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Grau gewinnt: Deutscher Umweltpreis für Betonrecycling

26. Oktober 2016

Europas höchstdotierter Umweltpreis setzt ein Zeichen - und zwar gegen unsere Wegwerfmentalität. Die diesjährigen Preisträger haben bewiesen, dass Beton alles andere als grau und langweilig ist.

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Haus Bau Winter Schnee Beton
Bild: Fotolia/Cmon

Nicht die Exporte, sondern der anhaltende Bauboom ist neben dem privaten Konsum die Stütze der deutschen Wirtschaft. Historisch niedrige Hypothekenzinsen und der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum durch die Zuwanderung von Flüchtlingen hält Baubehörden, Architekten und Handwerker auf Trab.

Bis jetzt erteilten die Ämter 26,1 Prozent mehr Baugenehmigungen als im gesamten Vorjahr. Und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) rechnet weiterhin mit einem jährlichen Bedarf von jährlich 350.000 bis 400.000 neuen Wohnungen.

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Hochhäuser aus Beton prägen das Stadtbild Berlins Bild: rbb

Andererseits gibt es viele Gebäude, die abgerissen werden. Bisher wurde der Schutt deponiert. "Was für eine Ressourcenverschwendung", waren sich Angelika Mettke und Walter Feeß einig: Die Uni-Professorin aus Cottbus-Senftenberg machte sich an die Arbeit, Konzepte und Verfahren zur Wiederverwertung von Beton zu erforschen.

Unternehmer Feeß aus Kirchheim/Teck wagte sich als erster seiner Branche im Bundesland Baden-Württemberg daran, Beton, Asphalt und anderen Bauschutt zu recyceln. Für ihren Einsatz werden die beiden nun mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. "Würden die Innovation und das große Engagement von der gesamten Baubranche aufgenommen, ließe sich mittelfristig etwa ein Drittel des Rohstoffbedarfs über Recyclingstoffe decken", begründet die Jury der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ihre Entscheidung. 

Bauboom ist Betonboom

Ein Gebäude ganz ohne Beton? Undenkbar! Denn der Werkstoff Beton hat viele Vorteile: Schneller sind Wände oder Bodenfundamente aus Flüssigbeton gegossen als Stein für Stein gebaut. Im festen Zustand speichert Beton Wärme, gibt Kälte ab, dämmt den Schall und sorgt für angenehmes Raumklima. Er bietet Schutz gegen Feuchtigkeit und Feuer, ist formbar, langlebig und optisch unauffällig. Und er schont Ressourcen im Vergleich zu Natur- oder Verbundsteinen oder Holz - und schützt daher Lebensräume von Pflanzen und Tieren. 

Da Beton kein Rohstoff ist, sondern ein Zement-Gemisch, plus Kies, Sand, Bindemittel und Wasser, kann er an jeder Baustelle in einem Betonmischer angerührt werden. Das spart Transportkosten. Trotzdem zählt die Betonherstellung zu den energieintensivsten Produktionsverfahren.

Zur Herstellung von Zement werden Kalkstein, Ton, Sand und Eisenerz gemahlen und bei über 1000 Grad gebrannt.

Dabei wird viel Energie verbraucht und klimaschädliches CO2 freigesetzt, das in die Atmosphäre gelangt. Etwa vier Prozent der weltweiten Emissionen fielen 2012 bei der Beton-Produktion an.

Verwerten statt Deponieren 

Hinzu kommt, dass Beton nach dem Abbruch in der Landschaft deponiert wird. "Ein Ärgernis", fand Angelika Mettke, die in der DDR aufwuchs. Nach der Wende musste sie miterleben, wie die Abrissbirnen den zahlreichen Hochhäusern zu Leibe rückten, die liebevoll "Platte" genannt wurden. "In den Betonplatten steckt so viel Material und Energie, deshalb war es mir ein großes Anliegen, diese in der Wertschöpfungskette - insbesondere im Hochbau - zu erhalten", begründet Mettke ihre umfangreichen Untersuchungen auf Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten. Das Problem: Der Beton ist belastet, weil das Material Schadstoffe aus Öl, Kraftstoffen oder Lacken aus der Umwelt oder durch die Oberflächenbehandlung aufnimmt. 

DBU-Deutscher Umweltpreis 2016 Walter Feeß
Recycelt Gestein aus Beton: Unternehmer Walter FeeßBild: Auerbach/DBU

Feeß entwickelte eine Waschanlage mit, in der sich wertvolle und gering schadstoffbelastete Rohstoffe zurückgewinnen lassen, um sie der Wiederverwertung zuzuführen. Für seine Innovation erhielt Walter Feeß den Umweltpreis "Grüner Engel 2016" und als erstes Unternehmen in Deutschland die EU-Zulassung zur Produktion und den Einsatz von Recycling-Beton im Hochbau. 

Multitalent Beton

Dieser Recyclingbeton, RC-Beton genannt, unterscheidet sich in den Eigenschaften nicht von frisch gegossenem Beton. Das zeigt auch die Praxis. Ein zum weltbekannten Krankenhaus "Charité" zugehöriges Laborgebäude wurde fast vollständig aus RC-Beton gebaut. Und der Berliner Senat hat sogar beschlossen, für Hochbauten künftig Recyclingbeton zu verwenden. In Mettkes ostdeutscher Heimat existieren mittlerweile 30 Wohngebäude, Sport- und Vereinshallen, die aus runderneuerten Betonplatten bestehen. Im Praxistest konnte Mettke sogar nachweisen, dass gebrauchte Betonelemente die Stabilität von Deichen in Hochwasser gefährdeten Zonen verbessern.

DBU-Deutscher Umweltpreis 2016 Prof. Dr.-Ing. Angelika Mettke
Professorin für Bauliches Recycling: Angelika MettkeBild: Weisflog/DBU

Die Recycling-Experten Angelika Mettke und Walter Feeß werden am Sonntag (30.10.2016) in Würzburg von Bundespräsident Joachim Gauck geehrt. Die mit 500.000 Euro dotierte Auszeichnung teilen sie sich mit Fairphone-Gründer Bas van Abel. Der Niederländer entwickelt und vermarktet ein zerlegbares und unter fairen Bedingungen hergestelltes Smartphone.

"Die momentane Wegwerfmentalität ist keine Alternative für die Zukunft. Die diesjährigen Preisträger zeigen mit innovativem Pioniergeist Auswege und Perspektiven auf“, lobte Rita Schwarzelühr-Sutter, Jury-Mitglied und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Die drei Preisträger seien kreative Wegbereiter für eine nachhaltige Nutzung von wertvollen Ressourcen.