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Berlins diskrete Syrien-Politik

Sabine Hartert31. Juli 2012

Wie lange sich Syriens Machthaber Baschar al-Assad noch halten kann, ist ungewiss. Fest steht, dass hinter verschlossenen Türen auch in der deutschen Hauptstadt an Konzepten für die Ära nach Assad gearbeitet wird.

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Source News Feed: EMEA Picture Service ,Germany Picture Service A defaced poster of Syria's President Bashar al-Assad is seen near garbage containers in Aleppo July 24, 2012. The words on the poster read, "We coming, duck ass". Picture taken July 24, 2012. REUTERS/Shaam News Network/Handout (SYRIA - Tags: POLITICS CIVIL UNREST) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Syrien Aleppo KämpfeBild: Reuters

Noch hält der syrische Präsident Baschar al-Assad die Zügel fest in der Hand, doch die Erosion seiner Macht wird deutlicher. Wie lange das System noch durchhalten kann, wagt kein Experte vorauszusagen. Das wäre wie Kaffeesatzlesen, sagt Heiko Wimmen, Syrienexperte der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin. Aber, so fügt er an, "es gibt Grund zu der Befürchtung, dass mit dem Abgang Al-Assads das Problem nicht gelöst ist". Ähnlich sieht es der CDU-Europa-Abgeordnete Elmar Brok. Es gebe keine Einheit in der Opposition, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Daher "besteht die Gefahr, dass die verschiedenen Gruppen sich so bekämpfen, dass auch ohne Assad ein Bürgerkrieg möglich ist."

Umso wichtiger ist es, bereits jetzt Strategien und Konzepte für die Ära nach Assad zu entwickeln. Vor allem mit Blick auf die Interventionen des Westens in ähnlichen Fällen der jüngsten Vergangenheit, die nicht immer das gebracht haben, was man sich erhofft hatte.   

Portrait des Syrienexperten Heiko Wimmen Foto:
Heiko Wimmen: Der Abgang Al-Assads löst die Probleme nichtBild: SWP

Weichenstellung für neue Syrienpolitik

Für Außenminister Guido Westerwelle ist ein Wendepunkt in Syrien erreicht. In einem Zeitungsinterview sagte er vergangene Woche (23.7.2012), dass nun die Weichen für eine den jüngsten Entwicklungen angepasste Politik gestellt werden müssten. Dabei geht es nicht um deutsche Alleingänge, denn, wie der Europaabgeordnete Brok betont, die deutschen Möglichkeiten des Eingreifens seien "äußerst begrenzt". Deutschland habe nur als Mitglied der Europäischen Union wirklichen Einfluss und nicht als alleinige Kraft. Das Auswärtige Amt hat daher ein Papier mit Vorschlägen zum weiteren Vorgehen der Europäischen Union erarbeitet, in dem es um neue Wege der Gewalteindämmung, eine Intensivierung der humanitären Hilfe und die Vorkehrungen für einen Wiederaufbau nach dem Ende der Regierung Assads geht.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte, man wolle das syrische Volk langfristig unterstützen und daher bereits jetzt den Grundstein für den wirtschaftlichen Wideraufbau legen. Genau daran arbeitet die Arbeitsgruppe "Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung", die vom Freundeskreis des syrischen Volkes und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ins Leben gerufen wurde. Deutschland und die VAE sind Ko-Vorsitzende dieser Gruppe, die unter anderem der syrischen Opposition ein Beratungsforum  für die wirtschaftliche Profilierung bieten will. Dem deutschen Außenminister geht es aber nicht nur um die wirtschaftliche Zukunft. Vor dem heutigen (31.7.2012) Treffen syrischer Oppositionsvertreter in Kairo appellierte Westerwelle in der "Rheinischen Post" an die Teilnehmer, sich zu einem demokratischen und pluralistischen Syrien zu bekennen. Dieses Ziel müsse der gemeinsame Nenner sein, fügte er an.

Smoke rises from Juret al-Shayah in Homs July 11, 2012. Picture taken July 11, 2012. REUTERS/Shaam News Network/Handout (SYRIA - Tags: POLITICS CIVIL UNREST) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, Blick auf die Stadt Homs mit einer Moschee und aufsteigenden Rauchwolken (Foto: REUTERS)
Homs, eine der vielen Städte, die unter dem Bürgerkrieg leidenBild: Reuters

Zugleich wird Westerwelle nicht müde, an Russland und China zu appellieren, doch noch einzulenken und Assad nicht weiter zu unterstützen. Man müsse nun gemeinsam an einer friedlichen und demokratischen Zukunft Syriens arbeiten.

Diskussionsforum für syrische Opposition

Nur wenige Kilometer vom Auswärtigen Amt entfernt, trifft sich seit Jahresbeginn die syrische Opposition im Berliner Stadtteil Wilmersdorf, um die Organisation des Übergangs zu einem demokratischen Syrien zu erarbeiten. Das noch geheime Projekt "Day After" wird gemeinsam vom United States Institute of Peace (USIP) und der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) organisiert. Die Außenministerien in Washington und Berlin leisten logistische Hilfe, halten sich aber sonst im Hintergrund. Volker Perthes, Direktor der SWP, sagte in einem Gespräch mit der Wochenzeitung "Die Zeit", dass sich die Teilnehmer selbst rekrutiert hätten, denn es sei "nicht unsere Aufgabe, hier eine neue syrische Regierung zu rekrutieren". Man habe der Opposition ermöglicht, "unbeobachtet und ohne Druck eine Diskurscommunity zu schaffen".

Portrait des deutschen Europaabgeordneten Elmar Brok (CDU) (Foto: AP)
Elmar Brok: Deutschland kann nur im Rahmen der EU handelnBild: AP

Im August soll ein Dokument mit den Ergebnissen vorgelegt werden. Wie und wann die Pläne für ein neues Syrien umgesetzt werden können, hängt von vielen Faktoren ab: zum Beispiel davon, wie lange Assad sich noch halten kann und wie hoch die emotionalen Mauern zwischen den einzelnen Gruppierungen sein werden. Zum anderen aber auch davon, welche Weichen durch den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes gestellt werden und wie gerecht die Teilhabe daran sein wird. Auch wenn der Tag X möglicherweise noch in weiter Ferne liegt, hält es der Syrienexperte Wimmen für grundsätzlich sinnvoll, sich bereits jetzt Einfluss auf die künftigen Entwicklungen zu verschaffen, denn "man muss auch bei den Oppositionskräften Ansprechpartner haben". Im Gespräch mit der Deutschen Welle ergänzt er: "wenn es dann wirklich so weit ist, werden die Akteure von den Ereignissen getrieben. Wenn man bis dahin kein Konzept hat, macht man auch keines mehr."