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Die Krimi-Crème 2010

16. Februar 2010

Die Jury hat entschieden: Drei Männer haben beim Deutschen Krimi Preis 2010 die Nase vorn. Alle drei sind alte Bekannte in der Krimiszene.

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Krimiautor Ulrich Ritzel (Foto: Sven Paustian)
Krimiautor Ulrich RitzelBild: Sven Paustian

Krimipreise sind für Verlage und Autoren ziemlich wichtig: Als Verkaufsinstrument – und als Anerkennung für herausragende Autoren. Außerdem können sie Orientierung für Leser bieten: So also verlaufen die wichtigsten Entwicklungen in der deutschsprachigen Kriminalliteratur!

Der wichtigste deutsche Krimipreis

Nun existieren hierzulande diverse Auszeichnungen für Kriminalschriftsteller: Der "Glauser" etwa, der von Schriftstellern für Schriftsteller vergeben wird. Die monatliche Krimiwelt-Bestenliste samt Jahresauswertung, erstellt von einer Kritikerjury. Oder aber der Deutsche Krimi Preis, über den Kritiker und Buchhändler gemeinschaftlich entscheiden. Von den bekannten Krimi-Auszeichnungen ist dieser Preis sicherlich der bedeutendste, weil er die Urteilskraft diverser Leser-Experten in einem Punktesystem zu einer demokratischen Entscheidungsfindung bündelt.

Der beste deutsche Krimi des Jahres

Buchcover Ulrich Ritzel: Beifang (btb)

Dass Ulrich Ritzel mit seinem Roman "Beifang" auf den ersten Platz im Bereich der deutschsprachigen Veröffentlichungen gewählt wurde, belegt zweierlei: So richtig packend Frisches war im Jahrgang erstens nicht zu haben, also hat man sich auf gut Bewährtes konzentriert; den siebten Band einer Reihe wählen die Experten nicht ohne Not einfach so zum Jahrgangsbesten.

Ulrich Ritzel, so Erkenntnis Nr. 2, ist auch mit unspektakulären Geschichten ein ganz Großer des Krimis Made in Germany: Ein Bundeswehr-Kriegsheimkehrer steht vor Gericht, weil er seine Frau getötet haben soll; ein klein scheinender Fall erstmal; dann aber wird der Anwalt des Angeklagten von einem Zug überrollt – und plötzlich ist die Story Teil eines Handlungsmosaiks, das letztlich ein gesellschaftliches Panoptikum von den Vierziger Jahren bis heute darstellt, und das auf perfekt temperierte, bodenständige, angenehm unaufgeregte Weise. Große Literatur mit Gefühl für kleine Charaktere, die dann noch einmal gekrönt wird, wenn der Autor in brillanten atmosphärischen Sequenzen das ausformuliert, was er vermutlich als Journalist nie so sagen konnte.

Zwei alte Bekannte mit bester Unterhaltung auf dem Treppchen

Buchcover Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht (Zsolnay)

Auf Rang 2 Friedrich Ani, ebenfalls ein Gesellschaftschronist par excellence, der schon 2002 und 2003 jeweils einen Deutschen Krimi Preis gewann. Diesmal wurde Ani für seinen herausragenden Roman "Totsein verjährt nicht" ausgezeichnet, in dem Ermittler Polonius Fischer, der Ex-Mönch, vor allem an einem Fall zu knabbern hat: Ein Jugendlicher behauptet, ein Mädchen gesehen zu haben, das sechs Jahre zuvor verschwand – und für dessen Ermordung seinerzeit ein geistig Behinderter abgeurteilt wurde, obwohl man niemals eine Leiche fand. Sehr leidenschaftliche, sehr düstere und sehr trostlose, vor allem aber sehr packende, realistische und gelungene Literatur.


Ganz im Gegensatz zu Jörg Juretzka, der mit seinem Roman "Alles total groovy hier" überraschend auf dem dritten Platz landete. Auch Jörg Juretzka, der Dritte im Bunde, wurde bereits zwei Mal mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet, 1999 und 2001. In "Alles total groovy hier" reist Detektiv Kristof Kryszinski nach Spanien, um einen Rockerkumpel zu suchen, der dort verschwunden ist, samt eines nicht unerheblichen Betrages aus der Kasse des Bikerclubs. Statt sommerlicher Idylle trifft Kryszinski eine Siedlung von Hippies, die am Strand leben und irgendwie mit Schissers Verschwinden zu tun haben … und daraus entwickelt sich ein bissiger Krimiplot, der lakonischen Witz und gesellschaftliche Realität sehr böse, fast zynisch, in jedem Fall aber gelungen zusammenbringt.

Buchcover Jörg Juretzka: Alles total groovy hier (Rotbuch Verlag)

Deutscher Krimi auf gleichbleibend hohem Niveau

Die Preisträger sind, alles in allem, hervorragende Vertreter ihrer Zunft; ihre Romane haben den Deutschen Krimi Preis verdient; man darf hoffen, dass sie nun möglichst viele, noch mehr Leser finden. Über die Trends und Entwicklungen in der deutschsprachigen Kriminalliteratur berichtet ihre Prämierung indes vor allem eines: Die Spitzenvertreter der deutschsprachigen Kriminalliteratur arbeiten weiter auf hohem Niveau. Ein guter und nahrhafter Boden für neue Entwicklungen, die man dann hoffentlich in den nächsten Jahren bestaunen wird können.


Autor: Ulrich Noller
Redaktion: Gabriela Schaaf


Ulrich Ritzel: Beifang. Bertelsmann Verlag, 2009. 464 S., 19,95 Euro
ISBN 978-3442751815

Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht. Zsolnay Verlag, 2009. 284 S., Euro 19,90
ISBN 978-3552054707

Jörg Juretzka: Alles total groovy hier. Rotbuch, 2009. 222 S., Euro 16,90
ISBN 978-3-86789-064-9