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Die Deutschen haben Angst

16. Dezember 2015

Die Mehrheit der Deutschen blickt eher mit Angst als mit Zuversicht auf das kommende Jahr. Nachdem der Normteutone 2014 noch deutlich besser gelaunt war, sprechen Forscher nun von einer Rückkehr der "German Angst".

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Eine Museumsbesucherin betrachtet das Gemälde "Der Schrei" von Edvard Munch (Foto: dpa)
Eine Museumsbesucherin betrachtet das Gemälde "Der Schrei" von Edvard MunchBild: picture-alliance/dpa

Terroranschläge, Hunderttausende Flüchtlinge, wachsende Gräben in der EU - das scheint bei vielen Deutschen Befürchtungen zu wecken. In einer repräsentativen Studie stellte das Meinungsforschungsinstitut GfK im Auftrag der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen einen starken Stimmungsumschwung im Vergleich zu den Vorjahren fest. Während sich aktuell 55 Prozent der Befragten angsterfüllt zeigen, waren es im Vorjahr nur 31 Prozent, 2013 lediglich 28 Prozent.

Der wissenschaftliche Leiter der Stiftung, Prof. Ulrich Reinhardt, sprach von einer Rückkehr der "German Angst". Als mögliche Ursache für das Ergebnis nannte Reinhardt den Zustrom von Flüchtlingen und die jüngsten Terroranschläge, wobei in der Erhebung nicht nach den Gründen für die Sorgen der Bürger gefragt worden war. "Die gegenwärtige humanitäre Krise und die zunehmende Angst vor Terroranschlägen hat die Bevölkerung tief verunsichert und lässt sie an einer positiven Zukunft zweifeln", interpretierte Reinhardt das Ergebnis.

Die Terroranschläge von Paris haben zur Verunsicherung beigetragen (Foto: Reuters)
Die Terroranschläge von Paris haben zur Verunsicherung beigetragen, glauben die ForscherBild: Reuters/P. Wojazer

Unter "German Angst" versteht der Forscher das Phänomen, dass die Deutschen schon immer Sorgen hatten, die Zukunft werde nicht so positiv wie die Gegenwart. Besonders die Älteren ab 55 Jahren äußerten sich in der Umfrage besorgt. 64 Prozent sagten: "Ich blicke angstvoll in die Zukunft." Bei den Jüngeren von 14 bis 34 Jahren waren dies 42 Prozent. Allerdings hat sich damit der Anteil der Furchtsamen in der jüngeren Generation seit 2013 - als es noch 19 Prozent waren - mehr als verdoppelt.

Sorge um die Wirtschaftsentwicklung

Probleme erwarten die Befragten in der Wirtschaft. Fast vier Fünftel - genau 79 Prozent - erwarten, dass die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands größer werden. 2014 hatten das nur 66 Prozent so gesehen, 2013 erst 59 Prozent. Am pessimistischsten äußerte sich die mittlere Generation im Alter von 35 bis 54 Jahren, von der 83 Prozent mit schlechteren Zeiten rechnen. "Besonders die Erwerbstätigen erwarten zusätzliche Belastungen und fürchten, ihren Lebensstandard nicht halten zu können", erklärte Reinhardt. Er prophezeite eine abnehmende Konsumlust und ein Comeback des Sparens.

Viele befürchten dass Europa - hier der ungarische Regierungschef Orban und Kanzlerin Merkel -auseinanderdriftet (Foto: Reuters)
Viele befürchten dass Europa - hier der ungarische Regierungschef Orban und Kanzlerin Merkel -auseinanderdriftetBild: Reuters/L. Balogh

Mehr als zwei Drittel (70 Prozent) der Deutschen gehen davon aus, dass Europa weiter auseinanderdriften wird. 2014 hatten sich erst 60 Prozent, im Jahr davor 61 Prozent entsprechend geäußert. Neben der Euro-Krise vertiefte dieses Jahr auch der Umgang mit dem Flüchtlingszustrom die politischen Gräben innerhalb der EU. Das neue Umfrageresultat sieht Reinhardt im Einklang mit jüngsten Wahlergebnissen: "Der Rechtstrend bei Wahlen in Polen, Frankreich, Ungarn, Österreich, Schweden, Großbritannien, Dänemark oder der Schweiz zeigt in ganz Europa die große Verunsicherung der Bevölkerung, die Angst um den eigenen Wohlstand hat, sich vor Überfremdung fürchtet und nationale Interessen in den Vordergrund stellt."

Zugleich befindet sich das Vertrauen in die Politiker auf einem neuen Tiefpunkt: 87 Prozent der Befragten vermuten, dass die Politiker weiter an Zustimmung verlieren werden. 2014 hatte dieser Anteil bei 81 Prozent gelegen, 2013 bei 77 Prozent. "Durch alle Gesellschaftsschichten hindurch zieht sich eine große Unzufriedenheit mit den gegenwärtigen Volksvertretern, konstatierte Reinhardt.

stu/mk (dpa, stiftungfuerzukunftsfragen.de)