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Wirtschaft statt Goethe

Sabine Damaschke30. Mai 2014

Deutschkurse boomen weltweit. Heute ist dabei vor allem Alltags- und Wirtschaftsdeutsch gefragt. Für die Lehrer stellt das eine neue Herausforderung dar. Das Goethe-Institut bereitet sie jetzt gezielt darauf vor.

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Ein Inder liest im Goethe-Institut Neu Delhi das Magazin 'Der Spiegel' (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Als Ingrid Köster in den achtziger Jahren für das Goethe-Institut in Indien unterrichtet hat, zählte deutsche Literatur zur Pflichtlektüre. Doch um Goethe, Schiller oder Kant im Original zu lesen, waren viele Fortgeschrittenenkurse nötig. "Heute haben unsere Kursteilnehmer weniger Zeit und wollen sprachlich so vorbereitet werden, dass sie ein Praktikum in Deutschland machen, für ein Semester studieren oder mit Geschäftspartnern kommunizieren können", beobachtet die Pädagogin, die heute den Bereich Sprachkurse und Prüfungen beim Goethe-Institut in München leitet.

Statt sich ausführlich mit deutscher Literatur und Landeskunde zu beschäftigen, möchten die Kursteilnehmer die Alltagssprache und Fachbegriffe lernen, die für ihren jeweiligen Beruf wichtig sind. "Unsere Lehrer müssen daher im Unterricht stärker differenzieren und sprachlich ganz aktuell sein, weshalb der Einsatz neuer Medien heute eine wichtige Rolle spielt", sagt Köster.

Ingrid Köster, Leiterin des Bereichs Sprachkurse und Prüfungen beim Goethe-Institut in München (Foto: Goethe-Institut München)
Ingrid Köster leitet den Bereich Sprachkurse und Prüfungen beim Goethe-Institut in MünchenBild: Goethe-Institut München

"Grünes Diplom" für Deutschlehrer

Um die Lehrer auf die vielfältigen Ansprüche besser vorzubereiten, hat das Goethe-Institut ein neues Fortbildungsprogramm, das sogenannte "Grüne Diplom", für seine Lehrkräfte aufgelegt. Unter anderem in Indien wird es gerade getestet, zum Ende des Jahres soll es dort eingeführt werden. Mit gutem Grund, denn dort hat das Interesse an Deutsch enorm zugenommen. Seit 2003 ist die Zahl der Kursteilnehmer um knapp 60 Prozent auf rund 15.000 gestiegen. Insgesamt lernen heute rund 220.000 Menschen an den Goethe-Instituten Deutsch. So viel wie nie zuvor.

Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) bemerkt weltweit ein stärkeres Interesse an der deutschen Sprache. Aktuellen Zahlen zufolge förderte er 2013 den Austausch von über 50.000 ausländischen Studierenden und Wissenschaftlern, gut sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die meisten bereiten sich in Deutschkursen an ihren Hochschulen auf den Auslandsaufenthalt vor. Schon seit vielen Jahren fördert der DAAD die Deutschdozenten und bildet sie in eigenen Lektorenprogrammen fort.

Deutschboom unter chinesischen Ingenieuren

"Die Ansprüche an unsere Lektoren haben sich sehr verändert", sagt Ursula Paintner, die das Referat Auslandsgermanistik und Deutsch als Fremdsprache beim DAAD leitet. "Es kommen immer mehr Studierende in die Kurse, die an der Schule vorwiegend Englisch gelernt haben und keine Deutschkenntnisse mitbringen." Damit wird der Sprachunterricht auf allen Niveaustufen wichtiger. Gleichzeitig wollen die Studenten und Forscher schnell ihre Fachsprache etwa in den Ingenieur- oder Wirtschaftswissenschaften lernen.

DAAD-Stipendiat Chao He im Labor der RWTH Aachen (Foto: DAAD)
DAAD-Stipendiat Chao He promoviert in Aachen im Fach Maschinenbau und findet Deutsch als Wissenschaftssprache immer noch schwierigBild: DAAD/Volker Lannert

Dieser Trend sei besonders in China zu beobachten, so Ursula Paintner. Dort hat Deutschland einen exzellenten Ruf als Land der Ingenieure, Autoindustrie und qualitativ hochwertiger Maschinen. "Für mich war ganz klar, dass ich als angehender Ingenieur auch in Deutschland studieren sollte", sagt DAAD-Stipendiat Chao He, der an der RWTH Aachen in Maschinenbau promoviert. Er ist einer der rund 25.000 chinesischen Studierenden in Deutschland. Auf das Alltagsdeutsch und das Studium sei er in seinen Kursen gut vorbereitet worden, erzählt Chao He. "Aber die technischen Begriffe und die Wissenschaftssprache sind nach wie vor schwierig."

Weniger Deutschunterricht an Schulen

Dem Brasilianer Victor Strazzeri ging es genau anders herum. Der 28-jährige Student der Sozialwissenschaften fand die Unterschiede zwischen der portugiesischen und deutschen Fachsprache nicht sehr groß. "Aber wie die jungen Deutschen reden und denken, das kam in den Deutschkursen kaum vor", kritisiert Strazzeri, der seit einigen Monaten in Berlin promoviert. "Sie reden nicht so förmlich und sind viel lockerer, als ich dachte."

DAAD-Stipendiaten Victor Strazzeri aus Brasilien (Foto: privat)
Doktorand Victor Strazzeri aus Brasilien war überrascht von der Lockerheit der jungen DeutschenBild: Victor Strazzeri

Modernes Alltagsdeutsch und die jeweilige Fachsprache in relativ kurzer Zeit an Deutschlerner zu vermitteln - das sind hohe Anforderungen an die Lektoren und Deutschlehrer. "In Griechenland kommen zunehmend Studierende zu mir, die gar kein Deutsch können, aber in Deutschland arbeiten wollen und dafür die Sprache innerhalb weniger Wochen lernen möchten", erzählt Judith Schiebel, DAAD-Lektorin an der Aristoteles-Universität Thessaloniki. "Das ist natürlich unrealistisch." Zwei Jahre regelmäßiger Sprachunterricht sind ihrer Ansicht nach dafür notwendig.

Prestigegewinn durch die Fußball-WM

In Griechenland wird Deutsch an den Schulen aufgrund eines massiven Lehrermangels immer seltener gelehrt. Auch in anderen Ländern hat die Sprache an den Schulen an Bedeutung verloren. Doch dieser Trend ist langsam wieder rückläufig, beobachtet Ingrid Köster. Schließlich ist Deutschland überall in der Welt bekannt für seine boomende Wirtschaft, seine Autos - und seinen Fußball.

Fans im Stadion bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland (Foto: Getty Images)
Bei der Fußball-WM 2006 hat sich Deutschland viele Freunde in der Welt gemachtBild: Getty Images

Die Weltmeisterschaft in Brasilien kann dazu beitragen, dass das Interesse am Deutschlernen weiter steigt, hofft Ingrid Köster. Denn so war es auch nach der WM 2006, als Deutschland sich als sympathischer Gastgeber einen Namen machte. "Damals haben die Deutschen enorm an Ansehen gewonnen", sagt sie, "weil sie sich und ihr Land als einen friedlichen und attraktiven Ort zum Arbeiten, Studieren und Forschen präsentierten."