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Politik

Deutsche Waffen töten im Jemenkrieg

Nermin Ismail
6. Februar 2019

Amnesty International wirft den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, jemenitische Milizen mit importierten Rüstungsgütern zu versorgen. Die Waffen kommen aus dem Westen - auch aus Deutschland.

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Jemen | Bewaffnete Huthi-Rebellen
Bild: picture-alliance/dpa/H. Al-Ansi

Gerade erst hatte der Besuch von Papst Franziskus der Öffentlichkeit ein positives Bild der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) vermittelt. Mit dem Empfang des Oberhauptes der katholischen Kirche wollten die VAE sich als toleranter, friedlicher Staatenbund inszenieren. Doch nicht einmal 24 Stunden später publiziert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) einen Bericht, in dem den Emiraten illegale Waffengeschäfte vorgeworfen werden. Die Amnesty-Recherche "zeigt auf, wie die VAE jemenitische Milizen ohne jeden Skrupel mit moderner Waffentechnologie ausstatten". So sollen Panzerfahrzeuge, Mörsersysteme, Gewehre, Pistolen und Maschinengewehre in großem Umfang in den Jemen gelangt sein.

"Diesen Milizen werden Kriegsverbrechen und andere schwere Menschenrechtsverstöße vorgeworfen. Das Erstarken der Milizen im Jemen ist eine Katastrophe für die dortige Zivilbevölkerung. Tausende Zivilpersonen sind im Zuge des Konflikts bereits getötet worden, und Millionen Menschen befinden sich am Rande einer Hungersnot", heißt es im amnesty-Bericht. Doch trotz der schweren Menschenrechtsverstöße, die den VAE und den von ihnen unterstützten Milizen vorgeworfen werden, haben unter anderem Deutschland, Belgien, Frankreich und Großbritannien erst kürzlich Rüstungsexporte an die VAE genehmigt oder durchgeführt.

"Weitergabe unzulässig"

"Es gibt bei solchen Rüstungsdeals Endverbleibserklärungen, wonach bestätigt werden muss, dass die Waffen nicht weitergegeben werden", erklärt Max Mutschler, Politikwissenschaftler und Friedensforscher am Bonn International Center for Conversion (BICC). "Wir müssen davon ausgehen, dass die Weitergabe im Bruch mit dieser Erklärung passiert ist." Obwohl das einen klaren Verstoß gegen das bestehende Regelsystem bedeutet, wurden solche Vergehen in den vergangenen Jahren nicht sanktioniert. "Es ist nicht der erste Fall, bei dem Waffen an Regierungen geliefert wurden, die diese an Dritte weitergaben, und es sind keine Sanktionen erfolgt. Es ist ein sehr schwaches Regelungssystem", kritisiert Mutschler.

Seit Ausbruch des Konfliktes im Jemen haben westliche Staaten Waffen im Wert von mindestens 3,5 Milliarden US-Dollar an die Emirate geliefert. Im Jemen herrscht seit März 2015 Krieg zwischen den vom sunnitischen Saudi-Arabien und anderen arabischen Staaten unterstützten Truppen des Präsidenten und den schiitischen Huthi-Rebellen, hinter denen der Iran steht. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden in diesem Konflikt bereits mehr als 10.000 Menschen getötet, unter ihnen tausende Zivilisten.

Deutsche Waffen im Wert von knapp einer halben Milliarde Euro

Alleine in den vergangenen drei Jahren betrug der Wert der Genehmigungen deutscher Rüstungsexporte an die VAE 490 Millionen Euro. Damit gehören die Emirate zu den größten Abnehmern deutscher Waffen überhaupt. Deutschland hatte allein 2017 Waffenexporte in Höhe von 1,3 Milliarden Euro an die Länder genehmigt, die am Jemenkrieg beteiligt waren. Dabei heißt es im Koalitionsvertrag vom März 2018: "Wir schränken die Rüstungsexporte für Drittländer weiter ein, die weder NATO- noch EU-Mitgliedsländer sind. (...) Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind." 

Berlin PK Kirchen zu Rüstungsexporten
Politikwissenschaftler Max M. Mutschler empfiehlt der deutschen Bundesregierung ein Waffenembargo gegen die VAEBild: Imago/Metodi Popow

Tatsächlich sind im Vorjahr weniger Rüstungsexporte an die VAE genehmigt worden, allerdings ist noch unklar, wie dies in Zukunft gehandhabt werden soll.

"Keine Ausnahme mehr"

Der Rüstungsexportbericht weist zwar Zahlen über das Gesamtvolumen von Rüstungsexporten aus. Er gibt jedoch nicht an, welche konkreten Rüstungsgüter oder Waffensysteme geliefert werden. Mehr als die Hälfte der deutschen Exporte ging nicht an NATO- oder EU-Mitglieder, sondern an Drittstaaten. Neben den VAE sind Saudi-Arabien, Katar, Ägypten und auch Algerien Hauptkunden deutscher Rüstungsgüter. "Ein Ungleichgewicht", nennt das Politikwissenschaftler Mutschler. "Es hieß, dies sei eine Ausnahme. Aber nach mehr als sieben Jahren in Folge kann man nicht mehr von einer Ausnahme sprechen."

"Europäische Kampfflugzeuge wie Tornado und Eurofighter, in denen auch deutsche Teile verbaut sind, werden im Jemen genutzt, um auch Ziele am Boden zu bombardieren. Wir wissen auch, dass immer wieder zivile Ziele wie Krankenhäuser und Schulen getroffen werden", so Mutschler zum Einsatz der Rüstungsgüter im Jemen. Damit verstoßen die VAE und die anderen Staaten, die an den Luftangriffen beteiligt sind, gegen das humanitäre Völkerrecht.

Jemen | Bewaffnete Sympathisanten der Huthi-Rebellen
Bewaffnete Sympathisanten der Huthi-Rebellen in Jemens Hauptstadt Sanaa halten unter anderem deutsche Waffen hochBild: Getty Images/AFP/M. Huwais

Massiv zugenommen haben die Exporte von Kleinwaffen, vor allem von Maschinenpistolen an die VAE. "Gerade bei Kleinwaffen gibt es die Gefahr der unerlaubten Weitergabe, vor allem bei der Bewaffnung von Milizen ist diese Gefahr sehr groß. Denn sie sind leicht zu transportieren und schwer zu kontrollieren", sagt Mutschler. Neben Kleinwaffen liefert Deutschland vor allem auch Komponenten, also Teile die in Waffensystemen verbaut werden, beispielsweise in gepanzerten Fahrzeugen.

"Keine Bereitschaft für ein Waffenembargo"

Mutschler plädiert für ein Waffenembargo gegen die VAE und alle Länder, die im Jemen kämpfen; im besten Falle europaweit. Doch dazu fehle der politische Wille. Obwohl sich Deutschland dazu bereits im Koalitionsvertrag bekannt hat, ist die Bundesregierung immer noch nicht in der Lage, klar zu definieren, wen sie eigentlich als am Jemenkrieg Beteiligten sieht. Zwar stoppte Berlin bereits Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien - als Reaktion auf den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi. "Damit ist es nicht getan", sagt Mutschler. "Das ist nur temporär, das müsste ausgeweitet werden auf andere Länder der Jemenkriegs-Koalition."