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Tornados nach Afghanistan?

Andreas Leixnering26. Januar 2007

Die NATO will deutsche Tornados zur Aufklärung in Süd-Afghanistan einsetzen. Die Bundesregierung wird wohl zustimmen. Die Bedenken bleiben groß.

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Aufklärungs-Tornados der Bundeswehr
Heiß begehrt: Aufklärungs-Tornados der BundeswehrBild: dpa

Sie tragen den Namen eines Wirbelsturms. Mit ihren hochauflösenden Kameras können Sie aus 2000 Metern Höhe Zigarettenschachteln am Boden fotografieren. Oder im Tiefstflug bis auf 30 Meter über dem Grund feindliches Radar austricksen. Wegen ihrer Ausstattung und Vielfältigkeit sind Tornado-Kampfjets nicht nur als Jagdbomber, sondern auch als Aufklärungsflugzeuge beliebt. Dann spricht man von Recce-Tornados. "Recce" steht für "Reconnaissance", zu Deutsch "Aufklärung".

NATO-Logo: Die Mitglieder des Nordatlantik-Pakts fordern mehr Einsatz von Deutschland
NATO-Logo: Die Mitglieder des Nordatlantik-Pakts fordern mehr Einsatz von Deutschland

Am Freitag (26.1.07) wollen die NATO-Außenminister über die Anfrage zur Entsendung von sechs Recce-Tornados der Bundeswehr nach Südafghanistan beraten. Die Entscheidung über ein "Lift Off" will Berlin nach dem Treffen des Rates fällen. Nach Äußerungen aus der Regierungskoalition wird mit einer Zustimmung gerechnet. Das offizielle Gesuch aus dem Brüssler Hauptquartier war bereits im Dezember per Fax im Verteidigungsministerium gelandet. Und hat bei Regierung wie Opposition für Wirbel gesorgt. Denn ein Ja hätte weitreichende Konsequenzen.

Einsatz macht Erweiterung des Mandats nötig

Bisher ist das Mandat der Bundeswehr im Rahmen der NATO-Mission ISAF auf den ruhigeren Norden Afghanistans beschränkt. Mit mehr als 2900 Soldaten sichert der drittgrößte Truppensteller unter den 37 beteiligten Nationen dort den Wiederaufbau des Landes. Im Süden hingegen kommt es immer wieder zu schweren Gefechten mit den Taliban. Im vergangenen Jahr übernahm hier die ISAF die Zuständigkeit von der US-geführten Operation Enduring Freedom. Seitdem drang die NATO mehrmals auf Unterstützung durch deutsche Soldaten im Süden.

Vom Aufbauhelfer zum Zielermittler?

Doch selbst eine bloß passive Beteiligung deutscher Soldaten an Kampfhandlungen könnte die Büchse der Pandora öffnen, fürchtet der Bundeswehrverband. Die Erkenntnisse, die die Recce-Tornados liefern sollen, seien "kein Selbstzweck, sondern sie dienen im wesentlichen der Zielermittlung", mahnt der Vorsitzende Bernhard Gertz. Damit seien sie Grundlage für militärische Maßnahmen gegen Al Kaida und die Taliban. "Mit der Lieferung von Aufklärungsergebnissen würden wir Teil des militärischen Kampfes gegen den Terrorismus in Südafghanistan werden", sagt Gertz. Bisher sieht sich die Bundeswehr dort nicht als Kampf- sondern als Friedenstruppe. Sollte es trotz dieser Bedenken dennoch zum Einsatz der Tornados kommen, müsse Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei der NATO im Gegenzug für dieses Engagement auf eine Änderung der Militär-Strategie drängen. Denn bei Bombardements vermeintlicher Terrorziele seien bereits "sehr viele Unschuldige" ums Leben gekommen.

Matin Baraki, Dozent für Internationale Politik an mehreren deutschen Universitäten, lehnt eine Entsendung von Tornados ebenfalls ab. In der Literatur sei oft die Rede von einer Liebesbeziehung zwischen Deutschen und Afghanen. "Werden die Deutschen zur Kriegspartei, wäre das Vertrauen erschüttert", so Baraki im Gespräch mit DW-WORLD. Gerade durch die Aufbauhilfe im Norden sei das Band noch fester geworden. Nichts spreche also dafür, der NATO-Anfrage nachzukommen. Ähnlich äußern sich Hilfsorganisationen wie die katholische Friedensbewegung Pax Christi.

Entscheidung nach NATO-Sitzung

Bundeswehrsoldaten im nördlichen Masar-i-Sharif
Bundeswehrsoldaten im nördlichen Masar-i-SharifBild: AP

Dennoch: Etliche Politiker der Regierungskoalition haben sich bereits zustimmend geäußert. Am Samstag wurde ein Erkundungsteam nach Afghanistan geschickt, um Informationen für die politische Entscheidung zu sammeln. Zwar ist auch in Berlin im Fall einer Zusage die Rede von einer "neuen Qualität" der deutschen Afghanistan-Politik. Doch eine Bereitstellung der Überschalljets könnte auch ein wenig Druck des stetigen Drängen zur Übernahme von mehr Verantwortung nehmen - oder aber als "Signal der Öffnung" verstanden werden, fürchtet ein Mitarbeiter des Kanzleramts. Auf der NATO-Sitzung solle der Außenminister deshalb zusätzlichen Forderungen nach deutschen Truppen für den Süden gleich einen Riegel vorschieben.

Zwei Füße - ein Schuh

Den Gegnern eines Tornado-Einsatzes ist eins gemeinsam: Sie wollen eine Änderung der bisherigen NATO-Strategie in Afghanistans Süden. Matin Baraki zitiert Statistiken, nach denen das Verhältnis zwischen dem Budget für Wiederaufbau auf der einen und den Mitteln für Militäraktionen auf der anderen Seite bei 1:900 liege. "Eine Ausweitung des zivilen Aufbaus kann den Taliban auch im Süden und Osten den Wind aus den Segeln nehmen", so der Politikwissenschaftler. Hilfe zum Wiederaufbau einerseits und Bombardements, denen unschuldige Menschen zum Opfer fallen, andererseits - das gehe nicht zusammen. "Wie schon ein afghanisches Sprichwort sagt: 'Zwei Füße passen nicht in einen Schuh.'"