den Bränden
Eine unbewohnbare Ruinenwüste - das Camp Moria nach den schweren BrändenBild: Reuters/A. Konstantinidis

Ausweg für 400 Minderjährige

Inzwischen sind mehrere EU-Staaten einer Bitte Griechenlands gefolgt und haben zugesagt, minderjährigen Flüchtlingen aus dem zerstörten Lager Schutz zu gewähren. Wie die Nachrichtenagentur AFP erfuhr, geht es um die Verteilung von rund 400 Menschen. "Deutschland und Frankreich werden sich daran beteiligen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Deutschland werde außerdem "sofort" dabei helfen, eine "neue und bessere Unterbringung" für die Menschen bereitzustellen, die von dem Brand in Moria betroffen sind. Vor einigen Wochen hat Deutschland bereits mehr als 460 unbegleitete Kinder, kranke Kinder und ihre Angehörigen aus den Flüchtlingslagern von den griechischen Inseln aufgenommen.

Griechenland Lesbos Mytilene | Unbegleitete Jugendliche aus Moria zum Festland geflogen
Am Mittwoch wurden etwa 400 minderjährige Flüchtlinge aus Lesbos zum Festland ausgeflogenBild: picture-alliance/dpa/AP/P. Balaskas

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bestätigte bei einem Besuch in Korsika, dass er gemeinsam mit Merkel eine europäische Initiative zur Aufnahme der Menschen plane. "Wir werden versuchen, eine möglichst große Zahl europäischer Länder zu bewegen, Flüchtlinge aufzunehmen, vor allem Minderjährige", sagte er.

Kurswechsel in Den Haag

Die Niederlande boten derweil an, etwa hundert Migranten aufzunehmen. Bisher hatte die Regierung von Premier Mark Rutte die Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland strikt abgelehnt. Nun hätten jedoch seine drei Koalitionspartner auf eine Änderung des Standpunktes gedrängt. Das Feuer habe die Lage dramatisch geändert, begründete die zuständige Staatssekretärin Ankie Broekers-Knol den Kurswechsel. Das Lager Moria war in der Nacht zum Mittwoch bei mehreren zeitgleichen Bränden fast vollständig zerstört worden. Statt der vorgesehenen 3000 Migranten waren dort mehr als 12.000 Menschen untergebracht. Tausende Menschen verbrachten die Nächte auf den Straßen rund um das zerstörte Lager Moria.

Der stellvertretende Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos schloss zunächst aus, dass auch erwachsene Migranten die Insel verlassen dürfen. Im Nachrichtensender Skai sagte er: "Wer denkt, er könne zum Festland und dann nach Deutschland reisen, der soll es vergessen." Erstmals sprach die griechische Regierung von Brandstiftung als Auslöser der zerstörerischen Flammen. "Das Feuer wurde von Menschen gelegt, die Asyl beantragt haben - als Reaktion auf die wegen des Coronavirus verhängte Quarantäne (in Moria), sagte Regierungssprecher Stelios Petsas. Es handele sich um Menschen, die "ihr Gastland nicht respektieren". Mit solchen Aktionen jedoch torpedierten diese Menschen jede Lösung. "Wir sagen es ihnen klipp und klar: Sie werden nicht wegen des Feuers die Insel verlassen." Gelungen sei den Brandstiftern lediglich, Tausende Menschen obdachlos zu machen.

kle/ack (dpa, afp, tagesschau.de)