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Neue Hochspannungsleitungen

22. März 2011

Die deutschen Stromübertragungsnetze sind an ihre Sicherheits- und Stabilitätsgrenzen gelangt und für die Zukunft nicht gerüstet. Das will die Bundesregierung nun ändern und zwar gesetzlich.

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Strommasten (Foto: AP)
Ohne Netzausbau kein regeneratives ZeitalterBild: AP

Der Paragraph 13 des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes ist so etwas wie ein Notstandsgesetz für die Betreiber von Stromnetzen. Er findet Anwendung, wenn es einen Überschuss an elektrischer Energie gibt. Das sei wegen der wachsenden Zahl an Windparks immer häufiger der Fall, sagt Wilfried Fischer vom Stromerzeuger Vattenfall: "Wir haben heute, wenn es Starkwind gibt und aus der Erzeugung der Windenergie viel Strom eingespeist wird und gleichzeitig in den fünf neuen Bundesländern wenig Strom verbraucht wird, einen extremen Überschuss an Windenergie, der abtransportiert werden muss." Das schaffe immer wieder Probleme, sagt Fischer. Vor allem eine spezielle Leitung, die von Thüringen nach Bayern führt, sei dann hoffnungslos überlastet.

3.600 Kilometer neue Leitungen notwendig

Offshore-Windpark (Foto: dpa)
Windräder stehen still bei überschüssiger EnergieBild: picture-alliance/dpa

Die Folge: Windparks müssen gedrosselt oder sogar ganz abgeschaltet werden. Allein in Schleswig-Holstein stehen immer wieder 40 Prozent der Windräder still. Das bestehende Leitungsnetz stammt aus einer Zeit, als Strom nach Bedarf erzeugt und nur über kurze Strecken transportiert wurde. Im Zeitalter von Wind-, Wasser- und Sonnenenergie mit schwankendem Ertrag ist das anders. Speicher für überschüssige Energie sind nötig, aber auch, so betont Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), ein kompletter Netzaus- und Umbau. "Wir brauchen 3.600 Kilometer neue Leitungen. Das entspricht der Strecke von Kiel nach München mal vier." Diese neuen Stromtrassen seien zwingend, so Brüderle, sonst gebe es zwar Offshore-Windparks an der Nordsee, doch der dort produzierte Strom könne nicht über die Lüneburger Heide hinaus weitergeleitet werden.

Neu ist diese Forderung nicht, bislang fehlten aber die politischen Rahmenbedingungen, um den Netzausbau voranzutreiben. Acht bis zehn Jahre dauern im Durchschnitt die Genehmigungsverfahren und am Ende ist nicht unbedingt klar, dass die neue Trasse auch gebaut wird. Das liegt weniger an den Kosten, die in den nächsten zehn Jahren auf insgesamt 20 Milliarden Euro geschätzt werden, sondern vielmehr daran, dass die meisten Bürger ablehnend reagieren, wenn vor ihrer Haustüre ein Hochspannungsmast aufgestellt werden soll.

Leitungen unterirdisch verlegen

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (Foto: AP)
Bundeswirtschaftsminister Rainer BrüderleBild: AP

Viele Kommunen bestehen darauf, dass die Leitungen unterirdisch verlegt werden. Denn das neue Netz wird mit höherer Spannung arbeiten, was es leistungsfähiger macht aber auch raumgreifender. Freilandmasten wären 70 statt 54 Meter hoch und die Leitungen 46 Meter statt 28 Meter breit. Experten halten eine komplett unterirdische Verlegung jedoch für nicht finanzierbar. In den Streit will sich die Bundesregierung jetzt mit einem Gesetz einschalten, das die Gemeinden notfalls dazu zwingen könnte, den Ausbau und damit Beeinträchtigungen hinzunehmen. Bundeswirtschaftsminister Brüderle kündigte ein Netzausbau-Beschleunigungsgesetz an mit stärkere Bundeskompetenzen: "Der Flickenteppich, den wir durch die Länder haben, muss reduziert werden."

Mit dem Gesetz will Brüderle ein bundeseinheitliches Genehmigungsverfahren einführen. Die Bundesnetzagentur soll in Abstimmung mit den betroffenen Ländern einen "Bundesnetzplan" entwerfen. Darin sollen die Trassen für neue Hochspannungsleitungen ausgewiesen werden. Im Interesse des Gemeinwohls müsste der Ausbau von Anwohnern hingenommen werden, eventuell gegen finanzielle Entschädigung.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung auch den europäischen Netzausbau forcieren. Es soll in Zukunft klare rechtliche Rahmenbedingungen für den Bau von grenzüberschreitenden Stromleitungen geben. Insbesondere die Koppelstellen zwischen den EU-Staaten gelten bislang als Nadelöhr und Hindernis dafür, dass Strom über Grenzen hinweg transportiert werden kann. Für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und einen Europäischen Strommarkt sind grenzüberschreitende Netze aber zwingend.

Autorin: Sabine Kinkartz

Redaktion: Monika Lohmüller