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Energiewirtschaft blickt nach Lateinamerika

Oliver Pieper20. November 2008

Das Interesse der deutschen Wirtschaft an Lateinamerika wächst. Die deutschen Unternehmen setzen dabei besonders auf den Energiesektor.

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Sonne und Wind zur Energieerzeugung gibt es in Lateinamerika im ÜberflussBild: AP

Stark und stetig wie sonst an nur wenigen anderen Orten auf der Welt weht der Wind in Patagonien im Süden Argentiniens. Kalte Luft von der Westküste des südamerikanischen Kontinents strömt über den Gebirgszug der Kordilleren hinüber auf die wärmere Ostseite – und das mit Windgeschwindigkeiten von zehn bis 12 Metern pro Sekunde. Doch Windkraftanlagen gibt es in Argentinien trotzdem nur wenige. Der deutsche Unternehmer Lutz Kindermann sieht gerade auf diesem Sektor Chancen für deutsche Investoren: "Lateinamerika ist ein Wachstumsmarkt und steckt, was die erneuerbaren Energien angeht, natürlich noch in den Kinderschuhen. Wir bringen Erfahrungen mit aus Deutschland und Europa, die wir gut in Lateinamerika mit einbringen können, um dort auch die erneuerbaren Energie weiter voranzutreiben."

Argentinien Patagonien
Die Windverhältnisse in Patagonien sind ideal zur StromerzeugungBild: picture-alliance/ dpa

Kindermann arbeitet als Projektmanager für die Firma WPD, die auf die Planung und den Bau von Windkraftanlagen spezialisiert ist und die jetzt auch Argentinien und Chile als Markt entdeckt hat.

Politische Rahmenbedingungen fehlen

Rund 2.000 deutsche Unternehmen investieren zwischen dem Rio Grande und Patagonien derzeit 60 Milliarden Dollar - nur Firmen aus den USA und Spanien sind noch stärker engagiert. Damit knüpfen die Deutschen an ihre Rolle als größter Auslandsinvestor in Lateinamerika an, die sie in den 90er Jahren verloren hatten.

In den kommenden zwei Jahrzehnten werden ausländische Unternehmen über eine Billion US-Dollar im lateinamerikanischen Energiesektor investieren. Und das obwohl die Regierungen von Mexiko bis Feuerland die Chancen dieser Energiegewinnung noch gar nicht richtig erkannt haben, gibt der Energieexperte Sergio Restrepo Isaza zu: "Der prozentuale Anteil von erneuerbaren, sauberen Energien am Energiehaushalt ist äußerst gering in Lateinamerika. Doch es gibt diesbezüglich leider keine klare Wirtschaftspolitik", bedauert Restrepo. Seiner Ansicht nach müssten die Regierungen die Gewinnung erneuerbarer Energien mehr fördern, durch Subventionen zum Beispiel. "Dann würden auch die Unternehmen, die alle technischen Möglichkeiten besitzen, es wagen hier zu investieren."

Bisher ist vom Energiereichtum in Lateinamerika noch wenig zu spüren. Stattdessen leiden Länder wie Argentinien unter einer Energienot. Und das liegt nicht zuletzt an den Regierungen, die den ausländischen Unternehmern oftmals das Leben schwer machen, klagt Lutz Kindermann: "Wir stoßen immer wieder an Hürden oder Herausforderungen im Bereich der Finanzierung, im Bereich des Rechts." Man brauche ein "dickes Fell", sagt Kindermann, gibt sich aber zuversichtlich: "Es ist eine Herausforderung. Die Bedingungen für Windenergie in Argentinien sind hervorragend. Das Land wird perspektivisch wachsen."

Investoren durch linke Regierungen abgeschreckt

Aus lange Zeit wachsen will auch Bolivien, das über große Erdgas- und Erdölvorkommen verfügt. Präsident Evo Morales hat den Energiesektor seines Landes vor zwei Jahren nationalisiert, um mit den Einnahmen die extreme Armut in dem Andenstaat zu bekämpfen. Internationale Geldgeber bleiben Bolivien aber seitdem fern. Luis Enrique Berrizbeitia von der Entwicklungsbank der Andenstaaten meint zwar, es sei "nichts besonderes, dass ein Land wie Bolivien an den eigenen Gasvorkommen mehr verdienen will als früher. Aber es ist wichtig, dass dies so gemacht wird, dass die ausländischen Investitionen langfristig weiter fließen können und dass auch die Entwicklung dieser Ressourcen für lange Zeit gesichert ist."

Bolivien stoppt Verstaatlichung
Bolivien hat die Gas- und Ölvorkommen nationalisiert, ist aber weiterhin auf ausländische Investoren angewiesenBild: AP

Ähnlich schwierig ist auch die Zusammenarbeit mit Argentinien in der Energiepolitik. Die Infrastrukturnetze des Landes sind marode, die Gewinnung von Windenergie bleibt somit deutlich hinter dem Potenzial zurück. Es werde noch dauern, bis Windräder ganz Patagonien bevölkern, meint Lutz Kindermann: "Die Energie muss ja zum Verbraucher transportiert werden. Die großen Verbrauchszentren sind eher im Norden, in Buenos Aires. Es muss auch ein politisch und wirtschaftlich stabiles System dahinter stehen, dann wird man auch die erneuerbaren Energien in Zukunft in Argentinien verstärkt sehen."

Gute Aussichten

Fazit des Lateinamerikatages: der Energiesektor in Lateinamerika ist für deutsche Unternehmen ein vielversprechender, wachsender Markt. Doch nicht nur auf diesem Sektor lohnt es sich für deutsche Unternehmen zu investieren. Die Region lockt mit soliden Wachstumsraten von drei Prozent aufwärts. Rolf-Dieter Acker von der BASF Südamerika ist deshalb für die Zukunft optimistisch: "Südamerika wird wieder mehr in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Erstens ist Südamerika ein wichtiger Versorger in Sachen Landwirtschaft und Lebensmittel. Dazu kommen Bereiche wie Energie, aber auch Bergbau. Südamerika verfügt über wichtige Reserven an Eisenerz, Gold, Silber, Kupfer - viele Dinge, die für die technische Entwicklung notwendig sind."