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Investitionen

19. Mai 2011

Deutschland nimmt unter Russlands Wirtschaftspartnern einen Spitzenplatz ein. Sergej Katyrin, Chef der Industrie- und Handelskammer Russlands, sieht aber auch Probleme in den bilateralen Beziehungen.

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Bild: dpa/Montage DW

DW-WORLD.DE: Welchen Platz nimmt heute Deutschland unter den ausländischen Wirtschaftspartnern Russlands ein?

Sergej Katyrin: Unter den europäischen Partnern ist Deutschland auf Platz eins, weltweit nach China auf Platz zwei. Natürlich sehen wir in Deutschland einen führenden Partner, was den Handelsumsatz und die Investitionen in Russland angeht. Statistiken zufolge kommt das meiste Geld aber aus anderen Ländern zu uns, vor allem aus Zypern und Liechtenstein. Uns ist aber klar, dass es sich dabei um Reinvestitionen handelt, also um Kapital, das zuvor aus Russland geflüchtet war. Deshalb wiederhole ich: die wichtigsten Investitionen kommen aus Deutschland.

Portrait von Sergej Katyrin (Foto: DW)
Sergej Katyrin leitet seit März 2011 die Industrie- und Handelskammer RusslandsBild: DW

Deutsche klagen manchmal über schwierige Geschäftsbedingungen in Russland, beispielsweise über zu viel Bürokratie und Korruption. Gibt es Schwierigkeiten, die russische Geschäftsleute in Deutschland haben?

Ja, es gibt Schwierigkeiten. Zwar sind sie anderer Natur, aber im Allgemeinen sind die Probleme ähnlich. Zum Beispiel will man in Deutschland an russische Geschäftsleute keine Unternehmen verkaufen. Ich erinnere mich an den Fall der russischen Sberbank, die eine Beteiligung an einem deutschen Konzern kaufen wollte, aber nicht konnte. Es gibt auch Schwierigkeiten beim Erwerb von Technologien. Aber man muss hier klar unterscheiden. Es gibt moderne Technologien, die man verkaufen darf, und hier ist es nur eine Frage des Preises. Dann gibt es Technologien, die für zivile Zwecke genutzt werden dürfen, aber eben auch vom Militär eingesetzt werden. Technologien, die mit der Rüstungsindustrie oder mit der Sicherheit des Landes etwas zu tun haben, können natürlich nicht Gegenstand eines Geschäfts sein. Aber rein zivile Technologien müssen sich in beide Richtungen bewegen dürfen, und wir müssen alles tun, um die Hindernisse zu beseitigen, die dem Austausch im Wege stehen.

Oft wird kritisiert, Russland bewege sich zu langsam in Richtung Marktwirtschaft. Ist die Kritik angebracht?

Ich glaube nicht, dass man dies eindeutig beantworten und ein Fazit ziehen kann. Zum Beispiel haben wir uns in einigen Bereichen zu schnell bewegt, und sozusagen alle möglichen Stadien einfach übersprungen und dabei leider nicht nur Positives, sondern auch Negatives bekommen. Dies gilt insbesondere für die Privatisierung. Der Umbau einiger staatlicher Strukturen ist meiner Meinung nach etwas zu schnell gegangen, nicht so, wie es hätte sein sollen. In manchen Bereichen bewegen wir uns wirklich zu langsam. Schneller hätte sich wahrscheinlich der Wettbewerb entwickeln müssen. Die Reform der Justiz könnte auch schneller vorangehen. Das ist in unserem Interesse.

Wie stark sollte Ihrer Meinung nach die Rolle des Staates in der Wirtschaft sein?

Ich gebe zu, dass wir, was die Reduzierung der Rolle des Staates als Eigentümer angeht, im Rückstand sind. Aber wenn man über den Staat als Regulator spricht, dann widerspreche ich meinen deutschen Kollegen. Auch unsere Reformer sagen gern, der Markt werde alles lösen. Aber der Markt hat alles so "gelöst", dass wir eine Menge Probleme im sozialen Bereich bekommen haben. Deswegen bin ich nicht damit einverstanden, dass sich der Staat als Regulator überall zurückziehen sollte. Im Gegenteil, in einigen Bereich ist die staatliche Intervention sogar unzureichend.

Das Interview führte Jegor Winogradow / Markian Ostaptschuk

Redaktion: Bernd Johann