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Die Chance auf ein neues Leben

Juliane Metzker23. Oktober 2015

Der Syrer Alaa Houd kam 2014 ohne seine Familie nach Deutschland. Nach einem Jahr folgen ihm nun seine Frau Hiba und sein Sohn. DW-Reporterin Juliane Metzker hat sie vor ihrem Abflug in Beirut getroffen.

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Beirut Hiba, die Frau von Alaa Houd (Foto: DW/J. Metzker)
Bild: DW/J. Metzker

Hiba hält ihren Sohn fest im Arm. Der dreijährige Joujou - wie die junge Syrerin ihn liebevoll nennt - kuschelt sich eng an seine Mutter. Er ist müde. Immer wieder fallen ihm die Augen zu und das Köpfchen sinkt auf Hibas Schulter. Stundenlang waren die beiden mit dem Taxi unterwegs, von Damaskus zum Flughafen in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Es ist bereits ein Uhr nachts. Für sie und Joujou sind es die letzten Stunden in einem arabischen Land – einer noch vertrauten Umgebung. Denn schon morgen Früh beginnt ihr neues Leben, weit weg von der Heimat und dem Krieg, der dort seit über vier Jahren wütet.

Mit vollgepackten Kofferkuli steht Hiba im Flughafen-Terminal und studiert die Anzeigentafel. Von Beirut aus fliegen sie und ihr Sohn zuerst nach Belgrad und im Anschluss weiter nach Düsseldorf, wo sie ihr Mann Alaa vom Flughafen abholen wird. Bei dem Gedanken daran, lächelt die junge Mutter: "Alaa und ich waren über ein Jahr lang voneinander getrennt. Ich kann es kaum erwarten, ihn endlich wieder zu sehen."

"Als hätte man ein Stück meiner Seele herausgerissen"

Damals brach Alaa Richtung Europa auf, in der Hoffnung seine Familie bald nachholen zu können. Von der Entscheidung ihres Mannes war Hiba nur wenig begeistert: "Ich war nicht überzeugt davon. Wollte ihm aber auch nicht im Weg stehen. Als Alaa dann ging, fühlte es sich so an, als hätte man mir ein Stück meiner Seele herausgerissen. Ich hatte große Angst um ihn." Tatsächlich waren ihre Sorgen nicht unbegründet: Auf der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland kenterte das Schlauchboot der Schlepper mit denen Alaa unterwegs war. Drei Stunden lang schwamm er in Richtung Festland, bis ihn die griechische Küstenwache aus dem Wasser zog. "Zwei Tage lang hörte ich nichts von ihm. Ich konnte kaum essen und schlafen bis er sich endlich bei mir meldete", erzählt Hiba.

Nach der gefährlichen und langen Reise kam Alaa schließlich nach Deutschland. Das darauffolgende Jahr ohne ihren Mann in Syrien war für Hiba eine Qual aus Warten und Angst. Warten darauf, dass sie ihrem Mann endlich nach Europa folgen kann. Angst vor den Bomben, die in der Nähe ihres Hauses einschlugen. "An anderen Tagen regnete es sogar regelrecht Raketen. Dann passierte längere Zeit nichts. Aber man konnte sich nie sicher sein, dass es so ruhig blieb", sagt sie und streicht über Joujous dunkles Haar. Der Dreijährige ist mittlerweile hellwach und beobachtet neugierig die Reisenden im Terminal. Vor allem für ihn wollen die jungen Eltern eine bessere und sicherere Zukunft und die gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nun einmal nicht in Syrien.

Warten auf die Familie

"Ich weiß nicht, was mich erwartet"

Erst vor ein paar Tagen erhielt Hiba den Anruf der deutschen Botschaft, dass der Antrag auf Familiennachzug genehmigt wurde. Das Geld für die Flüge hatte ihr Mann bereits zusammengespart. "Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich Alaa wiedersehen würde und jetzt ist es endlich soweit", sagt sie. Dennoch sieht Hiba Deutschland mit gemischten Gefühlen entgegen: "Ich weiß nicht, was mich erwartet. Wir müssen sehen, wie wir uns einleben können. Sicherlich ist Deutschland für mich ein Land voller Menschlichkeit. Es hat uns die Türen geöffnet und ermöglicht uns die Chance auf ein neues Leben."

Kurz vor der Gepäckkontrolle klingelt Hibas Handy: Ihre Mutter in Syrien will wissen, ob sie gut in Beirut angekommen ist. Nachdem Hiba aufgelegt hat, ist die sonst so quirlige junge Frau kurz still. Der Abschied von den Eltern fiel ihr schwer: "Ich bin traurig. Es schnürt mir die Kehle zu. Ich hoffe, dass der Krieg bald vorbei ist, damit ich sie besuchen kann." Dann lächelt sie wieder, nimmt Joujou bei der Hand und sagt zu ihm: "Jetzt wird es aber Zeit. Wir müssen los!" Ihre Vorfreude ist zurück, denn es sind nur noch ein paar Stunden, die sie von Alaa trennen.