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Deutschland spielt Statistenrolle

10. August 2006

Die Entscheidung Israels, seine angekündigte erweiterte Bodenoffensive zunächst auszusetzen, hat nichts mit dem Besuch von Außenminister Steinmeier zu tun, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

So geht man nicht mit Freunden um: Eben noch hatte Israels Ministerpräsident Ehud Olmert Deutschland als "besten Freund seines Landes" bezeichnet und es zu militärischem Engagement im Libanon ermuntert. Als Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier aber kam, um politische Lösungsmöglichkeiten zu erörtern, da ließ Olmert ihn vor der Tür warten, hinter der seine Regierung am Mittwoch (9.8.) die massive Ausweitung der israelischen Militäroperation im Südlibanon beschloss.

Selbst die USA - wahrscheinlich doch der wohl noch viel größere "Freund" Israels - sind offenbar vom israelischen Kabinettsbeschluss überrascht worden. Und international sah man plötzlich jede Chance dahinschwinden, doch noch in absehbarer Zeit eine Regelung für den Südlibanon zu finden, denn israelische Militärs sprachen davon, dass die Großoffensive 30 Tage dauern könnte: Israelische Bodentruppen sollen das Gebiet bis zum Litani-Fluss durchkämmen und die Hisbollah von dort vertreiben.

Es gibt immer wieder Überraschungen - auch positive

Donnerstagfrüh dann überraschend die Nachricht, die Offensive sei ausgesetzt. Man wolle der Diplomatie eine Chance geben. Der Nahe Osten ist weiterhin für Überraschungen gut. Sogar für positive Überraschungen.

Es wäre aber bestimmt zu optimistisch zu glauben, dass eine Aussetzung der Offensive ihrer Absage gleichkäme und dass die Diplomatie tatsächlich in der Lage wäre, die Probleme zu lösen, die hinter diesem Krieg stehen und die ihn über jedes ursprünglich vorhergesagte Zeitmaß hinaus ausgedehnt haben. Zu optimistisch ist sicher auch die Hoffnung, der deutsche Außenminister habe maßgeblich zur Aussetzung der Offensive beigetragen. Bei aller Freundschaft: Dazu dürfte wohl eher ein Signal aus Washington gekommen sein. Dort hat man Israel bisher rückhaltlos unterstützt, aber nun beginnt man auch dort zu erkennen, dass der Krieg beendet werden muss, um der Stellung der USA besonders in der arabischen Welt nicht noch mehr politischen Schaden zuzufügen.

Deutschland spielt dabei eher eine Statistenrolle. Und es war deswegen im Grunde ein gewagter Schritt für Frank-Walter Steinmeier, sich zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit nach Beirut und Jerusalem zu begeben - ohne konkrete Pläne und Vorschläge im Gepäck und ohne Mandat oder Einfluss eines Vermittlers.

Konkrete Hilfe ist gefragt

Es reicht nun einmal nicht, nur humanitäre Hilfe zu versprechen. Die Parteien brauchen ganz konkrete politische und - wahrscheinlich - auch militärische Hilfe. Politische Hilfe kann Deutschland nur begrenzt leisten, militärische Hilfe im Rahmen einer internationalen Truppe will es - bisher zumindest - nicht erbringen. Nicht nur wegen der deutschen Vergangenheit und der besonderen Beziehungen zu Israel, sondern auch, weil ein so gefährlicher Einsatz wie der im Libanon in der deutschen Bevölkerung äußerst unpopulär wäre.

So wäre der Besuch Steinmeiers wohl als völliger Fehlschlag verbucht worden, wenn die Parteien sich nicht plötzlich selbst bewegt hätten: In Beirut stimmte die Regierung - in ihr auch Minister der Hisbollah - der Entsendung libanesischer Truppen in den Süden zu und in Jerusalem besann man sich spät, aber immerhin nicht zu spät, auf die Aussetzung der eben beschlossenen Großoffensive. Ein kleines Fenster der Hoffnung hat sich geöffnet, aber es kann jeden Augenblick erneut zuschlagen.

Peter Philipp ist Chefreporter der Deutschen Welle