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Politik

Deutschland weist Erdogan-Kritiker aus

28. Oktober 2018

Deutschland weist den türkischen Regierungskritiker Adil Yigit aus. Er hatte im September bei einem Erdogan-Besuch in Berlin protestiert. Der Journalist lebt seit 36 Jahren in Deutschland.

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Ertugrul „Adil“ Yigit wird während der Pressekonferenz des türkischen Präsidenten Erdgoan in Berlin abgeführt
Ertugrul Adil Yigit wird während der Pressekonferenz des türkischen Präsidenten Erdgoan in Berlin abgeführtBild: picture-alliance/AP Photo/M. Sohn

"Freiheit für Journalisten in der Türkei": Mit diesem T-Shirt-Aufdruck löste Ertugrul Adil Yigit bei einer Pressekonferenz von Kanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Berlin einen Eklat aus. Nun weist Deutschland den türkischen Regierungskritiker und Journalisten zu Ende Januar aus. Am Freitag habe er den Bescheid bekommen, sagte Yigit (60) der Deutschen Presse-Agentur. 

Er führt die Entscheidung auf seinen Protest während der Pressekonferenz Ende September zurück. Als sein weißes T-Shirt mit der Aufschrift "Gazetecilere Özgürlük" für Unruhe sorgte, griffen deutsche Sicherheitskräfte ein und brachten Yigit aus dem Saal. Erdogan lächelte. 

Rechtliche Schritte

"Das hängt zusammen, anders kann es gar nicht sein", sagte Yigit, der nach eigenen Angaben seit 36 Jahren in Deutschland lebt. Am Montag habe er einen Anwaltstermin, "denn gegen diese Entscheidung werde ich Schritte einleiten". Schon im vergangenen Jahr habe er nach mehreren Verlängerungen seiner Aufenthaltsgenehmigung einen ähnlichen Bescheid bekommen. Damals habe der Chef der Hamburger Ausländerbehörde ihm versprochen, man werde schon eine Lösung finden, sagte Yigit. Nun werde nur einen Monat nach seiner Protestaktion im Kanzleramt die Verlängerung seines Aufenthaltstitels abgelehnt. 

In dem Ausweisungsbescheid des Bezirksamts Hamburg-Mitte vom 22. Oktober, Fachbereich Ausländerangelegenheiten, der der dpa vorliegt, heißt es, Yigit müsse zum 22. Januar 2019 ausgereist sein oder er werde auf eigene Kosten abgeschoben. Als Gründe für die Ausweisung geben die Mitarbeiter der Behörde an, dass er nicht erwerbstätig sei und die "familiäre Lebensgemeinschaft" mit seinen deutschen Kindern nicht mehr bestehe. Zuerst hatte die "taz" über die Ausweisung berichtet. Yigit schreibt für sie als Kolumnist. Außerdem gibt Yigit die regierungskritische Onlinezeitung "Avrupa Postasi" heraus. 

"Natürlich fürchte ich mich"

"Natürlich fürchte ich mich, wenn ich abgeschoben werde", sagte er. "In der Türkei werden Journalisten zum Schweigen gebracht." Nach dem gescheiterten Putschversuch 2016 hat die türkische Regierung Zehntausende angebliche Staatsfeinde, darunter Journalisten, Akademiker und Menschenrechtler, festnehmen lassen und viele Medienhäuser geschlossen oder auf Regierungslinie gebracht. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sitzen Dutzende Journalisten in türkischen Gefängnissen. 

Regierungssprecher Steffen Seibert verteidigte das Vorgehen der Ordner während der Pressekonferenz. "Wir halten es bei Pressekonferenzen im Kanzleramt wie der Deutsche Bundestag: keine Demonstrationen oder Kundgebungen politischer Anliegen", schrieb er damals auf Twitter. "Das gilt völlig unabhängig davon, ob es sich um ein berechtigtes Anliegen handelt oder nicht." 

Yigit sagt, Erdogan habe nach seinem Auftritt im Kanzleramt noch mehrmals öffentlich über ihn gesprochen. In einer Rede Erdogans vor Abgeordneten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara am 2. Oktober, nur wenige Tage nach dem Deutschlandbesuch, ist auch tatsächlich diese Passage zu finden: "Mitglieder von Fetö und PKK haben alles getan, um diesen Besuch zu sabotieren. Da gab es einen Flegel, einen Lump, der die Pressekonferenz der Kanzlerin und mir stören wollte. Die deutsche Polizei hat ihn gepackt und rausgeschmissen. Es liegt sowieso auf der Hand, wessen Gehilfe er ist, das muss man nicht noch sagen." Fetö ist eine Bezeichnung für die Bewegung um den Prediger Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht. Die PKK ist eine kurdische Untergrundorganisation, deren Mitglieder und Sympathisanten vom türkischen Staat als Terroristen und Terrorunterstützer verfolgt werden. 

Glückwünsche und Drohungen

In einem Interview mit der "Zeit" erzählte Yigit Ende September, dass er für seine Aktion aus der Türkei viele Glückwünsche bekommen habe - aber auch Drohungen: "Ich sei ein Agent der Deutschen, (...) schreiben mir Facebook-Nutzer", sagte Yigit in dem Interview. "Lauter wüste Beschimpfungen, es werden immer mehr." 

Das Vorgehen auf der Pressekonferenz hatte in Deutschland für Kritik gesorgt. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) mahnte die Bundesregierung, "die eigenen Hausordnungen zu entstauben". DJV-Sprecher Hendrik Zörner sagte: "Dass Journalisten keine Protest-T-Shirts in Pressekonferenzen tragen dürfen, passt in die Schlips-und-Kragen-Zeit, aber nicht ins 21. Jahrhundert." Dass der türkische Kollege wegen eines Protest-T-Shirts aus dem Pressesaal geführt wurde, sei skandalös.

stu/ml (dpa, epd)