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Polizei folterte nicht

Daniel Scheschkewitz30. Juni 2008

Seine Festnahme löste eine heftige Folter-Debatte in Deutschland aus. Jetzt hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die Klage von Magnus Gäfgen abgewiesen: Der mutmaßliche Kindsmörder wurde nicht gefoltert.

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Ein Foto von Jakob von Metzler im Jahr 2002 vor seinem Elternhaus, quelle: ap
Ein Foto von Jakob von Metzler im Jahr 2002 vor seinem ElternhausBild: AP

Magnus Gäfgen war wegen der Entführung und späteren Ermordung eines 11-jährigen Bankierssohnes im Sommer 2003 zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Er hat daraufhin die Bundesrepublik wegen Verstoßes gegen das Folterverbot verklagt. Er behauptet, sein Geständnis sei nur unter der Androhung von körperlicher Gewalt zustande gekommen – und das sei ein Verstoß gegen die Menschenrechte.

Der Fall hatte seinerzeit für Aufsehen gesorgt, nicht zuletzt weil der Vizepräsident der Frankfurter Polizei nach der Festnahme Gäfgens die Androhung von Gewalt angeordnet hatte, um den Aufenthaltsort des entführten Jungen zu erfahren. Am Montag (30.6.2008) hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg über die Klage von Gäfgen gegen den deutschen Staat entschieden: Gäfgen wurde demnach nicht gefoltert oder unmenschlich behandelt. Auch eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liege nicht vor, so das Gericht, denn alle durch die Folterdrohung erwirkten Geständnisse seien nicht im Strafprozess verwertet worden.

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Musste sich wegen Folterandrohung verantworten: Frankfurtes früherer Polizei-Vize Wolfgang DaschnerBild: AP

Ein Blick zurück auf das Geschehen: Am 27. September lockte der damalige Jura-Student Gäfgen den 11-jährigen Jakob von Metzler, Sohn aus einer reichen Frankfurter Bankiersfamilie, in seine Wohnung. Danach erstickte er den Jungen. Nichtsdestotrotz verlangte er bei seinen Eltern ein Lösegeld in Höhe von einer Million Euro für die Freilassung des bereits toten Kindes, dessen Leichnam er unter einer Brücke in der Nähe von Frankfurt versteckte. Drei Tage später kassierte der Entführer sein Lösegeld um 1 Uhr morgens in der Nähe an einer Straßenbahnhaltestelle. Die zuvor informierte Polizei nahm die Verfolgung auf und konnte Gäfgen schon wenige Stunden später festnehmen.

Polizei soll mit Vergewaltigung gedroht haben

In der Untersuchungshaft wurde ihm von einem der vernehmenden Kriminalbeamten körperliche Gewalt, darunter auch sexuelle Vergewaltigung angedroht, für den Fall, dass er das Versteck des vermeintlich noch lebendigen Kindes nicht preisgeben werde. Der Anwalt Gäfgens, Hans Ulrich Enders: "Er berichtet auch, dass ihm genau geschildert wurde, was jetzt passiert, dass nämlich ein Polizeibeamter eingeflogen wird, der solche Sachen macht, der aussieht wie ein Familienvater, der Verletzungen zufügen kann, die man nicht sieht, und so weiter."

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Klagt sich durch alle Instanzen: Magnus Gäfgen (Archiv)Bild: AP

Trotz der Gewaltandrohung wurde Gäfgen im Juli 2003 vom Frankfurter Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Gegen das Urteil und die Gewaltandrohung ging Gäfgen wiederholt juristisch vor. So musste sich der Frankfurter Poizei-Vizepräsident Wolfgang Daschner vor Gericht verantworten und wurde wegen "Verleitung zur Nötigung im Amt" zu einer Bewährungs- und Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt. Dazu Amnesty-International-Sprecher Dawid Bartelt: "Ich glaube, dass Polizisten jetzt wieder eine klare Orientierung haben, was sie dürfen und nicht dürfen."

Verfassungsbeschwerde abgewiesen

Gäfgens weiteres Vorgehen blieb jedoch erfolglos. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Frankfurter Urteil gegen ihn, und eine Verfassungsbeschwerde wurde abgewiesen. Gäfgen zog vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, der jetzt seine Klage ebenfalls abgewiesen hat.