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Die Abgase der Tradition

Patrick Tippelt13. Juni 2005

Bangkoks Hauptsehenswürdigkeiten, die grandiosen Tempel, sind mitverantwortlich für die Luftverschmutzung im Lande. Denn all zu viele Krematorien im Land stoβen giftige Abgase aus. Ein Problem - auch für die Regierung.

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Wat Arun, der Sonnenaufgangstempel, Wat Pho mit seinem immensen liegenden Buddha, Wat Phra Kaeo im Königlichen Palast samt seinem Smaragdbuddha, und der kleine, dicke Buddha aus purem Gold im Wat Traimit - das sind die Sehenswürdigkeiten Bangkoks, zu denen Touristen haufenweise gekarrt werden.

Doch dies sind nur vier der ungefähr 500 buddhistischen Tempel in der Stadt, allesamt natürlich keine Museen, sondern lebendige Stätten für Gläubige. Nicht nur in ländlichen Gebieten Thailands stellen Tempel das Zentrum von Dörfern und Städten dar. Im rückständigen Nordosten des Landes existieren oft keine Namen für Stadtteile; Ortsunkundige müssen nur nach dem Weg zum jeweiligen Tempel fragen, um in ein bestimmtes Viertel zu gelangen. Buddhisten besuchen nicht bloβ einmal die Woche ihren Tempel. Viele gehen täglich hin, um Lotusblüten und Räucherkerzen an Altären darzubieten, Mönchen Essen zu geben, zu meditieren und Vorträgen zuzuhören. Jeder thailändische Mann wird dazu angehalten, für einige Zeit zum Mönch ordiniert zu werden - das bringt ihm selbst und vor allem seinen Eltern Verdienste fürs nächste Leben.

Schädliche Traditionen

Tempel sind auch meist die letzte Station eines Buddhisten - fast jeder Tempel hat ein Krematorium, in dem Gläubige nach ihrem Tod verbrannt werden. Zum einen hängt das mit der Religion zusammen, zum anderen ist es eine verständliche Alternative - es ist billiger als ein teures Grundstück auf einem Friedhof zu erwerben.

Doch ist es just diese jahrhundertealte Tradition, die nun das Umweltministerium aufschrecken lieβ - und es prompt in ein Dilemma trieb. Eine Studie des Ministeriums ergab, dass die Tempelkrematorien zu viele Schadstoffe produzieren. Selbst die modernsten Anlagen stoβen Dioxine und Furane aus, deren Mengen weit über international akzeptierten Pegeln liegen. Die Studie ging soweit, die Tempelkrematorien mit Müllverbrennungsanlagen zu vergleichen.

Die Ökonomie des Todes

Das Einäschern verunreinigt die Luft mit Kohlenmonoxid, Stickoxid, Schwefeldioxid und Quecksilber. Letzeres produzieren Zahnfüllungen aus Amalgam. Das Umweltministerium zeigt sich deshalb so besorgt, weil gerade Bangkoks Tempel - die für die Studie untersucht wurden - oft die modernsten Krematorien vorweisen kann. Was aber produzieren dann Tausende von Tempeln im Land, die sich solch moderne Anlagen nicht leisten können?

Etwa 400.000 Thailänder sterben jährlich, und die Mehrheit wird verbrannt und garantiert damit - so die Studie - "einen recht konstanten Strom von gefährlichen Abgasen“. Doch kann die Regierung schlecht die Tempel zum Aufrüsten der Krematorien zwingen. Tempel finanzieren sich durch Spenden. Denn selbst wenn die Tempel das Geld für solche Modernisierungen haben, werden sie die Kosten dafür auf die Gläubigen abwälzen. Einäscherungen würden teurer werden, und dies würde arme Thais eines angemessenen Leichenbegängnisses berauben.

Verstaatlichung der Einäscherung?

Zwar warnen Umweltexperten vor einer tickenden Zeitbombe, denn die meisten Tempel liegen in dicht bevölkerten Gebieten. Doch der Regierung sind hier die Hände gebunden. Auch der Vorschlag, selbst in den Bau von modernen Krematorien zu investieren und die veralteten Anlagen abzuwickeln - Einäschern also zu verstaatlichen - kann beileibe nicht sofort umgesetzt werden. Denn hier geht es um ein sensibles Thema - und um Tradition. Es wird nicht einfach sein, Buddhisten von einem Umdenken zu überzeugen. Doch täte die Regierung gut daran, eine Kampagne starten, die die Thailänder über die Gefahren, die die veralteten Krematorien darstellen, aufklären würde. Über die Gefahren, die ihnen im Diesseits drohen.