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Deutschland: Frauen auf dem Weg in die Chefetagen

18. Oktober 2023

In Deutschland gibt es mehr Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten als früher - aber immer noch zu wenige. Dabei ließe sich Gleichberechtigung auch ohne Frauenquote erfolgreich umsetzen, wie der Blick ins Ausland zeigt.

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Eine gestellte Besprechungssituation, drei Männer und zwei Frauen, davon eine am Kopf des Tisches
Jedes Jahr werden etwa 100 Vorstandsposten der 160 Börsenunternehmen in Deutschland neu besetztBild: Zeljko Dangubic/Westend61/picture alliance

So alt das Thema der Gleichberechtigung von Frauen in der Berufswelt inzwischen ist, es ist immer noch so dringend, dass gerade erst der Wirtschaftsnobelpreis an eine Frau verliehen wurde, die zu diesem Thema forscht. Aktuelle Hinweise darauf, wie die Lage in den Chefetagen für Frauen aussieht, gibt der neueste Bericht der AllBright Stiftung, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Das Ergebnis: Es gibt kleine Fortschritte, aber viel Luft nach oben.

Immerhin waren im vergangenen Jahr 37 Prozent der neu rekrutierten Vorstandsmitglieder weiblich. "Und endlich - wenn auch wirklich spät - ist der Punkt erreicht, an dem es weniger rein männliche Vorstände gibt als gemischte", heißt es von den beiden Geschäftsführern der AllBright Stiftung, Wiebke Ankersen und Christian Berg.

"Es freut mich, dass immer mehr deutschen Unternehmen jetzt Frauen in den Vorstand befördern", sagt Sven Hagströmer, der Stifter der AllBright Stiftung zu der Entwicklung. Gleichzeitig habe er das ungute Gefühl, dass die Unternehmen sich so hauptsächlich aus der Schusslinie der Öffentlichkeit bringen wollten. Zu diesem Verdacht passt, dass die große Mehrheit der deutschen Unternehmen nur eine einzige Frau im Vorstand hat.

Knapp 83 Prozent der Vorstandmitglieder sind immer noch Männer. Im Deutschen Aktienindex DAX gibt es noch zwei Unternehmen, deren Vorstand nur aus Männern besteht, nämlich Adidas und die Porsche Holding. Im vergangenen Jahr waren es noch sieben Unternehmen.

Keine Frau im Vorstand, dass ist möglich, weil die Frauenquote für Vorstände erst greift, wenn neue Posten besetzt werden. Diese Quote gilt seit 2022 für börsennotierte Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und einem Vorstand, der aus mindestens drei Mitgliedern besteht. Hier muss mindestens eine Frau im Vorstand sein. Für Aufsichtsräte gibt es bereits seit 2016 eine ähnliche Quote.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

Viel besser als in Deutschland sieht es beispielsweise in den USA aus. Hier bestehen weit mehr als die Hälfte der Vorstände zu mehr als einem Drittel aus Frauen. Vergleicht man den Anteil der Frauen in den Vorständen der führenden 40 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, Schweden und den USA, dann liegt Deutschland unverändert auf dem vorletzten Platz.

Während in den USA und Frankreich in 88 Prozent der Vorstände mehrere Frauen im Vorstand sind, sind es bei den deutschen Unternehmen nur 40 Prozent.  Um eine Veränderung der Teamdynamik zu erreichen, müsse aber mindestens ein Drittel eines Vorstandes mit Frauen besetzt sein, so der AllBright-Bericht. In den USA ist das bei jedem zweiten Unternehmen der Fall, in Deutschland nur bei 28 Prozent der 40 größten deutschen Unternehmen.

Dabei haben die Amerikanerinnen keine guten Rahmenbedingungen. Eine gesetzliche Frauenquote für Vorstände gibt es nicht. Weil es kein Elterngeld gibt und nicht überall ein günstiges Kinderbetreuungs-Angebot, arbeiten Frauen seltener. Wenn sie allerdings arbeiten, dann meist Vollzeit und sie werden konsequenter in Führungspositionen befördert.

Auch in Großbritannien gibt es keine gesetzliche Frauenquote. Hier hat sich die Wirtschaft eigene, freiwillige Ziele gesteckt. Mit Erfolg, denn die 350 größten Börsenkonzerne haben drei Jahr früher als geplant in den Aufsichtsräten einen Frauenanteil von 40 Prozent erreicht. Bis 2025 sollen auch in den zwei obersten Führungsebenen 40 Prozent Frauen sitzen.

Die Französinnen profitieren von einer gesetzlichen Frauenquote für Vorstände, die bestimmt, dass bis 2026 mindestens 30 Prozent und bis 2029 mindestens 40 Prozent der Posten mit Frauen besetzt sein sollen. In Aufsichtsräten sollen nach der Quote mindestens 40 Prozent der Mitglieder Frauen sein. Die meisten Französinnen arbeiten in Vollzeit und nutzen früh die staatliche Kinderbetreuung.

Deutschland verharrt in alten Rollenmustern

In Deutschland sind die traditionellen Rollenmuster noch sehr ausgeprägt, heißt es in dem AllBright-Bericht. Zwar arbeiten viele Frauen, aber das meist in geringerer Teilzeit, wodurch der Weg in die Chefetagen schwierig ist. Dabei möchten Frauen gerne mehr Verantwortung im Beruf übernehmen. "Studien zeigen, dass Frauen nicht viel seltener Führungsverantwortung übernehmen wollen, sie stoßen nur oft an eine gläserne Decke", sagt Macel Fratzscher, Präsident des deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Auch mehr Männer würden sich gleiche Chancen für ihre Partnerinnen im Arbeitsleben wünschen und würden mehr Verantwortung für Familie und Kinder übernehmen, so Fratzscher. "Es braucht eine schnelleren, konsequenteren Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen, die Abschaffung von starken Fehlanreizen wie dem Ehegattensplitting und eine paritätische Aufteilung der Elternzeit", fordern die Geschäftsfüher der AllBright Stiftung, Wiebke Ankersen und Christian Berg.

Geht es mit dem Tempo der vergangenen fünf Jahre weiter, würde es noch 18 Jahre dauern, bis jeder zweite Vorstandsposten der Börsenunternehmen mit einer Frau besetzt ist. 

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion