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Russland in der Krise

Eric Albrecht14. Dezember 2008

Die Wirtschaftskrise hat längst auch Russland erreicht - mit deutlich stärkeren Auswirkungen als in Deutschland. Das spüren auch die deutschen Unternehmer in Russland: Zwei Drittel der Firmen rechnen mit Verlusten.

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Deutsche Post in Russland
Viele deutsche Unternehmen haben in den Boom-Zeiten in Russland investiertBild: picture-alliance/dpa

Aus einem Rohrsystem aus Edelstahl fließt eine gelbliche Flüssigkeit in große Kanister: Konzentrat für Saftgetränke. Erst im September hat die Darmstädter Firma Döhler nahe Moskau ihr erstes Werk in Russland in Betrieb genommen. Doch jetzt spürt auch Geschäftsführer Oleg Meisinger die Krise. Denn viele Banken scheuen sich angesichts der Finanzkrise, Kredite zu vergeben. Und manchem russischem Partner fehlt schlicht das Geld, um pünktlich zu zahlen. "Die eigenen Mittel reichen nicht aus, um das Geschäft weiter zu entwickeln", sagt Meisinger. "Und die Warenkredite, die wir an Kunden vergeben, werden nicht rechtzeitig bezahlt."

Ende vom Boom

Handvoll Rubel. Quelle: ap
Der Rubel rollt nicht mehr - den Firmen fehlt das GeldBild: AP

Vom einstigen Boom-Markt Russland ist nicht viel übrig geblieben. Vielen Firmen fehlt das Geld für neue Investitionen. In der Vergangenheit konnten deutsche Unternehmen in Russland Zuwachsraten von bis zu 60 Prozent vorweisen. Insgesamt wuchsen Deutschlands Exporte nach Russland 2007 um 20 Prozent auf über 28 Milliarden Euro. Doch Russlands Bankensystem ist weltweit mit am stärksten von der Krise betroffen.

Nach Berechnungen der Weltbank soll sich das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr mehr als halbieren – auf nur noch drei Prozent. Der sinkende Ölpreis schränkt den Handlungsspielraum des Kreml zusätzlich ein. Zwei Drittel der deutschen Unternehmen rechnen nach einer Studie der deutsch-russischen Außenhandelskammer mit negativen Auswirkungen durch die Krise.

Trotzdem werden viele von ihnen mit Raten von 10 bis 15 Prozent immer noch schneller wachsen als in Deutschland, sagt Michael Harms, Vorsitzender der Außenhandelskammer. "Die Unternehmen haben ihre Pläne, ihr Personal und ihre Investitionsvorhaben auf ein hohes Wachstum eingestellt", so Harms.

Partner zahlen nicht

Moscow City Baustelle
Auf der Großbaustelle des Prestigeprojektes Moscow-City ruht die ArbeitBild: DW-TV

Schon jetzt berichten deutsche Unternehmen zunehmend über Schwierigkeiten: Die russischen Partner stornieren Bestellungen, bezahlen ihre Rechnungen zu spät. Selbst bereits beschlossene Projekte werden auf Eis gelegt. Vor allem die Baubranche, der Finanzsektor und der Handel leiden in Russland unter der Krise. Selbst Großbaustellen wie das Prestigeprojekt Moscow-City stehen bis auf weiteres wegen Geldmangels still. Dabei soll dort das höchste Gebäude Europas entstehen.

Enge Kooperation

Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold, warnte vor kurzem in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt", dass der deutsche Export nach Russland zurückgehen könnte. Michael Harms ist überzeugt, dass sich jetzt Durchhaltevermögen auszahlt: "In diesen schwierigen Zeiten wird hier eine enge Kooperation, Kommunikation mit den Kunden und die Suche nach gemeinsamen Lösungen sehr hoch angerechnet. Das kann sogar dazu führen, dass wir gestärkt aus der Krise gehen."

Viele in Russland erinnern sich derzeit an die Rubelkrise von 1998. Doch im Gegensatz zu damals bemühten sich russische Unternehmen bei Zahlungsschwierigkeiten heute, gemeinsam mit ihren Partnern eine Lösung zu finden.

Kunden prüfen

Auch die Lebensmittelfirma Döhler muss ihre Kunden stärker prüfen. Denn in der Krise können selbst starke Unternehmen pleite gehen, so Oleg Meisinger. "Wir stecken im Dilemma, dass wir erkennen müssen, welche Kunden in der Zukunft doch bestehen bleiben", sagt Meisinger. "Wenn wir die jetzt nicht mehr beliefern, kann es dazu führen, dass sie später nicht mehr bei uns kaufen, weil wir sie im Stich gelassen haben. Das ist ein kaufmännisches Risiko, dass man sehr gut abwägen muss."

Trotz allem: Wachstum

Ölhahn einer Raffinerie. Quelle: ap
Russland ist Öl-Land - davon profitieren auch ausländische InvestorenBild: AP

Aber trotz allem: Auch Döhler rechnet mit über 15 Prozent Wachstum. Das hängt vor allem davon ab, ob die russischen Partner weiter zahlungsfähig bleiben. Das neue Werk in Russland wird der Firma in der Krise helfen, hofft Meisinger: "Wir können die finanziellen Vorteile wie zum Beispiel Zollvorteile oder Nutzung der lokalen Rohstoffe natürlich auch preislich an unsere Kunden weitergeben."

Trotz aller Schwierigkeiten bleibt Russland ein attraktiver Markt für deutsche Unternehmen, so das Ergebnis einer Studie der Außenhandelskammer. Doch es scheint, als ob sich das Land in Zukunft mehr um Investoren bemühen muss, meint Michael Harms. "Die notwendigen strukturellen Reformen müssen hier vorangetrieben werden, um das Investitionsklima zu verbessern. Ansonsten werden noch mehr Investoren das Land wieder verlassen."