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Die Angst der Jordanier

Birgit Svensson20. September 2013

Syriens Nachbar Jordanien fürchtet ein Überschwappen des Bürgerkriegs: Das Terrornetz Al-Kaida und Massen von Flüchtlingen bedrohen die Stabilität des Königreichs. Bei den Bürgern wächst der Unmut.

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Flüchtlingsdemonstration in einem Camp in Jordanien (Foto: KHALIL MAZRAAWI/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images

In Jordanien herrscht angespannte Ruhe. In den Straßen von Amman ist wenig von den Lasten, die das Königreich derzeit schultert, zu spüren. Die jordanische Hauptstadt boomt, an jeder Ecke wachsen Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. Die neu eröffneten Cafés und Restaurants sind gut besucht, Shopping Malls begehrt. Auf den ersten Blick erscheint das kleine Land wie eine prosperierende Oase inmitten von Krieg und Terror bei den Nachbarn. Doch politische Beobachter sind sich einig: Früher oder später wird Jordanien unter der Last und den Bedrohungen zusammenbrechen.

Dass die Bedrohung durch die Lage in Syrien für Jordanien realistisch ist, glaubt auch Regierungssprecher Ayman Arabeyat. Erst kürzlich habe man wieder Waffentransporte an der syrisch-jordanischen Grenze abgefangen, begründet er seine Aussage. Seit Juni würden immer wieder Waffen von Syrien nach Jordanien geschmuggelt. Arabeyat sieht die Drahtzieher eindeutig beim Assad-Regime: "Die Rebellen wollen doch Waffen nach Syrien importieren, nicht exportieren." Dass Dschihadisten vom Schlage Al-Kaidas, die in Syrien operieren, vielleicht auch die Destabilisierung des Regimes in Amman mit Waffengewalt im Sinn haben, will der Regierungssprecher nicht gelten lassen. Die eindeutige Positionierung der jordanischen Regierung ist neu, hat sie bislang doch auf eine Bewertung des Konflikts in Syrien verzichtet.

Al-Kaida-Attacken in Jordanien

Dabei müssten dringend auch andere Verdächtige in Betracht gezogen werden, die dem Regime in Amman schaden wollen. Denn bereits Ende 2005 gab es in der jordanischen Hauptstadt drei verheerende Bombenanschläge auf Hotels mit 67 Toten. Damals tobte im Nachbarland Irak ein Bürgerkrieg. Al-Kaida kämpfte mit irakischen Widerständlern gegen die US-Truppen und übernahm auch die Verantwortung für die Anschläge in Jordanien. Der Anführer der Terrorzelle im Irak, Abu Mussab al Zarkawi, stammte aus Zarka, einer Stadt nordöstlich von Amman. Im Oktober vergangenen Jahres verhinderten jordanische Sicherheitskräfte offenbar weiteren Terror in Amman. Elf Männer wurden festgenommen, die angeblich Anschläge auf westliche Diplomaten, Einkaufszentren und Cafés geplant hatten. Die Männer sollen in Verbindung mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida im Irak stehen und Waffen, Munition und Sprengstoff aus dem Nachbarland Syrien eingeschleust haben.

GettyImages 164290277 US-Präsident Obama und Jordaniens König Abdullah II (Foto: SAUL LOEB/AFP/Getty Images)
Wichtige Verbündete: US-Präsident Obama und Jordaniens König Abdullah IIBild: AFP/Getty Images

Ein Militärschlag der USA und westlicher Verbündeter wäre Wasser auf die Mühlen der radikalen Islamisten. Das Königshaus in Jordanien gilt als westlich orientiert. Viele westliche Organisationen haben sich schon seit dem Irak-Krieg im sicheren Amman niedergelassen. Auch die Vereinten Nationen haben ihr Hauptquartier für die Region in Jordanien. Beobachter sind sich einig: Der Bürgerkrieg in Syrien ist die größte Gefahr für Jordaniens Herrscher König Abdullah.

US-Unterstützung für Jordanien

Nach einem gemeinsamen Manöver der amerikanischen und der jordanischen Streitkräfte im Juni ließen die US-Truppen vorsichtshalber ihre Luftabwehrraketen zum Schutz Jordaniens zurück. Auch 700 amerikanische Soldaten sind geblieben, bis sich die "Sicherheitslage vor Ort so verändert, dass sie nicht mehr gebraucht werden", begründete US-Präsident Barack Obama offiziell die Entscheidung. In Amman erfährt man, dass schon seit geraumer Zeit militärische Spezialkräfte aus den USA heimlich syrische Rebellen auf jordanischen Militärstützpunkten ausbilden. Sie sollen dort im Umgang mit Panzer- und Luftabwehrraketen geschult werden.

Bisher habe sich Jordanien die Ruhe erkauft, so erklärt Ralf Erbel, Chef der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung für den Mittleren Osten mit Sitz in Amman, die wenigen Demonstrationen, die es im Zuge des Arabischen Frühlings in dem Land gab. Der König versprach Reformen, löste das Parlament auf und ließ Neuwahlen abhalten. Diese brachten dann eine Volksvertretung hervor, die wie eh und je von traditionellen "Loyalisten" dominiert und dem vorigen Parlament zum Verwechseln ähnlich ist. Die bei den Protesten im Frühling 2011 erhobenen Forderungen nach einer konstitutionellen Monarchie verstummten bald. "Es gibt eine eindeutige Absprache in der Region", so Erbel. "Ein arabischer Monarch darf nicht gestürzt werden!" Das lassen sich die anderen Monarchien im Nahen Osten einiges kosten. Fonds mit vier bis fünf Milliarden Dollar wurden aufgelegt und für Jordanien bereitgestellt, um Aufmüpfige zu beruhigen. "Die Golfstaaten finanzieren", weiß Erbel. Jordanien habe seine geostrategische Bedeutung verkauft. "Ohne diese Zuwendungen wäre Jordanien nicht existent."

Der schwierige Umgang mit den Flüchtlingen

Doch dann kamen die syrischen Flüchtlinge, ein weiterer Destabilisierungsfaktor für Jordanien. 560.000 sind bislang offiziell bei der Uno registriert. Die tatsächliche Zahl dürfte aber bei mindestens 700.000 liegen, da viele nicht in Camps, sondern in Städten und Dörfern leben. Damit haben die kleinen Länder Jordanien und Libanon das Gros der syrischen Flüchtlinge aufgenommen.

Syrische Flüchtlingskinder erhalten medizinische Betreuung (Foto: EPA/JAMAL NASRALLAH)
Die Versorgung der Flüchtlinge ist eine MammutaufgabeBild: picture-alliance/dpa

Die Wasserknappheit sei nur eines der Riesenprobleme, die durch die Flüchtlinge auf die knapp 6,5 Millionen Einwohner Jordaniens zukommen, umreißt Regierungssprecher Arabeyat die Lage. Arbeit und Sicherheit seien weitere, nicht minder gravierende. Die Kriminalität habe rapide zugenommen. Die Syrer seien arm und würden alles versuchen, um zu überleben. Der Durchschnittslohn in Jordanien läge bei 400 Dinar (423 Euro) im Monat. "Die Syrer arbeiten für die Hälfte." Damit würden die Jordanier vom Arbeitsmarkt verdrängt. "Das schafft böses Blut." In Jordanien tickt eine Zeitbombe.