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Die Deutschen dürfen kommen!

28. Juni 2002

Brasilien ist im Finale der Finalen Favorit. Auch wenn wir Brasilianer Zweckpessimismus zeigen - diese Rolle gehört der Seleção fast immer. Auch am Sonntag? Einschätzungen eines brasilianischen Fußballexperten.

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Wird Brasilien die Bälle halten?Bild: AP

Da die Deutsche Mannschaft das Finale erreicht hat und auf eine große Fußballtradition zurückblicken kann, verdient sie Respekt. Doch bleibt sie Außenseiter. Was die Völler-Truppe auf dem Feld geleistet hat, ist noch keinen WM-Titel wert.

In den letzten Tagen wird viel über die niedrige Torquote der deutschen Abwehr in diesem WM-Spiel gesprochen. Plötzlich soll die Dreier- bzw. Viererkette eine stabile Festung geworden sein. Doch wen wollen sie damit überzeugen? Dank des außenordentlichen Torhüters Oliver Kahn ist diese Statistik zustande gekommen. Zwar bleibt die Viererkette Opferkandidat für gute Stürmer und offensive Mannschaften. Nicht umsonst plant Völler fast die ganze Mannschaft gegen Brasilien nach hinten zu stellen. Die aktuelle Abwehr aber reicht nicht.

Gefährliche Kopfbälle und leichte Gegner

Doch die deutsche Mannschaft hat gute Spieler. Neben Kahn ist Klose lobenswert. Der ist immer gefährlich, und nicht nur bei Kopfbällen. Leider hat Völler ihn zu lange nur als dritte Wahl gehandelt und auf die enttäuschenden Jancker und Bierhoff bestanden – und er zieht beide noch vor den aktiven Neuville und Asamoah. Erst kurz vor der WM wurden Kloses Tugenden anerkannt. Selbst der Fachpresse erschien er zu jung für die Nationalmannschaft. Mensch, Pelé und Ronaldo sind als Minderjährige zu ihren ersten WM-Spielen gereist! Und wurden Weltmeister!

Man soll das Glück Deutschlands nicht vergessen. Was für Gegner hatte die Mannschaft bisher? Saudi Arabien, Irland, Kamerun, Paraguay, USA und Südkorea. Eigentlich ein leichter Weg. Brasilien hatte mit dem Spiel gegen England im Viertelfinale eine richtige WM-Titelreifeprüfung bestanden.

Ebenbürtige Gegner?

Die Südamerikaner machen zwar auch keine überragenden Spiele, aber wie bei den Deutschen hat es für das Niveau dieser WM bisher gereicht. Es sieht so aus, dass die Brasilianer von den Deutschen gelernt haben, um die Ergebnisse zu spielen. Sie laufen sogar leichtsinnig mit dem Ball, zeigen sich geschickt, aber auch egoistisch - eine Krankheit, an der fast jeder brasilianische Star leidet, z.B. Rivaldo, Roberto Carlos und Denílson. Aber wie kann man sie verurteilen, wenn sie trotzdem die nötigen Tore schießen? Vielleicht würden soe sogar mehr Tore erzielen, wenn sie sich nicht als Konkurrenten sehen.

Der Trainer wird's schon richten

Wer hinter der Spielart dieser Mannschaft steckt ist der Coach Luís Felipe Scolari. Als Trainer der Seleção wird er von allen Seiten beschimpft, weil er ein Gegner der Fußballkunst sein soll. Als Chef von Vereinsmannschaften wie Grêmio, Palmeiras und Cruzeiro war er immer erfolgsreich, weil er seine Teams nach der gegebenen Situation aufstellt. Auch deswegen ist er ein K.O.-Spielexperte. In der gegenwärtigen Mannschaft scheint es, dass Scolari eine passende Mischung seiner Lieblingsaufstellung und der Fähigkeiten seiner Weltstars gefunden hat. Scolari kümmert sich um die Abwehr und lässt seinen Stars Freiheiten im Angriff. Nach einer schwachen, nachlässigen Vorrunde haben sie die Gegner ernster genommen und sich damit verbessert.

Den einzigen groben Fehler seither hat Lucio beim Tor des Gegners England begangen. Als Brasilianer hoffe ich, dass er – der umsonst tolle Leistungen bringt – seine Fehlerquote ausgeschöpft hat. Wenn nicht, hängen wir von den Torerfolgen eines Rivaldo, Ronaldo und Ronaldinho ab.

Marcio Weichert ist brasilianischer DW-WORLD-Redakteur und Fußballfan