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Politik

Ein Jahrhundert-Pakt mit Afrika?

Daniel Pelz
30. Juni 2020

Afrika soll ein Schwerpunkt sein, wenn Deutschland im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Einfach wird es für die Bundesregierung aber nicht. Bei wichtigen Themen liegen Europa und Afrika weit auseinander.

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Angela Merkel und Alassane Ouattara sitzen auf einem Sofa (Foto: Picture Alliance)
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ivorisches Präsident Alassane Ouattara 2017 in AbidjanBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Corona-Krise wirbelt das Programm der Bundesregierung für den EU-Vorsitz ordentlich durcheinander. Auch beim Thema Afrika: "Bereits jetzt ist absehbar, dass viele Länder Afrikas massiv unter den sozioökonomischen Folgen der Pandemie leiden werden. Wir müssen gemeinsam eine Antwort auf die Frage finden, wie diese Folgen abgemildert werden können", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende Mai bei einer Grundsatzrede zur deutschen EU-Politik. Und Corona ist nicht alles. Klima, Migration, Wirtschaftsentwicklung, Sicherheit - alles Themen, die Deutschland in den sechs Monaten Präsidentschaft mit Afrika angehen will.

Konkrete Zusagen machte Merkel aber nicht. Anders als ihr Entwicklungsminister, der während der deutschen Präsidentschaft eine ganze neue Ära der Partnerschaft einläuten wollte. "Der EU-Afrika-Pakt muss ein Jahrhundert-Vertrag werden", sagte Gerd Müller dem "Handelsblatt" im Januar.

Keine Einigung in zentralen Fragen

In der Realität sind die Dinge einige Nummern kleiner. Zwar will die EU tatsächlich eine neue Art der Partnerschaft mit Afrika. Beim geplanten EU-Afrika-Gipfel im Oktober könnte ein entsprechender Vertrag feierlich unterzeichnet werden. Sicher ist das aber nicht, nicht nur wegen der Corona-Krise.

Donald Tusk, Alpha Conde und Jean-Claude Juncker an Rednerpulten (Foto: Reuters)
Der letzte AU-EU-Gipfel fand 2017 in der Elfenbeinküste stattBild: Reuters/L. Gnago

Von einem Jahrhundertpakt ist keine Rede mehr. Beide Seiten liegen in zentralen Fragen weit auseinander. "Afrika und Europa haben gemeinsame Interessen beim Thema Handel, bei Migration, bei Frieden und Sicherheit. Wir haben eine gemeinsame Geschichte. Doch trotz all dem, trotz aller gemeinsamen Verträge ist unser Kontinent noch immer nicht aus dem kolonialen System herausgekommen, ein reiner Rohstofflieferant zu sein. Das muss sich ändern", fordert Carlos Lopes, Beauftragter der Afrikanischen Union (AU) für die Beziehungen zur EU.

"Viel Luft nach oben", sieht auch Anke Kurat vom entwicklungspolitischen Dachverband VENRO bei den EU-Afrika-Beziehungen. Das macht es der Bundesregierung nicht gerade leicht. Ausgerechnet in ihrer Präsidentschaft müssen Afrika und Europa neben der neuen Partnerschaft zwei weitere zentrale Fragen klären: ihre künftigen Handelsbeziehungen und die Finanzen.

Die Gefahr dabei: Gibt es beim Handel und beim Geld keine Einigung, bleibt die viel beschworene neue Partnerschaft wahrscheinlich eine leere Floskel. Auch dann, wenn am Ende wirklich ein Partnerschaftsvertrag unterschrieben wird.

Ursula von der Leyen und Moussa Faki Mahamat vor dem Symbol der Afrikanischen Union (Foto: Getty Images)
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen strebt eine engere Partnerschaft mit Afrika anBild: Getty Images/AFP/E. Soteras

Beispiel Handel: Bis Ende 2020 muss ein Nachfolger für das Cotonou-Abkommen her. Seit 20 Jahren regelt es die Entwicklungs- und Handelsbeziehungen zwischen Europa und den sogenannten AKP-Staaten, 79 früheren Kolonien in Afrika, der Karibik und dem Pazifik. Eigentlich ist das Abkommen schon im März ausgelaufen. Beide Seiten verlängerten es bis Jahresende, weil die Verhandlungen sich dahin schleppen.

Wer spricht mit wem?

Afrika ist sich in einer zentralen Frage uneinig: Einige Länder wollen, dass die Verhandlungen zwischen der EU und den AKP-Staaten geführt werden. Andere Länder und die Afrikanische Union lehnen das aber strikt ab. "Wir brauchen keine Filter wie die AKP", sagt AU-Vertreter Lopes. Er fordert dagegen Verhandlungen zwischen EU und AU. Dann wären aber die AKP-Mitglieder in der Karibik und dem Pazifik nicht dabei.

Helfer auf zwei Schlauchbooten retten Migranten aus dem Wasser
Das Mittelmeer trennt Afrika und Europa: Migration über den Seeweg ist auch ein wichtiges Thema der PartnerschaftBild: AFP/P. Barrena

Viele afrikanische Regierungen laufen auch gegen die umstrittenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen Sturm, an denen die EU weiter festhält. Die Afrikanische Union setzt auf eine pan-afrikanischen Freihandelszone, die vor allem den Handel innerhalb des Kontinents stärken soll. Die EU hat dagegen mit einzelnen Staaten und Regionen Handelsverträge abgeschlossen, was aus afrikanischer Sicht die kontinentale Zusammenarbeit erschwert. "Diese Abkommen haben viel Spaltung und Zersplitterung der afrikanischen Position bewirkt", schimpft Kritiker Lopes.

Streit ums Geld

Auch beim Geld könnte es Ärger geben. "Die afrikanischen Partner erwarten Unterstützung und Finanzierung von der EU. Doch gerade beim Finanzrahmen stockt es gerade erheblich bei den EU-Mitgliedsländern", so VENRO-Expertin Kurat zur DW. Die können sich gerade nicht einigen, wie der mittelfristige EU-Haushalt bis 2027 aussehen soll. Durch den Austritt Großbritanniens fehlt ein Beitragszahler, was die anderen Länder ausgleichen müssten. "Durch die Corona-Krise ist die Situation nicht einfacher geworden", so Kurat. Denn viele Länder stecken in der Krise und sind nicht geneigt, mehr Geld nach Brüssel zu überweisen.

Beim EU-Afrika-Gipfel könnte es zum Showdown kommen. Im Oktober wollen sich die Staats- und Regierungschefs beider Kontinente in Brüssel treffen. Die beste Gelegenheit, um alle strittigen Fragen zu klären. In Afrika sind die Erwartungen hoch, dass Deutschland dabei eine entscheidende Rolle spielt. Schließlich ist die Bundesrepublik nicht nur die wichtigste Volkswirtschaft Europas, sondern auch der größte Nettozahler für den EU-Haushalt. Deutschlands Wort hat daher in Europa ziemliches Gewicht. "Deutschland darf sich nicht verstecken", fordert die nigerianische Wirtschaftswissenschaftlerin Obiageli Ezekwesili. Auch AU-Vertreter Lopes hofft auf die Bundesregierung. "Deutschland muss wie so oft in der Vergangenheit Führungsstärke zeigen."