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Fünf Gründe für die Krise der Bundesliga

Ruben Kalus
21. April 2017

Bayern raus, Dortmund raus, Schalke raus. Erstmals seit zwölf Jahren ist kein Bundesligaklub in einem europäischen Halbfinale vertreten. Was läuft schief in der Bundesliga? Fünf Gründe für die Krise.

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Arturo Vidal vom FC Bayern München
Bild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hoermann

"Der Fußballgott ist nicht immer gerecht", beklagte sich Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes gegenüber Sport1. Kurz zuvor hatte sich Schalke 04 als letztes deutsches Team aus Europa verabschiedet - trotz einer aufopferungsvollen Leistung und eines 3:2 Rückspiel-Sieges gegen Ajax Amsterdam. Doch weniger der Fußballgott ist für Schalkes Ausscheiden verantwortlich, vielmehr sind es Schalkes desaströse Leistung im Hinspiel in Amsterdamsowie das Unvermögen, die 3:0-Führung in Überzahl im Rückspiel über die Zeit zu bringen. Auch Bayern ist trotz einiger Fehlentscheidungen des Schiedsrichters in der Summe verdient ausgeschieden. Borussia Dortmunds Niederlagen gegen Monaco sind dagegen nicht aus rein sportlicher Sicht zu betrachten: Der Sprengstoffangriff auf den Bus der Borussia überschattet das Champions League Viertelfinale zwischen beiden Teams und beeinflusste vor allem die geschockten Dortmunder.

Unter dem Strich steht trotzdem: Dieses Jahr gibt es kein internationales Halbfinale mit deutscher Beteiligung. Auch die von der UEFA veröffentlichte Fünfjahreswertung, die für die Teilnehmeranzahl der einzelnen Ländern bei europäischen Wettbewerben entscheidend ist, belegt das schwache Abschneiden der Bundesliga: Mit nur rund 14 Punkten ist es die schlechteste Spielzeit der vergangenen fünf Jahre. Auch allgemein sieht ein Blick auf die jüngsten Erfolge nicht besonders rosig aus: In den vergangenen 20 Jahren gewann nur zwei Mal ein deutsches Team die Champions League (Bayern München 2000/01 und 2012/13). Auch der letzte Triumph in der Europa League oder dem UEFA-Cup liegt bereits 20 Jahre zurück: 1997 holten Schalkes "Eurofighter" den Pokal. Danach schafften es lediglich Borussia Dortmund (2002) und Werder Bremen (2009) ins Finale, verloren aber. Was also läuft schief in der Bundesliga?

1. Fehlende nationale Konkurrenz

Spieler des BVB nach dem verlorenen Viertelfinale gegen Monac
Zuletzt lief der BVB den Bayern hinterher: Kann Dortmund in den nächsten Jahren wieder zum Rekordmeister aufschließen?Bild: REUTERS/Livepic/J. P. Pelissier

In den vergangenen vier Jahren hieß der deutsche Meister immer FC Bayern München, und auch in dieser Saison werden die Münchener wieder ganz oben stehen. Vor einigen Jahren befanden sich Dortmund und Bayern noch auf Augenhöhe und beflügelten sich gegenseitig. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Jetzt fehlt den Münchenern ein nationaler Konkurrent. Einer, der nicht nur in direkten Duellen zu überzeugen weiß, sondern auch in Spielen gegen alle anderen Mannschaften über eine komplette Saison hinaus zu dominieren weiß. So wie in Spanien, wo sich Real Madrid, Barcelona und Atletico Madrid auf einem Niveau miteinander messen. Oder in England, wo regelmäßig Teams wie Chelsea, Tottenham, Liverpool, der FC Arsenal oder die Teams aus Manchester um den Premier-League-Gewinn spielen. Der ehemalige Bayernspieler Lothar Matthäus resümiert in einem Interview mit der "TZ": " Dem FC Bayern fällt das Tagesgeschäft in der Bundesliga zu einfach. Da spielen sie stabil und haben keinen ernsthaften Konkurrenten. Wenn mit Leipzig ein Aufsteiger Bayern-Jäger Nummer eins ist, spricht das nicht für die Bundesliga."

2. Fehlende Stabilität der Spitzenteams

Einige Jahre lang waren es immer dieselben Teams, die um die Teilnahme der Champions League spielten: Bayern München, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen, Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach. Diese Saison kämpfen Leverkusen, Gladbach und Schalke darum, es überhaupt noch in die Europa League zu schaffen. Stattdessen sind es neben Dortmund und Bayern Hoffenheim und RB Leipzig, die um die Königsklasse mitspielen. Die Spitzenteams der vergangenen Jahre sind zu instabil, was die Qualität der Bundesliga mindert und den Konkurrenzkampf an der Spitze schwächt. Diese mangelnde Konstanz zeigt sich nun auch in den internationalen Wettbewerben.

3. Unausgeglichene Kader

Frank Ribery und Arjen Robben vom FC Bayern München
Leistungsträger Ü-30: Wie lange spielt "Robbery" noch für Bayern?Bild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hoermann

Dortmund und Bayern waren in den vergangenen Jahren international die erfolgreichsten Vertreter der Bundesliga. Doch die Kader beider Teams haben in dieser Spielzeit ihre Schwächen. Dortmund befindet sich im Umbruch. Die Mannschaft (Altersdurchschnitt 25,3 Jahre) ist gespickt mit jungen, sehr talentierten Spielern wie beispielsweise Ousmane Dembélé, Christian Pulisic und Julian Weigl. Doch die mangelnde Erfahrung und Abgeklärtheit und die damit verbundene Inkonstanz hat sich in dieser Saison schon häufiger gezeigt.

In Bayerns Kader (Altersdurchschnitt 27, 8 Jahre) hingegen sind zahlreiche Ü-30-Spieler vertreten, unter anderem viele Leistungsträger wie Arjen Robben, Franck Ribéry, Philipp Lahm und Xabi Alonso. Gegen Real betrug der Altersdurchschnitt 30 Jahre und 116 Tage. Natürlich macht sich die Erfahrung dieser Spieler bezahlt. Doch auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass Bayerns Mannschaft eben nicht so flexibel und breit aufgestellt ist, wie beispielsweise die Reals oder Barcas. Daran müssen die Münchener um Trainer Carlo Ancelotti arbeiten.

4. Finanzielle Schlagkraft

Cristiano Ronaldo und Marcelo Vieira beim Torjubel
Real Madrid und Barcelona dominieren: Vor allem gegen spanische Teams scheiterten die Bundesligisten zuletztBild: Getty Images/G. A. Moreno

Im Vergleich zur englischen und spanischen Liga hechelt die Bundesliga finanziell hinterher. Auch wenn allen 18 Bundesligaklubs gemeinsam in diesem Jahr zum ersten Mal die Drei-Milliarden-Umsatz-Marke knackten und die Bundesliga insgesamt sehr ausgeglichen wirtschaftet: Finanziell betrachtet kann es lediglich der FC Bayern mit Schwergewichten wie Real Madrid, Barcelona oder Manchester United aufnehmen.

Dabei muss beachtet werden, dass die spanischen Klubs oft hoch verschuldet sind und die englischen Vereine stark von den hohen TV-Einnahmen profitieren. Doch das zählt nur wenig, wenn es um das Wettbieten um international begehrte Spieler geht. In diesem Bereich fehlt es der Bundesliga in der Breite an finanzieller Schlagkraft. Dass Geld aber noch lange keinen Erfolg verspricht, zeigt das Abschneiden englischer Klubs in den vergangenen Jahren. Der letzte englische Erfolg in der Königsklasse durch den FC Chelsea liegt nun auch schon fünf Jahre zurück.

5. Chaotische Spielkultur?

Mario Gomez vom VfL Wolfsburg
"Druck, Angst, Nervosität und Einfach-nur-den-Arsch-retten-wollen", sind für Mario Gomez die Gründe für schlechten Fußball in der BundesligaBild: picture alliance/dpa/M. Meissner

Mario Gomez beschreibt den aktuellen Fußball in der Bundesliga als "Gemurkse". "Acht Punkte zwischen Europa League und Abstiegsplatz, das gibt es normalerweise in der dritten und vierten Liga. Man kann das als Stärke oder Schwäche der Liga auslegen, ich finde, das ist Schwäche", urteilte der Nationalspieler in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" Anfang April. Und auch andere Experten sind der Meinung, der Bundesliga fehle es an Spielkultur. Frank Wormuth, Trainerausbilder beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), fragte im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung": " Wer betreibt denn noch Spielaufbau?" Damit verwies er auf den Trend der vergangenen Jahre, über starkes Pressing möglichst schnell in Ballbesitz zu kommen und anschließend über wenige Stationen zum Torerfolg zu kommen. Diesen auf Konter und schnelles Umschaltspiel basierenden Stil beschrieb auch Pep Guardiola nach seinen ersten Saison als charakteristisch für die Bundesliga. Vielleicht müssen die Bundesligisten wieder vermehrt auf Aufbaufußball und Kombinationen setzen, um bei Spielen auf höchstem Niveau mithalten zu können.

So erfreulich volle Stadien, gute Stimmung und gelebte Traditionsvereine sind - um international wieder konkurrenzfähig zu sein, was Taktik, Variabilität und spielerische Qualität angeht, müssen die Bundesligisten wohl noch an sich arbeiten.