1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Polen Kriegsrecht

13. Dezember 2011

Vor 30 Jahren wurde in Polen das Kriegsrecht verhängt. Die Deutschen zeigten sich mit der polnischen Bevölkerung solidarisch. Nicht so die politische Elite. Die Gründe nennt einer der damaligen Hauptakteure: Lech Walesa.

https://p.dw.com/p/13R3X
Lech Walesa (Foto: dpa)
Das Kriegsrecht sollte den Einfluss von Lech Walesa und seiner Gewerkschaft begrenzenBild: DPA

In der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 übernahm das Militär in Polen die Macht, am Tag darauf verkündete General Jaruzelski im polnischen Fernsehen den Ausnahmezustand im Land. Sein Ziel: soziale Unruhen im Land verhindern sowie den Einfluss der freien Gewerkschaft Solidarnosc und ihres Anführers Lech Walesa zu begrenzen. Das verhängte Kriegsrecht führte in Deutschland zu einer Welle der Solidarität mit der polnischen Bevölkerung, die offizielle Politik hielt sich aber zurück. Das führte dazu, sagte Lech Walesa in einem Interview für die Deutsche Welle, dass sich "der Russische Bär in Sicherheit fühlte". Und genau das war auch eines der Hauptanliegen seines politischen Handels: die Veränderungen in Polen herbeizuführen, ohne dabei die Sowjetunion zu einer Intervention zu provozieren.

DW-WORLD.DE: 1980 haben Sie die erste freie Gewerkschaft "Solidarnosc" gegründet. Ihr Kampf gegen das kommunistische Regime hat die westdeutsche Politik gespalten. Wie sehen Sie das heute?

Lech Walesa: Die Deutschen haben sich richtig verhalten, aber ich denke, dass das eher nicht geplant war. Sie haben sich auf keine Seite gestellt. Eine Hälfte der Politiker unterstützte uns, die andere war gegen uns - wahrscheinlich aus Angst vor den Sowjets. Das war ideal für die Zeit. Es half mir bei dem Spiel. Ich habe mich auch so verhalten: Als der Gegner stärker wurde, habe ich mich schwach gestellt. Als ich merkte, dass der Kommunismus schwächelt, dann habe ich mich erhoben. Das war eben die Kunst der Politik damals. Hätten uns die Deutschen allzu offen unterstützt, hätte das die Sowjets provozieren können und das hätte uns eher geschadet. Hätten sie uns weniger unterstützt, dann hätte sich Russland ermuntert fühlen können, uns schnell zu liquidieren. Und so haben sich die Deutschen beinahe ideal verhalten.

Aber warum loben Sie ausdrücklich die Zurückhaltung der Deutschen? In Westdeutschland gab es doch laute Stimmen aus der Politik: "Die Polen sollen lieber arbeiten als streiken". Hat es Sie nicht entmutigt?

Das war uns klar, dass wir keine gewaltige Konfrontation anstreben konnten, sonst hätten die Sowjets uns und das ganze Europa zerstört. Ich kann verstehen, dass es für die fleißigen Deutschen merkwürdig war, dass statt zu arbeiten, die Polen jetzt streiken. Aber das war der einzige Weg, um zu kämpfen und um zu siegen. Von Anfang an wussten wir, dass wir vor allem auf uns selbst setzten mussten. Natürlich waren wir damals an Kontakten und an der Hilfe interessiert, aber wir schauten uns nach niemanden um, weder nach Helmut Schmidt, noch nach Helmut Kohl, noch nach anderen, weil wir wussten, wenn wir gewinnen, würden die sich uns anschließen.

Gab es damals offizielle Treffen mit westdeutschen Politikern?

Ich habe mich heimlich mit dem Bundesaußenminister Genscher in Paris getroffen. Das war im Jahr 1981. Er kam zu mir. Er war sehr interessiert, was wir vor haben und was dabei herauskommen wird. Ich habe ihm gesagt, dass am Ende dieses Prozesses Deutschland wiedervereinigt wird. Er hat mir nicht geglaubt und mich wie einen Verrückten angeschaut. Er hat uns keine großen Chancen eingeräumt. Später, als der Mauer fiel, bei einem von unseren Treffen hat er zu mir gesagt: "Ich habe Angst mit Ihnen zu sprechen, denn alles was Sie sagen, bewahrheitet sich".

Interview: Rozalia Romaniec
Redaktion: Bartosz Dudek