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Das Interesse am Freiwilligen Wehrdienst ist verhalten

29. April 2011

Der freiwillige Wehrdienst stößt bisher auf geringes Interesse. Die Bundeswehr fürchtet Personalprobleme. Diese Erfahrung haben auch andere Länder gemacht. Was kann Deutschland von den Nachbarn lernen?

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Eine Gruppe von Rekruten der Bundeswehr steht auf dem Hof des Neuen Schlosses in Stuttgart beim Oeffentlichen Geloebnis Foto: ddp/dapd
Ende einer Ära: Die Wehrpflicht fällt zum 1. Juli wegBild: AP

Die Bundeswehr rührt die Werbetrommel – mit kleinen Filmchen und großen Anzeigen macht sie jungen Männern und Frauen den freiwilligen Wehrdienst schmackhaft. Zufriedene Soldaten erzählen von den Vorzügen des Arbeitgebers Bundeswehr. Doch so richtig zündet die Werbung nicht, was den Militärsoziologen Detlef Buch von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik nicht überrascht. Denn alle Armeen, die die Wehrpflicht abschaffen, gehen durch das gleiche Jammertal: Sie suchen händeringend nach Nachwuchs. "Die Personalreserven, aus denen man vorher rekrutiert hat, sind weggebrochen", sagt Buch. "Die Armeen müssen also mehr Geld in die Hand nehmen, um Freiwillige, Zeit- und Berufssoldaten auf dem freien Arbeitsmarkt zu gewinnen."

Junge Männer passieren den Eingang zur Kaserne Fünfeichen in Neubrandenburg, um ihren Dienst bei der Bundeswehr anzutreten. Nach mehr als 50 Jahren Wehrpflicht werden am Montag (03.01.2011) letztmals junge Männer regulär zum Dienst an der Waffe eingezogen. Foto: dpa
Die letzten Wehrdienstleistenden traten im Januar ihren Dienst anBild: picture alliance / dpa

Diese Erfahrung haben die Niederlande, Frankreich und Spanien längst hinter sich – sie haben sich schon vor zehn oder mehr Jahren von der Wehrpflicht verabschiedet. Erst im vergangenen Jahr hat auch die Bundesregierung beschlossen, auf die seit 1957 bestehende Wehrpflicht zu verzichten. Das Ende des Zwangsdienstes ist Teil einer größeren Reform, die die Bundeswehr kleiner und flexibler machen soll.

Nun ist also auch die Bundeswehr-Führung damit konfrontiert, dass sie nicht mehr bequem aus dem Reservoir der Wehrdienstleistenden schöpfen kann. Stattdessen muss sie aktiv auf Schulabgänger zugehen und ihnen den Dienst an der Waffe schmackhaft machen. Bis zu 15.000 Posten stehen für Freiwillige in der Bundeswehr bereit. Aber gerade die besten Köpfe seien schwer zu gewinnen, warnt der Militärsoziologe Buch mit Blick auf die Erfahrungen im Ausland. "Nach der Abschaffung der Wehrpflicht kommt besonders Personal in die Streitkräfte, das wenig oder gering qualifiziert ist und auch den körperlichen Anforderungen nicht mehr so entspricht wie vorher."

Sinkt das Niveau der Bewerber?

Ein Musterungsarzt untersucht in Köln einen jungen Mann. Foto: dpa
Kriterien runter, Bewerberzahl rauf?Bild: picture alliance/dpa

Ein Phänomen, das auch der spanischen Regierung Kopfzerbrechen bereitete. Sie reagierte auf den anfangs dramatischen Personalmangel, indem sie die Anforderungen an die Bewerber herunterschraubte. Der erforderliche IQ wurde gesenkt, und auch pummelige Brillenträger bekamen eine Chance. Seit der Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2001 füllt die spanische Armee ihre Reihen auch mit Einwanderern auf, deren Muttersprache Spanisch ist. Ihnen wird die Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt. Die Aufnahme von in Deutschland lebenden Ausländern könnte vielleicht auch ein Modell für die Bundeswehr sein, meint Buch, sofern sie hervorragend Deutsch sprechen und es entsprechende Regelungen mit den Heimatländern gibt.

Ohne Geld kein gutes Personal

Guten Nachwuchs zu rekrutieren wird für die Bundeswehr also nicht einfach werden. Die ersten Reaktionen auf den freiwilligen Wehrdienst sind verhalten. "Kein Grund zur Panik", heißt es im Verteidigungsministerium, wo man über Lockmittel nachdenkt. Finanzielle Zulagen, kostenlose Wohnungen und gute Karrierechancen könnten den Dienst attraktiver machen. Doch das alles kostet Geld, das die Bundesregierung nicht hat.

Ein Blick auf die Erfahrungen der Verbündeten zeigt: In einer Berufsarmee sind die Personalkosten in der Regel höher. Gespart wird überhaupt nur dadurch, dass die Armee insgesamt kleiner wird, so wie es auch in Deutschland geplant ist. Mit Einsparungen rechnet Buch in frühestens zehn Jahren. Er vergleicht die Reform der Bundeswehr mit dem Umzug von einer alten, geräumigen Vierzimmerwohnung in eine Zweizimmerwohnung mit moderner Einrichtung: "Am Anfang wird es teurer, aber langfristig spart man."

Autorin: Nina Werkhäuser

Redaktion: Pia Gram