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Ende in Sicht?

14. März 2011

Nach der Reaktorkatastrophe in Japan ist die Debatte über die Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke erneut entbrannt. Auch Politiker der Regierungskoalition können sich nun einen schnelleren Ausstieg vorstellen.

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Symbol Atom Atomwaffen Atombombe (Grafik: AP)
Atomkraft auf dem PrüfstandBild: AP Graphics

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält ein sofortiges Abschalten von Kernkraftwerken in Deutschland für möglich. Dies sei die Konsequenz aus dem von der Regierung beschlossenen dreimonatigen Moratorium für die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke. Doch wie schnell wäre das mit Blick auf die Versorgungssicherheit in Deutschland und die Klimaschutzziele überhaupt möglich?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) (Foto: dapd)
Kanzlerin Merkel: "Es gibt bei dieser Sicherheitsprüfung keine Tabus."Bild: dapd

Notwendige Übergangstechnologie, kostengünstige Brücke ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien – diese Argumente werden gerne genannt, wenn es darum geht, die im vergangenen Jahr von der Bundesregierung beschlossene Verlängerung der Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke zu rechtfertigen. Fast ein Viertel der deutschen Stromversorgung basiert auf Kernkraft. Zu viel, um sie kurzfristig ersetzen zu können, sagt Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle: "Es geht dabei um den Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien, es geht um aktiven Klimaschutz, es geht um Versorgungssicherheit, und es geht um bezahlbare Energiepreise."

Unterschiedliche Energieträger

Strom wird in Deutschland aus ganz unterschiedlichen Energieträgern gewonnen. Mehr als die Hälfte sind Kohle und Gas, die Erneuerbaren Energien bringen es inzwischen auf siebzehn Prozent. Ein Ausbau der Kohleverstromung verbietet sich schon aus Klimaschutzzielen, denn damit würde noch mehr CO2 freigesetzt. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen, Professor Martin Faulstich, stellt daher fest, dass eine nachhaltige Stromversorgung nur durch einhundert Prozent erneuerbare Energien machbar sei: "Und wir haben sehr dezidiert gezeigt, dass das bis 2050 realistisch machbar ist, dass es auch bezahlbar ist, dass es langfristig sogar die günstigste ökonomische Strategie ist und dass es jetzt klarer Anreize und Signale bedarf, die die Politik setzen muss."

AKW Biblis/Hessen (Foto: dpa)
Droht alten AKW bald das Aus?Bild: picture-alliance/dpa

Strom allein aus Wind- und Wasserkraft, aus Sonnenenergie, Biomasse und Erdwärme? Ja, das sei möglich, sagt Faulstich und sein Kollege Olav Hohmeyer, Professor für Energie- und Ressourcenwirtschaft, meint sogar: "Wir müssen nicht bis 2050 warten, 2050 ergibt sich nur daraus, dass wir in unseren Szenarien gesagt haben, wir lassen auch die neuen konventionellen Kraftwerke 35 Jahre lang laufen." Wenn dies zurückgenommen werde, dann könne bereits bis 2030 die Stromversorgung aus erneuerbarer Energie bestehen.

Politik setzt falsche Signale

Die Politik, so kritisieren die Wissenschaftler, setze bislang die falschen Signale. Als der Atomausstieg noch für 2020 festgeschrieben war, hatten die großen deutschen Energieversorger den Plan, Windräder mit einer Leistung von rund zehn Gigawatt vor den Küsten Deutschlands zu installieren. Das hätte der Leistung von acht großen Atomkraftwerken entsprochen. Davon ist aktuell keine Rede mehr. Wer investiert schon in teure neue Technologien, wenn mit existierenden Atomkraftwerken Milliarden zu verdienen sind?

Im vergangenen Jahr wurden nur 754 Windräder in Deutschland neu installiert, der Markt befindet sich nach einem Boom damit wieder auf dem Stand von 1999. Die Branche sei verunsichert, sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie: "Es ist im Moment sogar für 2012 für uns Projektplaner und Projektumsetzer sehr schwer, überhaupt noch Kontrakte abzuschließen, denn letztendlich wissen wir überhaupt nicht, in welchem Rahmen wir uns bewegen. Und die Banken geben uns auch gar nicht mehr die Grundlage dafür."

Windenergie hat großes Potenzial

Windrad (Foto: Fotolia)
Wind - ein starker Energieträger in DeutschlandBild: Fotolia/Glenn Jenkinson

Doch gerade der Windenergie wird in Deutschland das größte Potenzial zugerechnet. Dabei geht es allerdings nicht nur darum, neue Windparks insbesondere vor den Küsten zu errichten, sondern es muss auch die Frage beantwortet werden, wie der Strom dort gespeichert und abtransportiert werden kann. Schon jetzt wird in Norddeutschland an manchen Tagen mehr Windenergie erzeugt, als die bestehenden Stromnetze bewältigen können. Das weiß auch Bundeswirtschaftsminister Brüderle: "Wir werden in Deutschland rund 3.500 Kilometer neue Leitungen brauchen. Das entspricht der Strecke von Flensburg nach Füssen mal 3,5." Es müsse Unternehmen geben, die die Vernetzung der Windräder im Norden stabil mit den Betrieben im Süden, die den Strom abnehmen, vornehmen: "Wir brauchen Unternehmen," so Brüderle, "die die notwendigen Energiespeicher bauen."

Dafür sind Milliardeninvestitionen nötig, aber angesichts der Klimaschutzziele ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien der einzige Weg, um aus der Erzeugung von Kernenergie aussteigen zu können. Es wird an der Politik liegen, und daran, wie sie die notwendigen Investitionen forciert, wie schnell dieser Ausstieg erfolgen kann.

Autorin: Sabine Kinkartz

Redaktion: Monika Lohmüller