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Orthodoxe Kirche in Bulgarien

Alexander Andreev3. Dezember 2012

Am 24. Februar 2013 wird in Bulgarien ein neuer Patriarch gewählt. Nach dem Tod des 99-jährigen Maxim sucht man ein Kirchenoberhaupt, das den Ruf der Kirche reparieren und die notwendigen Reformen durchführen kann.

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Verstorbener Patriarch Bulgarischer Orthodoxen Kirche Maxim (Foto: EPA/VASSIL DONEV (c) dpa - Bildfunk)
Verstorbener Patriarch Bulgarischer Orthodoxen Kirche MaximBild: picture-alliance/dpa

Die Situation der Bulgarischen Orthodoxen Kirche (BOK) sei dramatisch, sagt Professor Kalin Yanakiev, ein anerkannter Fachmann in Glaubensfragen. Er meint damit die Tatsache, dass elf der insgesamt 15 Bischöfe der Kirche Anfang des Jahres als Mitarbeiter der ehemaligen kommunistischen Staatssicherheit enttarnt worden sind. Das größte Problem dabei: Genau aus den Reihen dieser Bischöfe wird der neue Patriarch gewählt. Ein Unding, findet Yanakiev, denn die elf ehemaligen Spitzel gehörten eigentlich vor ein Kirchengericht. Der Religionswissenschaftler beruft sich dabei auf die 30. Apostolische Regel, derzufolge das Erlangen eines bischöflichen Postens mit Unterstützung der weltlichen Macht durch ein Kirchengericht zu ahnden sei.

Dieses grundsätzliche Problem der BOK wird auch in einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) angesprochen. Marco Arndt schreibt dazu: "Ganz allgemein gesagt stellt sich durch die Enthüllungen die Frage nach den Verbindungen zwischen dem Klerus und dem kommunistischen Staat, nach der Unabhängigkeit der Hohen Geistlichkeit und der Neigung des obersten Klerus, sich benutzen und instrumentalisieren zu lassen. Dies sind Fragen, die sich in unverminderter Schärfe auch heute stellen, trotz der veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.“

Heilige Messe für den verstorbenen Patriarch Maxim (Foto: EPA/VASSIL DONEV)
Die Heilige Messe für den verstorbenen Patriarchen MaximBild: picture-alliance/dpa

Kein großer gesellschaftlicher Einfluss der Kirche

Wegen ihrer Staatsnähe unter dem kommunistischen Regime hat die BOK über die Jahrzehnte an Prestige und Unterstützung verloren. Im Vergleich mit Ländern wie Serbien oder Russland ist der gesellschaftliche Einfluss der orthodoxen Kirche in Bulgarien sichtbar kleiner. Laut einer Umfrage des Nationalen Instituts für Meinungsforschung aus dem Februar dieses Jahres, bekennen sich zwar circa 80 Prozent der Bulgaren zum orthodoxen Glauben, als "tief gläubig“ aber bezeichnen sich nur 13 Prozent. Und nach den Enthüllungen über die Spitzeltätigkeit der elf Bischöfe ist das Vertrauen in die BOK dramatisch eingebrochen - von 53 auf 36 Prozent. Es war aber auch ein erklärtes Ziel der moskautreuen Machthaber in Bulgarien zwischen 1944 und 1989, die Kirche gefügig zu machen. Die Anzahl der Priester wurde drastisch reduziert, die kirchlichen Eigentümer teilweise verstaatlicht, die Teilnahme an christlichen Feiern praktisch verboten. Die Kommunisten duldeten lediglich einige harmlose orthodoxe Rituale, was die BOK eigentlich zu einer "Ritualvollzugsanstalt" degradiert habe, wie in der KAS-Studie zu lesen ist.

Erst nach der Wende 1989-1990 entstand eine ernstzunehmende Bewegung für die Erneuerung der BOK. Ein ehemaliger Kernphysiker und Dissident versammelte Tausende Menschen zu Mahnwachen gegen die damaligen kirchlichen Würdenträger.

Ein Mann mit den Kerzen in der Kirche (Foto: ddp images/AP Photo/Petar Petrov)
Die Orthodoxe Kirche spielt gegenwärtig in Bulgarien eine untergeordnete RolleBild: AP

1996 versuchte ein Teil der Metropoliten, gegen den Patriarchen Maxim zu putschen. Bischof Pimen wurde zum "Alternativpatriarchen" gewählt. Diese Spaltung der Kirche dauerte drei Jahre, bis zum Tode von Pimen, der später allerdings selbst auch als Mitarbeiter der Staatssicherheit enttarnt wurde. Der Historiker Momtchil Metodiev sieht die Überwindung der Kirchenspaltung als großes Verdienst des jüngst verstorbenen Patriarchen Maxim. Denn "radikale Umwälzungen in der orthodoxen Kirche sind nicht nur unmöglich, sondern auch unerwünscht,“ so Metodiev in einem DW-Interview.

Machtkämpfe innerhalb der Kirche

Eine Reform müsste nicht radikal sein, sei aber auf jeden Fall notwendig - so kann man das Fazit der KAS-Studie zusammenfassen. Der Autor der Studie befürchtet ein "negatives Szenario“: "Die Vereinigung einiger Metropolitenlobbys für die bevorstehende Wahl des Patriarchen mit dem Ziel der Erhaltung oder sogar Verschärfung des Status Quo und eine mögliche Mitwirkung an diesem negativen Prozess durch einflussreiche örtliche Geschäftsleute." Es gebe aber auch einen positiven Szenario, heißt es in der Studie weiter: hier geht man von einer Erhöhung der Sichtbarkeit der Zivilgesellschaft und der kirchlichen öffentlichen Meinung aus. Das, so die Autoren der Studie, würde "zu einem Wiedererstehen des Gemeindelebens und einer erfolgreichen Kontrolle der Metropoliten" führen. Um das zu erreichen sind aber "eine Erhöhung des Bildungsniveaus der Pfarrer und künftiger Mönche, der Aufbau internationaler Kontakte, das Aufarbeiten der kommunistischen Vergangenheit der Kirche und die Partizipation aktiver und gebildeter Kirchenmitglieder an Entscheidungsprozessen in der Kirche“ notwendig, heißt es in der Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Mit der Anspielung auf die "einflussreichen örtlichen Geschäftsleute“ sind die sogenannten "Archonten der Kirche“ gemeint - mehr oder weniger ein Phantasie-Ehrentitel, der an drei dubiose Personen, denen Steuerhinterziehung, Korruption und der Handel mit dem illegel erworbenen Software vorgeworfen wird, verliehen wurde. Sie sitzen aber mit im Konzil, das den neuen Patriarchen aus der Reihe der von der Heiligen Synode vorgeschlagenen drei Bischöfe wählen wird. Die Positionierung der möglichen Kandidaten hat mittlerweile begonnen, viele Bulgaren aber beobachten die kirchlichen Machtkämpfe eher mit Frust. Denn neben den elf Bischöfen mit Spitzelvergangenheit stellt sich für viele Gläubige auch bei den verbleibenden Kandidaten die Frage nach der Eignung. Einer macht Schlagzeilen vor allem mit seiner Vorliebe für teure Autos, ein zweiter mit Hassparolen gegen Homosexuelle und Andersgläubige. Zwei der Bischöfe haben das notwendige Alter von 50 Jahren noch nicht erreicht.

Alexander Nevski Kathedrale in Sofia (Foto: AP Photo / Valentina Petrova)
Die Alexander Nevski Kathedrale in SofiaBild: AP Photo

So entstehen spontan Gruppen, auch im Internet, die sich für den einen oder anderen örtlich bekannten frommen Mann auf dem Patriarchensessel stark machen. Die kontroverse Lage wird von Pater Vissarion aus dem bulgarischen Zograph-Kloster in Athos treffend bilanziert: "Was in der Kirche zur Zeit geschieht, ist das Ergebnis unserer geistigen Verfassung. Jede kirchliche Gemeinschaft bekommt immer den Hirten, den sie verdient.“